Topic: Einpunktigkeit
Um meine Y-Achse habe ich ein Schwindelgefühl im Liegen. Freitag früh, als ich die Augen öffnete beim Drehen, kippten die Wände weg und ich dachte, ah, der Polsprung, jetzt rolle ich bestimmt vom Futon. Spektakuläre Erfahrung. Das Internet sagt, kleine Steine hätten sich im Ohr gelöst (wie Kugeln in einer Spraydose, das sag ich jetzt), es würde ein paar Wochen dauern, dann hätten sie sich wieder festgesetzt.
Mir schwirrt tatsächlich der Kopf. Zu viel gelesen, zu viel gesehen, zu viel gehört. Nah am Ausstieg aus allem. Nur noch das einfache, reine Leben finde ich des Aufwachens wert, den frühen Kaffee, den ich jetzt mit Hafermilch und einem Quäntchen Ghee darin trinke. Das Telefonat mit dem Bildhauer. Die schöne, weil sinnvolle grafische Arbeit für die Schulgründer. Das Russischlernen. Etwas kochen, später Spazierengehen. Am Abend Yoga und früh schlafen. Ab und zu Besuch, aber nicht zu lange.
Gestern und morgen jähren sich die Todestage meiner Eltern, dazwischen immer der Geburtstag des Patensohnes. In welchen Jahren, habe ich fast vergessen.
Haben sie überhaupt gelebt?
Mir schwirrt tatsächlich der Kopf. Zu viel gelesen, zu viel gesehen, zu viel gehört. Nah am Ausstieg aus allem. Nur noch das einfache, reine Leben finde ich des Aufwachens wert, den frühen Kaffee, den ich jetzt mit Hafermilch und einem Quäntchen Ghee darin trinke. Das Telefonat mit dem Bildhauer. Die schöne, weil sinnvolle grafische Arbeit für die Schulgründer. Das Russischlernen. Etwas kochen, später Spazierengehen. Am Abend Yoga und früh schlafen. Ab und zu Besuch, aber nicht zu lange.
Gestern und morgen jähren sich die Todestage meiner Eltern, dazwischen immer der Geburtstag des Patensohnes. In welchen Jahren, habe ich fast vergessen.
Haben sie überhaupt gelebt?
akrabke | 16. Januar 2023, 18:56 | 0 Kommentare
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Topic: русский
Nothing's gonna change my world, behauptete John Lennon in seinem Song Across The Universe. Ich hatte dies immer so verstanden, dass nicht mal eine spirituelle Erfahrung (wie er sie in dem Stück möglicherweise beschreibt) seine Welt verändern könnte. Im Russischen, das hatte ich soeben nachgeschlagen, bedeutet изменить nicht nur verändern, sondern auch zerbrechen, betrügen, verletzen und ähnliches. Seine Welt kann also durch nichts zerstört werden.
Auch nicht die meine. In all dem Trubel, spaßig oder ernst, der gerade eine bestimmte Szene durchfährt, bin ich gelassen. Es ist mir egal, was aus dieser Welt wird, weil nichts sie zerstören kann. Nichts kann mich zerstören.
Mein Russischer Sommer -- So wollte ich eigentlich diesen Text überschreiben. Nach acht Wochen intensivem Lernen tauchen aus kyrillischen Texten Wörter auf, die ich wiedererkenne und auch verstehe. Da las ich einen kurzen Abschnitt einer russischen Journalistin, die eine friedliche Alltagsszene im Kriegsgebiet beschreibt -- Menschen sitzen in Straßencafés und genießen die Sonne, die Autorin selbst hatte eine Fotoausstellung besucht, es war eine gewisse Sorglosigkeit zu spüren, хорошо.
Heute habe ich all meine Vokabelkarten auf dem Boden ausgelegt, weitere Karten angelegt und angefangen, die Rückseiten mit einprägsamen Sätzen zu füllen, die die jeweiligen Wörter enthalten. Sätze, die ich sagen würde, ich gehe auf den Markt und kaufe Gemüse oder ich mache das, weil ich es kann. Machen, können, weil. Es sind winzige Kostbarkeiten, wertvolle bunte Murmeln im Säckchen, kleine Aneignungen, auch die Schrift. Der Bestenfreundin habe ich dies geschenkt: Она решила продать дом. Sie hat sich entschlossen, das Haus zu verkaufen. Tatsächlich. Это так круто, hätte ich am liebsten gerufen, wenn ich das vorgestern schon gekonnt hätte.
Auch nicht die meine. In all dem Trubel, spaßig oder ernst, der gerade eine bestimmte Szene durchfährt, bin ich gelassen. Es ist mir egal, was aus dieser Welt wird, weil nichts sie zerstören kann. Nichts kann mich zerstören.
Mein Russischer Sommer -- So wollte ich eigentlich diesen Text überschreiben. Nach acht Wochen intensivem Lernen tauchen aus kyrillischen Texten Wörter auf, die ich wiedererkenne und auch verstehe. Da las ich einen kurzen Abschnitt einer russischen Journalistin, die eine friedliche Alltagsszene im Kriegsgebiet beschreibt -- Menschen sitzen in Straßencafés und genießen die Sonne, die Autorin selbst hatte eine Fotoausstellung besucht, es war eine gewisse Sorglosigkeit zu spüren, хорошо.
