Topic: Arbeitstisch
Ein Traum: In der Bibliothek fanden wir uns ein, Studenten, die Menschenlebensläufe erforschten. Das lichte, sehr neue Gebäude bestand aus Holzstreben, deren Fächer verglast waren, wohindurch die Sonne schien auf Holzelemente im Inneren wie Regale, Tische und Stühle. Die höheren Regale konnten mit Treppen, die zu Balustraden führten, erreicht werden. Es gab abgeschiedene Sofaecken auf und unter niedrigen Ebenen, halb versteckt zum ungestörten Arbeiten. Glänzende Drahtseile schienen die Struktur zusammenzuhalten wie ein Fluggerät aus den frühen Tagen der Fliegerei.
Mein Vater war da. Er hatte Papiere auf einem flachen Tisch ausgebreitet und beugte sich über sie. Er war in seinen Vierzigern, Kopf- und Barthaar länger und schon etwas grau, die Kleidung leger wie zum Naturerleben. Ich beobachtete ihn eine Weile, wir kannten uns nicht, jedenfalls nicht als Tochter und Vater, möglicherweise war er einer der Professoren. Ich selbst war mit einer kleinen Gruppe anwesend, wir wollten das Leben einer bestimmten Frau studieren. Viel Material hatten wir noch nicht zusammen und suchten nun in den Dokumenten dieser besonderen Sammlung. Bei uns allen war eine Aufregung zu spüren, die von der lichtgetragenen Stimmung des hohen Raumes noch verstärkt wurde.
Die Studien sahen ein größtmögliches Eintauchen in das Leben der jeweiligen Persönlichkeit vor, die sich die Studenten ausgesucht hatten, eine Verschmelzung geradezu. Die Kriterien der vorausgegangenen Suche waren – natürlich – das leidenschaftliches Interesse an diesem bestimmten Leben, besonders die Psychologie mit ihren lichten und unlichten Seiten, die Seelenstruktur, ihre Eigenarten und die gewählte Inszenierung auf der selbstgeschaffenen Bühne nebst Einsatz der Gefährten.
Unser Individuum war schwer zu fassen, es gab nur wenig veröffentlichtes Material. Wir suchten es hier zu erweitern. Ich ließ meinen Blick wandern – in den Regalen lagen nicht nur Bücher, sondern auch gerollte Papiere, Ordner, Pappschachteln und Metalldosen, Altes, Neues, an manchen hingen mit Borten oder einfachen Schnüren befestigte Etiketten. Auf die Szene fiel das vom Holz warm reflektierte Licht und das Grün der Bäume draußen mit einem dunkelblauen Himmel. Die Sorgfalt und Schönheit dieses Anblicks nahm mir den Atem.
Wir sichteten, wir versanken in unserem Tun, im Stöbern, Lesen, Betrachten, in der Aneignung. Eine halbdurchsichtige Plastikbox fiel mir auf, undeutlich nur war der Inhalt zu erkennen, durch einen Aufkleber halb verdeckt. In meinem Herzen regte sich eine Möglichkeit – ein Empfinden erst, aber dann mit Macht die Erkenntnis: hier würde ich fündig werden. Hier würden sich alle Optionen des gesuchten Lebens mir erschließen! Die Begeisterung, welche meinen Geist erfasste, war süß und voller Leben. Ich hatte eine Entdeckung gemacht. Sie war die meine.
Dann erwachte ich.
Mein Vater war da. Er hatte Papiere auf einem flachen Tisch ausgebreitet und beugte sich über sie. Er war in seinen Vierzigern, Kopf- und Barthaar länger und schon etwas grau, die Kleidung leger wie zum Naturerleben. Ich beobachtete ihn eine Weile, wir kannten uns nicht, jedenfalls nicht als Tochter und Vater, möglicherweise war er einer der Professoren. Ich selbst war mit einer kleinen Gruppe anwesend, wir wollten das Leben einer bestimmten Frau studieren. Viel Material hatten wir noch nicht zusammen und suchten nun in den Dokumenten dieser besonderen Sammlung. Bei uns allen war eine Aufregung zu spüren, die von der lichtgetragenen Stimmung des hohen Raumes noch verstärkt wurde.