Heute habe ich all meine Vokabelkarten auf dem Boden ausgelegt, weitere Karten angelegt und angefangen, die Rückseiten mit einprägsamen Sätzen zu füllen, die die jeweiligen Wörter enthalten. Sätze, die ich sagen würde, ich gehe auf den Markt und kaufe Gemüse oder ich mache das, weil ich es kann. Machen, können, weil. Es sind winzige Kostbarkeiten, wertvolle bunte Murmeln im Säckchen, kleine Aneignungen, auch die Schrift. Der Bestenfreundin habe ich dies geschenkt: Она решила продать дом. Sie hat sich entschlossen, das Haus zu verkaufen. Tatsächlich. Это так круто, hätte ich am liebsten gerufen, wenn ich das vorgestern schon gekonnt hätte.
akrabke | 31. August 2022, 23:37 | 0 Kommentare
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Topic: Heim sweet Heim
Oben am Badezimmerfenster, wieder mit halbem Hintern, etwas unbequem, noch über dem nördlichen Walnussbaum, der mittlerweile die Balkone der Nachbarn verdeckt. Als ich einzog, war er 20 Jahre kleiner. Was war vor 20 Jahren? Jetzt um diese Zeit bin ich auf in die große Stadt, um ein halbes Jahr zu bleiben, mit der Prinzessin zusammenzusein, mit alten grünen Fähren zu Inseln zu tuckern, auf denen der größte outdoor-Buddha sitzt -- so wie auch ich einfach da sein wollte, um zu sehen, zu schmecken, zu riechen. Heute hätte ich beinahe ein Dosen-Heineken gekauft, weil es mich an jene Stadt erinnert; kein Tsing-Tao, nein, ein Heineken. Und das sieht die KI dann ungefähr so:
Rechts des Bieres sieht man in etwa ein Hochhaus, in dessen Nähe ich die kleine Wohnung hatte. Vielleicht sollte ich alle die Bilder, die ich auf Th.s Rechner zwischengelagert und die er ohne es zu wissen gelöscht hatte, von der KI nachrendern lassen. Ich mit der Prinzessin am Strand, beim gemeinsamen Essen, nachts auf der Flucht vor Geckos, die in meinem Badezimmer wohnten, auf hin-und-her-Booten, auf Dächern von Hochhäusern mit Blick auf die Stadt, oder mit Blick auf sie, wenn ich mich zu ihr drehte. I miss you, dear.
Rechts des Bieres sieht man in etwa ein Hochhaus, in dessen Nähe ich die kleine Wohnung hatte. Vielleicht sollte ich alle die Bilder, die ich auf Th.s Rechner zwischengelagert und die er ohne es zu wissen gelöscht hatte, von der KI nachrendern lassen. Ich mit der Prinzessin am Strand, beim gemeinsamen Essen, nachts auf der Flucht vor Geckos, die in meinem Badezimmer wohnten, auf hin-und-her-Booten, auf Dächern von Hochhäusern mit Blick auf die Stadt, oder mit Blick auf sie, wenn ich mich zu ihr drehte. I miss you, dear.
akrabke | 16. August 2022, 22:47 | 0 Kommentare
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Topic: Arbeitstisch
Sie hat auch mich gepackt, die midjourney-KI. Praktisch auf Zuruf malt sie uns Bilder, die aus dem Unbewussten zu kommen scheinen, zumindest aus dem online-Gedächtnis der user, die das Internet bevölkern. Der Zuruf besteht aus Zeilen von Text, die das zu sehen Gewünschte beschreiben. So lautete eine meiner Zeilen wie folgt: the mind of my mother who suffers from dementia, she sits in her favourite garden and dreams.
Da ist keine Angabe von Farben, Stilen oder besonderen Einzelheiten der Blumenwahl. Die KI schafft es, mich zu überraschen und anzurühren. Wie das Gesicht schwarz verschleiert wird und seine Unschärfe findet, wie die Farbe der Blumen darauf abgestimmt ist, hat eine dringende Schönheit.
Während man auf dem Server weilt, kann man die Aktivitäten und Ergebnisse der anderen beobachten. Es gibt auch einige Blogger, die sich mit den Bildern beschäftigen. Allgemein kann man dort eine Ratlosigkeit bemerken, während sich die user bei midjourney ungehemmt ausbreiten, Gottvolles, Albernes oder Politisches verlangen, sich größenwahnsinnig architektonische Ideen generieren lassen oder ein hübsches Manga-Mädchen. Auch Zeichnungen von Ufos nach Leonardo da Vinci sind beliebt, oder in einem bestimmten Stil Gemaltes, Gezeichnetes oder Fotografiertes.
Im ersten Schritt werden vier kleine Bilder gezeichnet, von denen man sich im nächsten Schritt ein höher aufgelöstes oder eine Variation rechnen lässt. Man kann sich probeweise einloggen und hat 25 Bilder frei. Die sind im Nu verbraten, und ich habe mich auf ein bezahltes Abo eingelassen, das mir ca. 200 Bilder erlaubt. Seit Donnerstag habe ich 150 сделал, also gemacht, auch eines dabei, das meinen im Krieg in Russland verschollenen 19-jährigen Onkel zeigen soll. Er ist bei einer Flussdurchquerung ertrunken. Wo die KI die Idee hernimmt, ein gelbes Bündel Blüten auf seiner Mütze zu drapieren, weiß ich nicht. Sie hat Geheimnisse, das ist deutlich und greift Archetypen auf, die wir durch sie erforschen können. Ein echtes Abenteuer.
Wie sie alles zerreden und zerlegen. In alles reinreden und ihre tausend Begriffe als lebensnotwendig deklarieren. Verkorkste Moralvorstellungen wieder und wieder vortragen. Dabei ist es einfach. Das Göttliche ist einfach. Kein Wunder, wenn man nichts mehr verstehen kann, wir haben uns so sehr entfernt. Die Geschlechter, die Arbeitsbedingungen, das Geldsystem, die Krankheitskeime, die Maschinen und all die Apps. Wer hat bloß angefangen, Programme Apps zu nennen, und wer hat gesagt, dass dies und jenes gut für die Gesundheit sei? Wer hat uns so verwirrt, dass wir uns selbst nicht mehr verstehen?
Auf der 50-Jahr-Feier des alternativen Veranstaltungszentrums fanden sich viele Besucher meines Alters ein. Wir alle waren gleich gealtert. Manche mehr, manche weniger. G. machte ein Foto von mir und dem Bildhauer, Iso 1600 ist sehr halsfaltenfreundlich, stelle ich fest. Es gab so einen Bildungsbus von einer Uni des Umlandes, aus den 50ern oder so, man konnte ein bisschen basteln und drucken, aber wir beide saßen nur drin auf schönen alten Sitzen und tranken zwei Bier. Wir fühlten uns wohl. Es ist wirklich alles ganz einfach. Es spielte eine Band, etwas punkig und schnell, mit einer Sängerin, die sich bestimmt selbst Schlampe nennt, sie trat barfuß auf mit kurzem Jeansrock und einem lappigen T-Shirt von KiK oder so und sang ganz wunderbar unprätenziös leger und stand und lag und saß mal hier und da so rum. Meine Begeisterung war groß auf diese einfache Weise, kam so aus mir, dass ich ihr einfach zuwinken musste.
Vorhin besuchte ich mal wieder fb. Einige Bekannte hatten sich abgemeldet. Dieser ganze pädagogische Drang der (von mir abonnierten) Kunstkanäle geht mir so richtig auf den Geist. Wie man immer alles verbietet, was nicht sein darf -- Meinungen, Tendenzen -- alles kontrolliert und in diverse Bahnen gelenkt und das Selbstdenken unmöglich gemacht. Dialoge werden beschnitten, Wörter durch Dauernutzung diktiert oder durch Missachtung still zensiert. Ich musste tatsächlich nach dem Wort zensieren suchen und finde gleich an dritter Stelle das bpb mit einem Titel Meinungsfreiheit und ihre Grenzen. Das passt zu ihr. Ihr Druckwerk fluter habe ich zwar noch aus gestalterischen Gründen abonniert, es ist aber unlesbar geworden.
Meine beiden großen Sommerreisen zu Familienmitgliedern waren schön. Dudi, der Neffe und sine Fru, und die kleine Großnichte, die bald ein Geschwisterchen bekommt, die zweitgradige Nichte, die Kusine nebst Mann. Ich habe Strand gesehen und Wetter, gewandete Menschen aus fernen Zeiten, ich selbst gewandet mit Selbstgenähtem, mich wieder und wieder auf diese einfache Weise wohlfühlend, da-seiend, lachend, die geliebten Menschen wahrnehmend als sie selbst. Wie ich mit der Kusine auf dem Balibett liegend, dieselbe fast mit Dudi verwechselt habe, eine kleine Ähnlichkeit bei Augen, Mund und Sprache. Und all die Mittelalter-Люди, die sich schön gemacht hatten und ich nicht davon ablassen konnte zu postulieren, dass sich alle Leute fortan nur noch so kleiden mögen.
Und dann werde ich mit meinem gehäkelten Objekt A Pocketful Of Hope bei einer Ausstellung zu sehen sein. Und ich nehme an einem achtwöchigen Online-Camp zum Russisch-Lernen teil. Und ich werde meinen Geburtstag nicht feiern, sondern alle Freunde einzeln zu einem Getränk bitten. Es sind nicht mehr so viele, die mir einfallen. Es ist einfacher geworden.
Auf der 50-Jahr-Feier des alternativen Veranstaltungszentrums fanden sich viele Besucher meines Alters ein. Wir alle waren gleich gealtert. Manche mehr, manche weniger. G. machte ein Foto von mir und dem Bildhauer, Iso 1600 ist sehr halsfaltenfreundlich, stelle ich fest. Es gab so einen Bildungsbus von einer Uni des Umlandes, aus den 50ern oder so, man konnte ein bisschen basteln und drucken, aber wir beide saßen nur drin auf schönen alten Sitzen und tranken zwei Bier. Wir fühlten uns wohl. Es ist wirklich alles ganz einfach. Es spielte eine Band, etwas punkig und schnell, mit einer Sängerin, die sich bestimmt selbst Schlampe nennt, sie trat barfuß auf mit kurzem Jeansrock und einem lappigen T-Shirt von KiK oder so und sang ganz wunderbar unprätenziös leger und stand und lag und saß mal hier und da so rum. Meine Begeisterung war groß auf diese einfache Weise, kam so aus mir, dass ich ihr einfach zuwinken musste.
Vorhin besuchte ich mal wieder fb. Einige Bekannte hatten sich abgemeldet. Dieser ganze pädagogische Drang der (von mir abonnierten) Kunstkanäle geht mir so richtig auf den Geist. Wie man immer alles verbietet, was nicht sein darf -- Meinungen, Tendenzen -- alles kontrolliert und in diverse Bahnen gelenkt und das Selbstdenken unmöglich gemacht. Dialoge werden beschnitten, Wörter durch Dauernutzung diktiert oder durch Missachtung still zensiert. Ich musste tatsächlich nach dem Wort zensieren suchen und finde gleich an dritter Stelle das bpb mit einem Titel Meinungsfreiheit und ihre Grenzen. Das passt zu ihr. Ihr Druckwerk fluter habe ich zwar noch aus gestalterischen Gründen abonniert, es ist aber unlesbar geworden.