Die Studien sahen ein größtmögliches Eintauchen in das Leben der jeweiligen Persönlichkeit vor, die sich die Studenten ausgesucht hatten, eine Verschmelzung geradezu. Die Kriterien der vorausgegangenen Suche waren – natürlich – das leidenschaftliches Interesse an diesem bestimmten Leben, besonders die Psychologie mit ihren lichten und unlichten Seiten, die Seelenstruktur, ihre Eigenarten und die gewählte Inszenierung auf der selbstgeschaffenen Bühne nebst Einsatz der Gefährten.
Unser Individuum war schwer zu fassen, es gab nur wenig veröffentlichtes Material. Wir suchten es hier zu erweitern. Ich ließ meinen Blick wandern – in den Regalen lagen nicht nur Bücher, sondern auch gerollte Papiere, Ordner, Pappschachteln und Metalldosen, Altes, Neues, an manchen hingen mit Borten oder einfachen Schnüren befestigte Etiketten. Auf die Szene fiel das vom Holz warm reflektierte Licht und das Grün der Bäume draußen mit einem dunkelblauen Himmel. Die Sorgfalt und Schönheit dieses Anblicks nahm mir den Atem.
Wir sichteten, wir versanken in unserem Tun, im Stöbern, Lesen, Betrachten, in der Aneignung. Eine halbdurchsichtige Plastikbox fiel mir auf, undeutlich nur war der Inhalt zu erkennen, durch einen Aufkleber halb verdeckt. In meinem Herzen regte sich eine Möglichkeit – ein Empfinden erst, aber dann mit Macht die Erkenntnis: hier würde ich fündig werden. Hier würden sich alle Optionen des gesuchten Lebens mir erschließen! Die Begeisterung, welche meinen Geist erfasste, war süß und voller Leben. Ich hatte eine Entdeckung gemacht. Sie war die meine.
Dann erwachte ich.
akrabke | 24. Mai 2025, 22:46 | 0 Kommentare
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Topic: Nah
Im Friedwald ist es frisch, der Wind weht und ich bin froh, dass der Bildhauer die Wolldecke dabei hat, die ich mir umlege und auch er kuschelt sich mit drunter, während wir auf den Holzbänken Platz nehmen, unsere Blicke auf den Redner heften, manchmal aber sehe ich mich um, alle frierend, die Kinder in den großen Jacken der Erwachsenen versteckt. Die Rede würdigt L.s gesamtes Leben. Ich sinke etwas in mich hinein, weil ich (mit einer Sonderform von Scham) begreife, wie wenig ich über ihn weiß. Fast nichts. Seine Sehnsucht nach einer besseren Welt hat uns zusammengebracht, uns Schulgründer. Seine Talente und Leidenschaften, sein Streben, sein Tiefblick, seine Abkehr vom normalen Herumgelebe. Die Sinnsuche. Alles ähnelt der meinen und ist doch anders, irgendwie eher auf der schweren, dunkleren Seite geblieben, wo ich mich doch auf dem Pfad der Erhobenen Herzen meine. Der Redner zitiert die Frauen mochten L. und er mochte die Frauen. Eine leise, sonderliche Eifersucht gerinnt in mir. Ich habe L. nicht als Mann gesehen, den ich zu erobern suchte. Unsere Begrüßungs- und Abschiedsumarmungen waren sorgfältig, fest und mittellang, und eher empfinde ich uns als Geschwister des Geistes, die sich spät erst getroffen, aber nicht zu Ende kennengelernt haben und nun ist er fort.
Ich glaubte mich ihm gegenüber als weiser, geklärter, beide aus dem Geschlecht der Besserwisser und Belehrer, auch Schwurbler, und doch meinte ich, ihm Ratschläge geben zu müssen, dann wiederum sah ich ihn als meinen Mentor, das stimmt auch. Politik, Ernährung, Meditation, gesundheitliche Maßnahmen. Wir beide hatten unsere eigenen Köpfe, natürlich.