Meine beiden großen Sommerreisen zu Familienmitgliedern waren schön. Dudi, der Neffe und sine Fru, und die kleine Großnichte, die bald ein Geschwisterchen bekommt, die zweitgradige Nichte, die Kusine nebst Mann. Ich habe Strand gesehen und Wetter, gewandete Menschen aus fernen Zeiten, ich selbst gewandet mit Selbstgenähtem, mich wieder und wieder auf diese einfache Weise wohlfühlend, da-seiend, lachend, die geliebten Menschen wahrnehmend als sie selbst. Wie ich mit der Kusine auf dem Balibett liegend, dieselbe fast mit Dudi verwechselt habe, eine kleine Ähnlichkeit bei Augen, Mund und Sprache. Und all die Mittelalter-Люди, die sich schön gemacht hatten und ich nicht davon ablassen konnte zu postulieren, dass sich alle Leute fortan nur noch so kleiden mögen.
Und dann werde ich mit meinem gehäkelten Objekt A Pocketful Of Hope bei einer Ausstellung zu sehen sein. Und ich nehme an einem achtwöchigen Online-Camp zum Russisch-Lernen teil. Und ich werde meinen Geburtstag nicht feiern, sondern alle Freunde einzeln zu einem Getränk bitten. Es sind nicht mehr so viele, die mir einfallen. Es ist einfacher geworden.
Topic: Auf Reisen
Ein seltsames Unterfangen, irgendwie soetwas wie Kontrolle zu erlangen über das, was geschieht. Regler nach oben, links die Essigchips (angeblich original englische Art) und rechts ein kleines Glas Bier -- dabei ist erst Mittag. Diesmal werde ich meine Reise zu Dudi nicht absagen oder verschieben -- dabei ist einiges im Außen/im Argen. Das Verb haben wird im Russischen als bei mir ist umschrieben und das finde ich ganz wunderbar. Weder ich bin dieser Körper, auch nicht ich habe einen Körper, sondern Körper ist bei mir.
Also, in Kriegszeiten zu reisen, kommt mir falsch vor -- dabei ist stets irgendwo Krieg; hat nicht neulich die Türkei irgendwen angegriffen, im Norden, Süden, Osten oder Westen, und niemand hat es kommentiert oder gar bemerkt?
Jetzt oder nie, sagt die Schlagzeugerin, als wir an der Kirmes vorbeifahren und ich mich beklage, dass niemand mit mir Riesenrad fahren mag. Jetzt oder nie machen wir unsere Räder fest, betreten wir das Gelände und schauen wenig später zwischen Stahl-Tangenten und -radien auf unsere Stadt. In der gleichen Gondel sitzt ein Vater und sagt zu seinem Kind so etwas wie город, möglicherweise schau mal, wir können über die ganze Stadt blicken oder die Stadt von oben sehen. Was weiß ich, wie der Russe es umschreibt, wenn er sich hoch oben über der Stadt, город, befindet. Мы смотрим на город.
Сейчас или никогда. Es ist erstaunlich, was man mit einem Mikrowortschatz wie meinem schon alles heraushören oder -lesen kann.
Nun steht also die Reise ins Nachbarland an. Ich hatte mich vor Wochen schon um einen neuen Reisepass bemüht, habe aber erst Ende Juni einen Termin, zudem in einem anderen Stadtteil, weil in meinem Amt wohl nichts mehr geht. Fürs Nachbarland benötigt man natürlich keinen Reisepass, aber statt einer ID-Karte besaß ich stets (lieber) einen Reisepass. Nach meinem letzten Indienbesuch vor zehn Jahren ist dieser nun abgelaufen. Mein bereits erstelltes Foto zeigt eine Frau, also mich, mit einem geschlossenen Hemdkragen, hellerem Haar und einem sehr leisen Lächeln. Sie können ein klein wenig lächeln, sagt die Fotografin, und zeigt mir das erste Bild, auf dem ich erschreckt die Augen aufreiße, während ich sichtlich grimmig auf den Blitz warte.
Dudi und ich hatten uns das letzte Mal Ende Januar 2021 zur Beerdigung unseres Mütterleins gesehen, das ich eigentlich gar nicht mehr Mütterlein nennen möchte. Es klingt so viel Mitleid und Kleinheit mit -- dabei war sie eine erwachsene Frau, die ihr Schicksal angenommen und gelebt hat, so wie wir das alle tun (müssen). Niemand bemitleidet uns dafür. Ich möchte sie als liebevolle Mutter und, vielmehr noch, als lustige, kritische, eigensinnige, freigiebige Ahnin im Herzen wissen, die meinen größten Respekt verdient.
Das erste Mal nun werde ich unserer jüngsten Nachfahrin begegnen. Im Geheimen hatte ich stets darüber spekuliert, ob unsere Mutter in ihren Körper hinüberwechseln würde. Zeitlich (und reinkarnationstheoretisch) gesehen, wäre es nicht ganz unmöglich -- dabei ist die Mutter erst fünf Monate nach der Geburt der Großnichte ins Jenseits hinübergereist. Angeblich aber hat die frisch Inkarnierte ein Jahr Bedenkzeit, ob sie bleiben möchte, und tritt oftmals auch erst nach Monaten vollständig in den neuen Körper ein. Auf mir zugesendeten Bildern und Filmchen erkenne ich die Augenform und -farbe unseres Ur-Ur-Großvaters, mandelförmig, an den Außenseiten spitz nach unten zulaufend, die Iris grau, im Gegensatz zum Grün und Braun unserer Eltern. Und sicherlich sieht man auch die Anteile der holländischen Vorfahren.
Der Neffe und ich haben einen halbgeheimen Pakt über den Erwerb von Bitcoin, der gestern auf einem Tiefpunkt war. JETZT kaufen, weise ich den jungen Mann an, denn ich kann selbst nicht kaufen, weil ich mich selbst nicht registrieren kann, weil blabla mein Pass nicht mehr aktuell ist usw., aber das ehemalige Kind kann es. Dudi weiß darüber nicht alles -- dabei hat sie ihm neulich beim Kauf eines, wie ich finde, sehr hässlichen Krypto-Dings-JPG unterstützt. Angeblich ist es besonders wertvoll, weil es das zehntausendste ist. Achso.