Nach der Rede und etwas Musik, die uns zum Weinen und Lachen brachte, noch ein Blick auf das bereitgestellte Foto aus jüngeren Jahren und wieder das Gefühl, dieser jüngere L. ist mir fremd, dann den Weg zur letzten Ruhestätte. Ich kenne nur Begräbnisse mit Sarg und einer großen Öffnung im Erdreich, meist mit Plastikrasen umlegt und einer Art Holzsteg. Die kleine Höhle am Fuß des Baumes, dort bei der Lichtung – endlich ist es uns wieder warm, nach dem kurzen Gang dorthin und der Sonne auf den Schultern – übersehe ich fast. Nach ein paar geneigten Worten wird die Urne, die sich in einem halbdurchsichtigen Beutel befindet, an der Schnur herabgelassen. Jeder streut Blumen oder Erde hinein. Der Bildhauer und ich gehen zusammen mit T. und den Kindern und streuen auch. Unsere kleine Gruppe entfernt sich als erste. Die Kinder sind ungeduldig und wir auch.
Später im Garten sind alle wieder da und verzehren mitgebrachte Speisen. Die Stimmung ist sehr schön. An der Hecke sind mit kleinen Wäscheklammern Fotos von L. befestigt. Wieder schaue ich mit vorsichtigem Blick und sehe ein Leben, das mir nun endgültig verschlossen bleibt, L. und D. viel jünger, beide mit langem Haar und hippiesk am Strand mit ebensolchen Fahrzeugen oder im wilden Garten. Schnipsel ihrer beider Leben – L.s Blick in die Kamera und somit zu mir als Betrachter ist offen und intensiv. Ich fühle mich ertappt.
Ich glaubte mich ihm gegenüber als weiser, geklärter, beide aus dem Geschlecht der Besserwisser und Belehrer, auch Schwurbler, und doch meinte ich, ihm Ratschläge geben zu müssen, dann wiederum sah ich ihn als meinen Mentor, das stimmt auch. Politik, Ernährung, Meditation, gesundheitliche Maßnahmen. Wir beide hatten unsere eigenen Köpfe, natürlich.
Nach der Rede und etwas Musik, die uns zum Weinen und Lachen brachte, noch ein Blick auf das bereitgestellte Foto aus jüngeren Jahren und wieder das Gefühl, dieser jüngere L. ist mir fremd, dann den Weg zur letzten Ruhestätte. Ich kenne nur Begräbnisse mit Sarg und einer großen Öffnung im Erdreich, meist mit Plastikrasen umlegt und einer Art Holzsteg. Die kleine Höhle am Fuß des Baumes, dort bei der Lichtung – endlich ist es uns wieder warm, nach dem kurzen Gang dorthin und der Sonne auf den Schultern – übersehe ich fast. Nach ein paar geneigten Worten wird die Urne, die sich in einem halbdurchsichtigen Beutel befindet, an der Schnur herabgelassen. Jeder streut Blumen oder Erde hinein. Der Bildhauer und ich gehen zusammen mit T. und den Kindern und streuen auch. Unsere kleine Gruppe entfernt sich als erste. Die Kinder sind ungeduldig und wir auch.
Später im Garten sind alle wieder da und verzehren mitgebrachte Speisen. Die Stimmung ist sehr schön. An der Hecke sind mit kleinen Wäscheklammern Fotos von L. befestigt. Wieder schaue ich mit vorsichtigem Blick und sehe ein Leben, das mir nun endgültig verschlossen bleibt, L. und D. viel jünger, beide mit langem Haar und hippiesk am Strand mit ebensolchen Fahrzeugen oder im wilden Garten. Schnipsel ihrer beider Leben – L.s Blick in die Kamera und somit zu mir als Betrachter ist offen und intensiv. Ich fühle mich ertappt.
akrabke | 16. Mai 2025, 18:13 | 0 Kommentare
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Topic: Auf Reisen
Anfang Oktober reisten D. und ich Richtung Südost, um den Berg anzusehen. Statt meiner Eindrücke gibt es erstmal ein bisschen Gemaule, weil ich gerade entdecke, dass ich nicht weiß, wie Time-Machine funktioniert. In der Hoffnung, dass die Вфеут вфтт ыфсрщт шкпутвцщ huch, falsche Taste – dass die Daten dann schon irgendwo liegen, wenn ich sie wirklich brauchte, mache ich regelmäßige Backups. Jetzt suche ich ein Bild vom Berg. Die liegen alle in verschienenen Ordnern! Ich hatte darauf verzichtet, eine ordentliche Kamera mitzunehmen, nur das kleine Nokia 3310 (new) mit seinen erstaunlichen zwei Megapixels (um den Berg zurückzurufen). Und solche stimmungsvollen Bilder kommen dabei heraus:


Wir liefen im Regen durchs Wimbachgries, links der Berg Watzmann) und rechts der andere (Hochkalter). Es war wunderschön. Seelisch erhebend, obwohl wir so klein hier unten – der Berg wirkte viel mächtiger als in meiner Kindheitserinnerung, sonst ist es ja umgekehrt.


Wir liefen im Regen durchs Wimbachgries, links der Berg Watzmann) und rechts der andere (Hochkalter). Es war wunderschön. Seelisch erhebend, obwohl wir so klein hier unten – der Berg wirkte viel mächtiger als in meiner Kindheitserinnerung, sonst ist es ja umgekehrt.
akrabke | 28. April 2025, 20:11 | 0 Kommentare
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Topic: Einpunktigkeit
L.s Bücher, die ich mir ausgesucht habe, liegen griffbereit. Sie behandeln teils spirituelle, teils gesellschaftskritische Themen, manche sind aus den 70er Jahren, als der damals noch junge L. begann, sich für seine Umwelt und sein eigenes, damit verknüpftes Leid zu interessieren. Die Neuesten ringen um eine Aufarbeitung der Corona-Zeit. Es bereitet mir Unbehagen, in diesen zu lesen und so widme ich mich ersteinmal jenen über die verschiedenen Indianer-Kulturen und dem schönen Lila – Das kosmische Spiel nebst Spielfeld, das L. eigenhändig laminiert hat, dem Astrologie-Buch mit den wunderbaren Bildern aus Jahrhunderten und der Textesammlung zur Weisheit der Upanishaden.
Zwei Wochen Traurigkeit. Ich denke sehr oft an L. und ob/dass er sein spirituelles Ziel ereicht hat. Dem Jahr seit der Diagnose ist er mit einer Art therapeutischem Eifer im Garten begegnet und alles schien darauf hinzudeuten, dass er gesunden möchte. Wie wir einge Kubikmeter an frischer Erde in den Garten gekarrt hatten, wie er den Ertrag von Gemüse und Pflanzen aller Art (auch Hanf, den er mit dem Bildhauer geteilt hat) genossen hat, wie er noch den Schornstein gemauert hat, bevor Anfang des neuen Jahres das Anlegen neuer Öfen in den Schrebergärten nicht mehr gestattet war.
Ich selbst war in den Frühjahrsmonaten mit aufregenden Dingen beschäftigt, während es L. immer schlechter ging. Zwei Online-Kurse an der Moskauer Kunstschule fesselten meine Aufmerksamkeit und es war so, als würde ich für eine Auftragsarbeit noch was drauflegen. Dabei habe ich mir den Auftrag ja selbst gegeben. Collage und Zeichnen wählte ich aus. Dabei lernte ich viele neue russische Wörter wie bedingter Raum, wobei interessant ist, dass ich für einige Begriffe keine Entsprechungen im Deutschen fand. Sogar der Name des Kurses, der sich in etwa in Urbane Schnörkel übersetzen lässt, bleibt wage. Es gab überraschende Momente, als mein Blickwinkel sich komplett drehte, wenn die Lehrerin begann, Fragen zu Komposition und Farbe zu stellen und mir dann ihr Verständnis meiner Arbeiten vorlegte. Ohne die Aufgabenstellungen und besonderen Anleitungen wäre ich nie zu solchen Zeichnungen gekommen. Alle Teilnehmer hatten völlige Freiheit, sich auszuprobieren und das Sujet zu erforschen. Die vielfältigen Kursangebote, die besonderen Herangehensweisen und deren professionelle künstlerische Betreuung ziehen mich sehr an. Ich kann mich nicht erinnern, solch eine Begeisterung während des meines Studium erlebt zu haben und auch eine Gruppenbesprechung der Resultate fehlen, wenn ich zurückschaue. Vielleicht war ich damals auch nicht reif dafür und habe sie geschwänzt.