Und so schleudern wir schön mit dem Geld rum, geben es für Benzin, Krypto-Kunst und Bio-Essen aus und sind guter Dinge. Wer weiß, wie's weitergeht, wenn alles egal ist bzw. wird bzw. war.
Also, in Kriegszeiten zu reisen, kommt mir falsch vor -- dabei ist stets irgendwo Krieg; hat nicht neulich die Türkei irgendwen angegriffen, im Norden, Süden, Osten oder Westen, und niemand hat es kommentiert oder gar bemerkt?
Jetzt oder nie, sagt die Schlagzeugerin, als wir an der Kirmes vorbeifahren und ich mich beklage, dass niemand mit mir Riesenrad fahren mag. Jetzt oder nie machen wir unsere Räder fest, betreten wir das Gelände und schauen wenig später zwischen Stahl-Tangenten und -radien auf unsere Stadt. In der gleichen Gondel sitzt ein Vater und sagt zu seinem Kind so etwas wie город, möglicherweise schau mal, wir können über die ganze Stadt blicken oder die Stadt von oben sehen. Was weiß ich, wie der Russe es umschreibt, wenn er sich hoch oben über der Stadt, город, befindet. Мы смотрим на город.
Сейчас или никогда. Es ist erstaunlich, was man mit einem Mikrowortschatz wie meinem schon alles heraushören oder -lesen kann.
Nun steht also die Reise ins Nachbarland an. Ich hatte mich vor Wochen schon um einen neuen Reisepass bemüht, habe aber erst Ende Juni einen Termin, zudem in einem anderen Stadtteil, weil in meinem Amt wohl nichts mehr geht. Fürs Nachbarland benötigt man natürlich keinen Reisepass, aber statt einer ID-Karte besaß ich stets (lieber) einen Reisepass. Nach meinem letzten Indienbesuch vor zehn Jahren ist dieser nun abgelaufen. Mein bereits erstelltes Foto zeigt eine Frau, also mich, mit einem geschlossenen Hemdkragen, hellerem Haar und einem sehr leisen Lächeln. Sie können ein klein wenig lächeln, sagt die Fotografin, und zeigt mir das erste Bild, auf dem ich erschreckt die Augen aufreiße, während ich sichtlich grimmig auf den Blitz warte.
Dudi und ich hatten uns das letzte Mal Ende Januar 2021 zur Beerdigung unseres Mütterleins gesehen, das ich eigentlich gar nicht mehr Mütterlein nennen möchte. Es klingt so viel Mitleid und Kleinheit mit -- dabei war sie eine erwachsene Frau, die ihr Schicksal angenommen und gelebt hat, so wie wir das alle tun (müssen). Niemand bemitleidet uns dafür. Ich möchte sie als liebevolle Mutter und, vielmehr noch, als lustige, kritische, eigensinnige, freigiebige Ahnin im Herzen wissen, die meinen größten Respekt verdient.
Das erste Mal nun werde ich unserer jüngsten Nachfahrin begegnen. Im Geheimen hatte ich stets darüber spekuliert, ob unsere Mutter in ihren Körper hinüberwechseln würde. Zeitlich (und reinkarnationstheoretisch) gesehen, wäre es nicht ganz unmöglich -- dabei ist die Mutter erst fünf Monate nach der Geburt der Großnichte ins Jenseits hinübergereist. Angeblich aber hat die frisch Inkarnierte ein Jahr Bedenkzeit, ob sie bleiben möchte, und tritt oftmals auch erst nach Monaten vollständig in den neuen Körper ein. Auf mir zugesendeten Bildern und Filmchen erkenne ich die Augenform und -farbe unseres Ur-Ur-Großvaters, mandelförmig, an den Außenseiten spitz nach unten zulaufend, die Iris grau, im Gegensatz zum Grün und Braun unserer Eltern. Und sicherlich sieht man auch die Anteile der holländischen Vorfahren.
Der Neffe und ich haben einen halbgeheimen Pakt über den Erwerb von Bitcoin, der gestern auf einem Tiefpunkt war. JETZT kaufen, weise ich den jungen Mann an, denn ich kann selbst nicht kaufen, weil ich mich selbst nicht registrieren kann, weil blabla mein Pass nicht mehr aktuell ist usw., aber das ehemalige Kind kann es. Dudi weiß darüber nicht alles -- dabei hat sie ihm neulich beim Kauf eines, wie ich finde, sehr hässlichen Krypto-Dings-JPG unterstützt. Angeblich ist es besonders wertvoll, weil es das zehntausendste ist. Achso.
Und so schleudern wir schön mit dem Geld rum, geben es für Benzin, Krypto-Kunst und Bio-Essen aus und sind guter Dinge. Wer weiß, wie's weitergeht, wenn alles egal ist bzw. wird bzw. war.
akrabke | 13. Mai 2022, 16:36 | 0 Kommentare
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Topic: Nah
Ich selbst habe mir schon oft vorzustellen versucht, welche Umstände mich dazu zwingen könnten, mich von meinen Überzeugungen loszusagen. Folter zum Beispiel, Schmerzen, die Bedrohung meiner Familie und weit Schlimmeres.
Und ob ich nicht heimlich im Herzen mir treu bleiben könnte.
Hier ist anscheinend eine Situation geschaffen (worden), in der Xavier sich selbst, dazu vor aller Augen, betrügen muss. Oder niemals echt war.