Uns beiden, L. und mir, ist gemein, dass wir der aktuellen Situation im Land ausweichen (ich hoffe, das klingt nicht unangemessen). In der Beschäftigung mit der russischen Sprache und der künstlerischen Arbeit habe ich ein reizvolles Konzentrationsobjekt gefunden. Seinerzeit übte ich Mantren in Sanskrit, jetzt russische Vokabeln und zwischendurch betrachtete ich ohn' Unterlass das zermürbende politische Geschehen (ein Trauerspiel). L. hingegen war draußen im Garten und jetzt ist er heraus aus der Welt. Neid ist sicherlich nicht das richtige Wort, aber ich muss gestehen, dass ich seinen Weg als nachahmenswert empfinde. Doch, es hält mich einiges: die geometrische Form, die jetzt gerade das Sonnenlicht durchs Fenster auf die Wand mir gegenüber wirft, die meditative Stimmung, die mich heute erfassen mag, wenn ich durch den Tag treibe, die Zubereitung eines gesunden Mahls (ja, ich sollte mit dem Zucker sparsamer umgehen), die Aussicht, mit dem Bildhauer morgen draußen zu sein und zu zeichnen, zu fotografieren, zu schnitzen. Wir werden sehen.
Zwei Wochen Traurigkeit. Ich denke sehr oft an L. und ob/dass er sein spirituelles Ziel ereicht hat. Dem Jahr seit der Diagnose ist er mit einer Art therapeutischem Eifer im Garten begegnet und alles schien darauf hinzudeuten, dass er gesunden möchte. Wie wir einge Kubikmeter an frischer Erde in den Garten gekarrt hatten, wie er den Ertrag von Gemüse und Pflanzen aller Art (auch Hanf, den er mit dem Bildhauer geteilt hat) genossen hat, wie er noch den Schornstein gemauert hat, bevor Anfang des neuen Jahres das Anlegen neuer Öfen in den Schrebergärten nicht mehr gestattet war.
Ich selbst war in den Frühjahrsmonaten mit aufregenden Dingen beschäftigt, während es L. immer schlechter ging. Zwei Online-Kurse an der Moskauer Kunstschule fesselten meine Aufmerksamkeit und es war so, als würde ich für eine Auftragsarbeit noch was drauflegen. Dabei habe ich mir den Auftrag ja selbst gegeben. Collage und Zeichnen wählte ich aus. Dabei lernte ich viele neue russische Wörter wie bedingter Raum, wobei interessant ist, dass ich für einige Begriffe keine Entsprechungen im Deutschen fand. Sogar der Name des Kurses, der sich in etwa in Urbane Schnörkel übersetzen lässt, bleibt wage. Es gab überraschende Momente, als mein Blickwinkel sich komplett drehte, wenn die Lehrerin begann, Fragen zu Komposition und Farbe zu stellen und mir dann ihr Verständnis meiner Arbeiten vorlegte. Ohne die Aufgabenstellungen und besonderen Anleitungen wäre ich nie zu solchen Zeichnungen gekommen. Alle Teilnehmer hatten völlige Freiheit, sich auszuprobieren und das Sujet zu erforschen. Die vielfältigen Kursangebote, die besonderen Herangehensweisen und deren professionelle künstlerische Betreuung ziehen mich sehr an. Ich kann mich nicht erinnern, solch eine Begeisterung während des meines Studium erlebt zu haben und auch eine Gruppenbesprechung der Resultate fehlen, wenn ich zurückschaue. Vielleicht war ich damals auch nicht reif dafür und habe sie geschwänzt.
Uns beiden, L. und mir, ist gemein, dass wir der aktuellen Situation im Land ausweichen (ich hoffe, das klingt nicht unangemessen). In der Beschäftigung mit der russischen Sprache und der künstlerischen Arbeit habe ich ein reizvolles Konzentrationsobjekt gefunden. Seinerzeit übte ich Mantren in Sanskrit, jetzt russische Vokabeln und zwischendurch betrachtete ich ohn' Unterlass das zermürbende politische Geschehen (ein Trauerspiel). L. hingegen war draußen im Garten und jetzt ist er heraus aus der Welt. Neid ist sicherlich nicht das richtige Wort, aber ich muss gestehen, dass ich seinen Weg als nachahmenswert empfinde. Doch, es hält mich einiges: die geometrische Form, die jetzt gerade das Sonnenlicht durchs Fenster auf die Wand mir gegenüber wirft, die meditative Stimmung, die mich heute erfassen mag, wenn ich durch den Tag treibe, die Zubereitung eines gesunden Mahls (ja, ich sollte mit dem Zucker sparsamer umgehen), die Aussicht, mit dem Bildhauer morgen draußen zu sein und zu zeichnen, zu fotografieren, zu schnitzen. Wir werden sehen.
akrabke | 26. April 2025, 12:29 | 0 Kommentare
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Topic: Auf Reisen
Lieber L., jetzt bist du nicht mehr hier bei uns. Du hast deine Reise angetreten, und während S. und ich mit dem Hund durch die Dämmerung liefen, über Felder im Taunus, über schotterige Wege in den dunkler werdenden Abend liefen und der Mond immer höher stieg und meine Gedanken bei dir waren – ich dachte, dass du diesen wunderbaren Vollmond als Abschiedslicht nehmen könntest, du tatest es auch, aber ich wusste noch nichts davon, erst als ich wieder zurück war und mich D.s Nachricht erreichte – S. und ich liefen mit dem Hund und ich dachte, allein würde ich mich vielleicht verlaufen, aber der Mond war still und hellgelb und S. und ich hatten ausgeredet, den ganzen Tag redeten wir, nicht ohne Missverständnis und ich fühlte mich unwohl, weil ich ihr dieses angeraten, jenem abgeraten, ihr Bemühen, sich zu erklären, nicht bestätigt hatte, weil ich es nicht verstand, noch nicht verstehen konnte, erst jetzt auf diesem Gang, es war mittlerweile dunkel, verstand ich es und ich entschuldigte mich dafür, und bei dir, lieber L., hatte ich das gleiche gemacht und mich selbst nicht verstanden. Ein paar Tage zuvor hatte ich begriffen – dass es nicht um mich geht, und wahrscheinlich ging es dir nicht mal um dich selbst, denn du warst damit beschäftigt, dich von dir zu lösen, von deinem schmerzenden Körper, und vor diesen paar Tagen, auf einmal, plötzlich, verstand ich, dass ich mich um dich nicht sorgen muss, es fiel alles ab und das war schön. Dies war ein egoistisches Gefühl von Leichtigkeit, das mir gegönnt wurde, und ich fühlte mich wieder ein bisschen eigen, aber dann nahm ich es so. Ich nahm Abschied von dir, ich nahm den Abschied an.
Der Bildhauer und ich sitzen im Garten und weinen. Lieber L., du bist der einzige Mann, mit dem mein Bildhauer nicht auf diese launische Art geredet hat, wie all diese Künstlerfreunde, in irgendeiner alten Konkurrenz gefangen und nicht fähig, ganz einfach, ohne Zynismus, ohne Abwehr, sich auszutauschen, sich anzufreunden und wie schön war es, wenn ihr beide in einer Ecke des Gartens verschwandet, über Kräuter und Pflanzen spracht, über Holz und Schnitzen und vielleicht auch ein bisschen über Männersachen, wer weiß, während ich mit deiner lieben Freundin D., die auch meine liebe Freundin geworden war, in einer anderen Ecke in der Sonne saß.
Ich erinnere mich... wir drei kannten uns noch nicht lange, wir wollten doch eine kleine Schule gründen, wir saßen in der Kirche bei einer Ausstellungseröffnung, M. begleitete die Veranstaltung auf dem Klavier, wir hockten in den Bankreihen und du sagtest, guck mal, der da hinten sieht aus wie der Bruder von Rainer Mausfeld. Es stimmte, aber die Idee, dass ich mit euch beiden in dieser Kirche die einzige sei, der Rainer Mausfeld ein Begriff war, war derart komisch, dass ich fünf Minuten Tränen gelacht habe – wer in dieser Quatsch-Stadt kennt schon den Herrn Mausfeld. Solcherart waren deine Witze und du hast mich oft zum Lachen gebracht. Auch du warst gern bereit, über meine kleinen Sachen zu lachen, selbst an diesem Abend, als es dir so schlecht ging, als du um deine Schmerzen geweint hast, selbst da hast du irgendeinem unwichtigen Detail meiner unwichtigen Erzählung gelauscht und gelacht.