Ich denke an den Roman 1984, in dem der Hauptdarsteller Winston in der Folter seinem Schlimmsten gegenübersteht, dafür seine große Liebe Julia verrät und daran zerbricht.
Auch nochmal meinen Text Marienkind gelesen und den hier.
Und ob ich nicht heimlich im Herzen mir treu bleiben könnte.
Hier ist anscheinend eine Situation geschaffen (worden), in der Xavier sich selbst, dazu vor aller Augen, betrügen muss. Oder niemals echt war.
Ich denke an den Roman 1984, in dem der Hauptdarsteller Winston in der Folter seinem Schlimmsten gegenübersteht, dafür seine große Liebe Julia verrät und daran zerbricht.
Auch nochmal meinen Text Marienkind gelesen und den hier.
akrabke | 20. April 2022, 23:31 | 0 Kommentare
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Topic: Klang
Heute abend kommt die Busenfreundin zur Pasta. Der Tisch ist gedeckt, das Nudelwasser hat schon gekocht, die Tomatensauce sehr lecker, nämlich sämig, stückig, zwiebelig, gemüsig und welche Begriffe des Schmackhaften sonst noch im Umlauf sind. Zwei kleine Flaschen Rotwein stehen bereit, Vodka vorweg, als Schnapsgläser habe ich nur die Kelche für den Aquavit. Macht nichts, bereits jetzt gönne ich mir ein Schlückchen des sicherlich unbezahlbaren Klargetränkes. Von Penny. Auch die Rosen hab ich von dort, die sind wahrscheinlich sowas von un-ökig und klimaschädigend, dass es jedem Versuch spottet, hier noch undsoweiter. (In einem Video war Greta Th. zu sehen, die behaupete, die Klimakrise gäbe es gar nicht. Muss die gerade sagen.)
Ein bisschen freue ich mich auf Ostern. Morgen will die Gärtnerin dem Bildhauer und mir schon mal ihren neuen Freund vorstellen. Zwecks entspannten Ausflugs planen wir, zum nahen Hügel auszufliegen, dort steht ein altes Gut, es gibt Schafe, die ich eine zeitlang wegen ihres kurzen Fells für Ziegen gehalten habe (sie sind aus Afrika, deshalb die wenigen Haare), ein Gelände, das während der Kriegszeiten von den Zwangsarbeitern Paradies genannt wurde, weil die Unglücklichen dort gut behandelt worden sind und einen tiefen, im Sommer entrückt zugewachsenen Hohlweg, der durch Abbau von Erzen entstanden ist.
Abendgeräusche, wieder. Kinder- und Katzengequake, die Amsel. Einer der Nachbarn hatte seit Mittags ununterbrochen eine Schleifmaschine laufen, während ich versuchte, Vokabeln zu lernen. Jetzt ist er endlich still, nun noch die Glocken, ein feierliches Gefühl, die Busenfreundin werde ich zum besinnlichen Schweigen bringen. Wenn sie will.
So ist das schön.
Ein bisschen freue ich mich auf Ostern. Morgen will die Gärtnerin dem Bildhauer und mir schon mal ihren neuen Freund vorstellen. Zwecks entspannten Ausflugs planen wir, zum nahen Hügel auszufliegen, dort steht ein altes Gut, es gibt Schafe, die ich eine zeitlang wegen ihres kurzen Fells für Ziegen gehalten habe (sie sind aus Afrika, deshalb die wenigen Haare), ein Gelände, das während der Kriegszeiten von den Zwangsarbeitern Paradies genannt wurde, weil die Unglücklichen dort gut behandelt worden sind und einen tiefen, im Sommer entrückt zugewachsenen Hohlweg, der durch Abbau von Erzen entstanden ist.
Abendgeräusche, wieder. Kinder- und Katzengequake, die Amsel. Einer der Nachbarn hatte seit Mittags ununterbrochen eine Schleifmaschine laufen, während ich versuchte, Vokabeln zu lernen. Jetzt ist er endlich still, nun noch die Glocken, ein feierliches Gefühl, die Busenfreundin werde ich zum besinnlichen Schweigen bringen. Wenn sie will.
So ist das schön.
akrabke | 14. April 2022, 20:54 | 0 Kommentare
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Topic: gesehen
Am milden Abend sitze ich im Fenster des Badezimmers, kann den Innenhof überblicken und den Abendvögeln lauschen. Es ist nicht richtig bequem, so halb auf der Kante, und wahrscheinlich sieht es von unten ziemlich gefährlich aus. Ich nutze aber für diese Gelegenheit einen leichten Rechtsdrall, und falls ich fallen würde, dann direkt vor die Badewanne auf den Kachelboden. In den Wolken ist eine bloße Stelle, die den Mond frei lässt. Die vielen Fledermäuse, völlig lautlos, kommen sehr nah. Soeben hat die Nachbarin, Mutter des Schulkindes, das Fenster der Küche geöffnet und ich höre sie und ihren Mann miteinander kommunizieren. Sie haben so eine schnelle Art des Sprechens kultiviert und gewöhnlich reden beide gleichzeitig. Vorgestern bekam ich einen kleinen Grafik-Auftrag. Bis ich begriff, welche Art Dienstleitung ich zu erfüllen hätte, verging ungefähr eine halbe Stunde, in der er mir ausführlich erklärte, wie er ein Klavier derart umgebaut hätte, damit es zwar weiterhin analog aussieht, aber elektronisch verstärkt ist. Es möchte Straßenmusik damit machen, das ist in dieser Stadt nur akustisch erlaubt. Das merkt keiner, sagt er.