Alles, was ich übers Leben und Sterben gelernt habe, von anderen oder selbst erfahren, steht mir nun zur Verfügung. Ich weiß, dass mein Mitempfinden deiner unendlichen Reise eine gewisse Genauigkeit besitzt. Ich weiß in etwa, wie es ist, Raum und Zeit zu verlassen und frei zu sein. Wie alles wird auch deine jetzige Erfahrung gefärbt sein von deinem Leben und deinen Erwartungen oder Befürchtungen an das Danach, vielleicht kannst du dich aber auch schnell lösen. Das weiß ich nun nicht.
Der Bildhauer und ich im Garten. Wir sagen fast gleichzeitig, und wir, machen wir weiter? Lieber L., es ist verlockend, dir jetzt zu folgen. Aber nein, wir bleiben, es gibt noch zu tun. Dieses kleine Land auf diesem verrückten Planeten; ich dachte, du würdest noch bleiben, um die Veränderungen mitzuerleben, auf die wir gehofft haben, noch immer hoffen. Ich hatte insgeheim auf ein Wunder gehofft. Deine Genesung, eine Erscheinung. Ich hätte an deinem Wunder teilgenommen, an deinem Glanz. Ich wäre mit dir gefestigt.
In der Nacht deines Abschieds träumte ich – ich sitze in der Straßenbahn und mache Dönekens mit einem Jungen, wir quatschen und lachen, die Bahn hält an deiner Haltestelle, der Junge springt heraus und ich sehe es kommen – er läuft direkt auf die Straße (hätte ich dich halten können, deine Schulter, dein Hemd greifen), aber ein Lastwagen ergreift ihn, fährt direkt in ihn hinein, mit diesem Geräusch, sehr laut, ich wende mich ab, ich will nichts sehen, die Leute starren aus den Fenstern, reglos, ich kniee auf dem Weg und weine. Dann drehe ich mich vorsichtig, um zu überprüfen, ob es wahr ist, ob ich wache oder träume. Vor dem LKW liegt allein – der LKW berührt sie mit den Vorderreifen – frische, dunkle Erde.
Der Bildhauer und ich sitzen im Garten und weinen. Lieber L., du bist der einzige Mann, mit dem mein Bildhauer nicht auf diese launische Art geredet hat, wie all diese Künstlerfreunde, in irgendeiner alten Konkurrenz gefangen und nicht fähig, ganz einfach, ohne Zynismus, ohne Abwehr, sich auszutauschen, sich anzufreunden und wie schön war es, wenn ihr beide in einer Ecke des Gartens verschwandet, über Kräuter und Pflanzen spracht, über Holz und Schnitzen und vielleicht auch ein bisschen über Männersachen, wer weiß, während ich mit deiner lieben Freundin D., die auch meine liebe Freundin geworden war, in einer anderen Ecke in der Sonne saß.
Ich erinnere mich... wir drei kannten uns noch nicht lange, wir wollten doch eine kleine Schule gründen, wir saßen in der Kirche bei einer Ausstellungseröffnung, M. begleitete die Veranstaltung auf dem Klavier, wir hockten in den Bankreihen und du sagtest, guck mal, der da hinten sieht aus wie der Bruder von Rainer Mausfeld. Es stimmte, aber die Idee, dass ich mit euch beiden in dieser Kirche die einzige sei, der Rainer Mausfeld ein Begriff war, war derart komisch, dass ich fünf Minuten Tränen gelacht habe – wer in dieser Quatsch-Stadt kennt schon den Herrn Mausfeld. Solcherart waren deine Witze und du hast mich oft zum Lachen gebracht. Auch du warst gern bereit, über meine kleinen Sachen zu lachen, selbst an diesem Abend, als es dir so schlecht ging, als du um deine Schmerzen geweint hast, selbst da hast du irgendeinem unwichtigen Detail meiner unwichtigen Erzählung gelauscht und gelacht.
Alles, was ich übers Leben und Sterben gelernt habe, von anderen oder selbst erfahren, steht mir nun zur Verfügung. Ich weiß, dass mein Mitempfinden deiner unendlichen Reise eine gewisse Genauigkeit besitzt. Ich weiß in etwa, wie es ist, Raum und Zeit zu verlassen und frei zu sein. Wie alles wird auch deine jetzige Erfahrung gefärbt sein von deinem Leben und deinen Erwartungen oder Befürchtungen an das Danach, vielleicht kannst du dich aber auch schnell lösen. Das weiß ich nun nicht.