Seltsamste Vorgaben bestimmen unsere Leben. Eine Trickfilmerin (für Kinderfilme) erklärte mir die Richtlinien klimafreundlichen Arbeitens, um dieses filmförderungswürdig zu gestalten. Dieses Konstrukt beeinhaltet das Nutzen von Elektroautos/-Taxis und teuerem Ökostrom, einem veganen Tag pro Woche für etwaige Angestellte und weitere nachzuweisende und sehr kostenintensive Vorschläge auf 14 Seiten. Meine Frage, ob sie ohne Filmförderungen ertragreicher arbeiten könne, sei unmöglich zu beantworten.
Als ich mit der Gärtnerin auf einen Kaffee draußen war, kamen plötzlich alle vorbei. Die Tattowiererin vom Wäschewaschen, der Bildhauer vom Zahnarzt, die Genesene mit dem Hund und meine alte Bürokollegin, um den ausgefüllten Vordruck für Gas und Strom zur Post zu bringen. Ich empfand eine schöne Lebendigkeit unter den Freunden, während uns stechend die Sonne beschien.
Ich war der festen Überzeugung, ein Buch vorbestellt und per pp bezahlt zu haben, sein Erscheinungsdatum ein paar Tage später. Als ich heute nachsah, war in den Kontoauszügen nichts davon zu sehen -- ich hatte mich schon gefreut. Es ist ein Buch des niederländischen Gestalters und Rad-Weltreisenden Martijn Doolaard. Eine vierteilige YT-Serie zeigt ihn erzählend seinem Buch Two Years On A Bike blätternd und einige der kurzen Filme, die er unterwegs aufgenommen hat. Anscheinend besitzt er eine per GPS steuer- und irgendwie programmierbare, sehr hochfliegende Drohnenkamera, die hinter ihm hergleitet, einmal während er als winziger Punkt die unendliche Salzwüste durchquert. Seine bildnerischen Fähigkeiten sind herausragend, dazu er selbst als in Szene gesetzte Figur -- nie peinlich oder eitel, sondern voller Freude am Teilnehmenlassen. Martijns neuestes Projekt ist der Ausbau einer historischen Hütte irgendwo in den Alpen, filmisch begleitet. Wunderbar meditative Stücke, mit Schönheit, positiver Weltsicht und Geduld. Empfehlung!
Seltsamste Vorgaben bestimmen unsere Leben. Eine Trickfilmerin (für Kinderfilme) erklärte mir die Richtlinien klimafreundlichen Arbeitens, um dieses filmförderungswürdig zu gestalten. Dieses Konstrukt beeinhaltet das Nutzen von Elektroautos/-Taxis und teuerem Ökostrom, einem veganen Tag pro Woche für etwaige Angestellte und weitere nachzuweisende und sehr kostenintensive Vorschläge auf 14 Seiten. Meine Frage, ob sie ohne Filmförderungen ertragreicher arbeiten könne, sei unmöglich zu beantworten.
Als ich mit der Gärtnerin auf einen Kaffee draußen war, kamen plötzlich alle vorbei. Die Tattowiererin vom Wäschewaschen, der Bildhauer vom Zahnarzt, die Genesene mit dem Hund und meine alte Bürokollegin, um den ausgefüllten Vordruck für Gas und Strom zur Post zu bringen. Ich empfand eine schöne Lebendigkeit unter den Freunden, während uns stechend die Sonne beschien.
Ich war der festen Überzeugung, ein Buch vorbestellt und per pp bezahlt zu haben, sein Erscheinungsdatum ein paar Tage später. Als ich heute nachsah, war in den Kontoauszügen nichts davon zu sehen -- ich hatte mich schon gefreut. Es ist ein Buch des niederländischen Gestalters und Rad-Weltreisenden Martijn Doolaard. Eine vierteilige YT-Serie zeigt ihn erzählend seinem Buch Two Years On A Bike blätternd und einige der kurzen Filme, die er unterwegs aufgenommen hat. Anscheinend besitzt er eine per GPS steuer- und irgendwie programmierbare, sehr hochfliegende Drohnenkamera, die hinter ihm hergleitet, einmal während er als winziger Punkt die unendliche Salzwüste durchquert. Seine bildnerischen Fähigkeiten sind herausragend, dazu er selbst als in Szene gesetzte Figur -- nie peinlich oder eitel, sondern voller Freude am Teilnehmenlassen. Martijns neuestes Projekt ist der Ausbau einer historischen Hütte irgendwo in den Alpen, filmisch begleitet. Wunderbar meditative Stücke, mit Schönheit, positiver Weltsicht und Geduld. Empfehlung!
akrabke | 13. April 2022, 23:53 | 0 Kommentare
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Topic: Auf Reisen
Kürzlich hatte ich die Heimatstadt besucht. Die Gärtnerin, die auch von dort stammt, nahm mich mit dem Auto mit, Fahrrad hinten rein, Wetter schön. Das Lehrerehepaar wiederzusehen, war eine echte Freude. Allerdings ist die Gesundheit der beiden nicht sehr stabil, aber auch sie mochten dem Impfdiktat nicht Folge leisten. So redeten wir über aktuelles Geschehen im außen und spirituelle Entwicklung im innern, also über alles, gespickt mit Sorge, durchwachsen mit Spott. Dazu Gelächter, aber auch Ungläubigkeit an menschliche Doofheit. Auf Wunder hoffen tun sie jedoch nicht. Mittlerweile halte ich jede Verschwörungstheorie für möglich, sagt der Mann, den ich für einen der klarsten Denker halte, die ich kenne. Derweil die Frau in der rufnahen Küche herumklapperte und mit Kommentaren ebenfalls nicht sparte. Zum Mittag gab es sogar ein Glas Weißwein zum Lachs.
Bevor ich der Einladung der Elternhauskäuferin folgte, machte ich mich auf den Weg zum Friedhof. Es ist eine seltsam rottige Strecke, ein Stück hinaus aus der Stadt, über das ausladende Straßenkreuz, dessen Ampeln schon vor einem halben Jahr nicht funktionierten, dazu einige Abfahrten gesperrt, weil das Pflaster eingesunken war. Schon am Eingang des Friedhofes mit seinem großzügigen Hauptweg Richtung Kapelle lärmen mir Hunderte von Krähen entgegen. Die schaurige Klangkulisse beherrscht das gesamte Gelände und löst Unruhe in mir aus. Man möchte hier nicht weilen. Am Grab fege ich kleine Äste und etwas Laub beiseite, zupfe ein Sträußchen Scilla und lege es auf dem Stein zurecht. Hier ist niemand mehr. Nicht mal ein Gebet möchte ich sprechen, die beiden, denen es gelten sollte, haben sich verflüchtigt, hier ist Leere (von ihnen). Ich spüre, dass ich nicht mehr wiederkomme.
Im Elternhaus hat sich einiges getan. Die Käuferin begrüßt mich freundlich und zeigt mir in vollem Vertrauen das ganze Haus. Es sind Wände verschoben oder herausgenommen worden, derart, dass ich mich kaum mehr an den vorigen Zustand erinnern kann. Das Bad oben ist auf der anderen Seite, das große Wohnzimmer halbiert, jede Menge Dachschrägenfenster, dafür unten Wohn- und Kinderzimmer zusammengelegt, mittendrin ein schöner Holzofen. Gefährlich finde ich das Entfernen der mittleren Stützwand, da sehe ich schon Farbe abblättern vom Stützbalken, ui, aber den Raum, der dadurch entstanden ist, hatte ich mir immer so gewünscht. An meinem Gefallen ist der Käuferin anscheinend sehr gelegen, es ist ja aber nun ihr Haus. Schön finde ich die Thangkas, die an jeder Wand hängen und die Buddhastatuen, und sie erzählt ein bisschen von ihren Treckingreisen nach Nepal und Indien. Immerhin sei sie bis zum Basislager des Mount Everest gestiegen. Sie vermisse das Reisen, sie hoffe darauf, bald wieder loszukommen. Mein Beitrag zu dem sehr persönlichen Gespräch sind Kindheitserinnerungen rund ums Haus, ja, dieser und jener Nachbar, die Spielfreundinnen im Haus an der Ecke, ihr Mann wohnt nun dort, beide hatten sich getrennt, sind aber wieder zusammengekommen, vieles ist einfacher, wenn man nicht in einem Haus lebt.
Vergangenes hat einen Abschluss gefunden, das Haus, die Eltern, die Freundinnen, das Rollschuhfahren, das Versteckspielen unter der Hängebirke, die immer noch dort ist und auch ihr Lieblingsbaum geworden.
Bevor ich der Einladung der Elternhauskäuferin folgte, machte ich mich auf den Weg zum Friedhof. Es ist eine seltsam rottige Strecke, ein Stück hinaus aus der Stadt, über das ausladende Straßenkreuz, dessen Ampeln schon vor einem halben Jahr nicht funktionierten, dazu einige Abfahrten gesperrt, weil das Pflaster eingesunken war. Schon am Eingang des Friedhofes mit seinem großzügigen Hauptweg Richtung Kapelle lärmen mir Hunderte von Krähen entgegen. Die schaurige Klangkulisse beherrscht das gesamte Gelände und löst Unruhe in mir aus. Man möchte hier nicht weilen. Am Grab fege ich kleine Äste und etwas Laub beiseite, zupfe ein Sträußchen Scilla und lege es auf dem Stein zurecht. Hier ist niemand mehr. Nicht mal ein Gebet möchte ich sprechen, die beiden, denen es gelten sollte, haben sich verflüchtigt, hier ist Leere (von ihnen). Ich spüre, dass ich nicht mehr wiederkomme.
Im Elternhaus hat sich einiges getan. Die Käuferin begrüßt mich freundlich und zeigt mir in vollem Vertrauen das ganze Haus. Es sind Wände verschoben oder herausgenommen worden, derart, dass ich mich kaum mehr an den vorigen Zustand erinnern kann. Das Bad oben ist auf der anderen Seite, das große Wohnzimmer halbiert, jede Menge Dachschrägenfenster, dafür unten Wohn- und Kinderzimmer zusammengelegt, mittendrin ein schöner Holzofen. Gefährlich finde ich das Entfernen der mittleren Stützwand, da sehe ich schon Farbe abblättern vom Stützbalken, ui, aber den Raum, der dadurch entstanden ist, hatte ich mir immer so gewünscht. An meinem Gefallen ist der Käuferin anscheinend sehr gelegen, es ist ja aber nun ihr Haus. Schön finde ich die Thangkas, die an jeder Wand hängen und die Buddhastatuen, und sie erzählt ein bisschen von ihren Treckingreisen nach Nepal und Indien. Immerhin sei sie bis zum Basislager des Mount Everest gestiegen. Sie vermisse das Reisen, sie hoffe darauf, bald wieder loszukommen. Mein Beitrag zu dem sehr persönlichen Gespräch sind Kindheitserinnerungen rund ums Haus, ja, dieser und jener Nachbar, die Spielfreundinnen im Haus an der Ecke, ihr Mann wohnt nun dort, beide hatten sich getrennt, sind aber wieder zusammengekommen, vieles ist einfacher, wenn man nicht in einem Haus lebt.
Vergangenes hat einen Abschluss gefunden, das Haus, die Eltern, die Freundinnen, das Rollschuhfahren, das Versteckspielen unter der Hängebirke, die immer noch dort ist und auch ihr Lieblingsbaum geworden.
akrabke | 09. April 2022, 09:57 | 0 Kommentare
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