Der Bildhauer und ich im Garten. Wir sagen fast gleichzeitig, und wir, machen wir weiter? Lieber L., es ist verlockend, dir jetzt zu folgen. Aber nein, wir bleiben, es gibt noch zu tun. Dieses kleine Land auf diesem verrückten Planeten; ich dachte, du würdest noch bleiben, um die Veränderungen mitzuerleben, auf die wir gehofft haben, noch immer hoffen. Ich hatte insgeheim auf ein Wunder gehofft. Deine Genesung, eine Erscheinung. Ich hätte an deinem Wunder teilgenommen, an deinem Glanz. Ich wäre mit dir gefestigt.
In der Nacht deines Abschieds träumte ich – ich sitze in der Straßenbahn und mache Dönekens mit einem Jungen, wir quatschen und lachen, die Bahn hält an deiner Haltestelle, der Junge springt heraus und ich sehe es kommen – er läuft direkt auf die Straße (hätte ich dich halten können, deine Schulter, dein Hemd greifen), aber ein Lastwagen ergreift ihn, fährt direkt in ihn hinein, mit diesem Geräusch, sehr laut, ich wende mich ab, ich will nichts sehen, die Leute starren aus den Fenstern, reglos, ich kniee auf dem Weg und weine. Dann drehe ich mich vorsichtig, um zu überprüfen, ob es wahr ist, ob ich wache oder träume. Vor dem LKW liegt allein – der LKW berührt sie mit den Vorderreifen – frische, dunkle Erde.
akrabke | 14. April 2025, 18:05 | 0 Kommentare
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behauptet die Nachbarin, "... alles, was man ein Jahr lang nicht benutzt hat, kann weg." Ich räume gerade in großem Stil auf, und anscheinend rede ich oft darüber, denn ich bekomme viele unterschiedliche Antworten auf gar nicht gestellte Fragen. (Daran bleibe ich gerade hängen, an den Antworten auf nicht gestellte Fragen. Wie heißen die? Ansichten? Aussagen? Be- und Anmerkungen?) Einige entschuldigen sich, dass sie nicht zum Ausmisten kommen würden, obwohl sie wollten, denn zum Beispiel die Tassensammlung sämtlicher Urlaube der 80er und 90er Jahre läge ihnen sehr am Herzen. Oder sie machen Witze über einen chaotischen Geist in einem unordentlichen Körper. Naja.
Ich sinne über künstlerische Ausdrucksformen, die keinenMottenbeAbfall verursachen oder einen möglichst geringen. Es bietet sich Zeichnen an. Dazu eine Schachtel Buntstifte, nicht zu viele, denn sie lassen sich kaum transportieren – zwölf in einer flachen Schachtel sollten reichen. Vielleicht muss man aber auch gar nicht raus zum Zeichnen. Der Blick vom Sofa durchs Fenster auf den Baumbestand im Hof im Wechsel der Jahreszeiten bietet genügend Abwechslung. Vors Fenster könnte ab und zu ein Stuhl, ein Tisch oder ein Sessel gerückt werden, auf der Fensterbank Glas und Karaffe, von Zeit zu Zeit kommt das Eichhörnchen vorbei und gräbt in den Blumenkästen nach einer Nuss. Rot- und Grüntöne herrschen vor (und ergeben Braun), ach nee, da ist ja der Himmel und die durch Lichtstimmung veränderlichen grauweißen Schattierungen der Innenwand.
Die Kuratorin/Malerin lebt in einer Riesenwohnung mit mehreren Zimmern, welche mit aneinandergelehnten großformatigen Leinwänden vollstehen. Eine DinA4-Mappe mit 70-Gramm-Papierbögen hat viel geringere Ausmaße und wäre nach einem Jahr mit einer Zeichnung pro Tag zwar gut gefüllt, könnte aber in einen Schrank gelegt werden, nachdem man etwas alte Wäsche in die Altkleidersammlung getragen hat. So müsste das gehen. Die Buntstiftschachteln werden mit losen Buntstiften neu befüllt, die Anspitz- und Radiergummireste kommen in den normalen Hausmüll.
Bei insta bin ich auf eine russische Kunstschule (простая школа – einfach Schule) aufmerksam geworden. Sie bewirbt Online- und Kurse vor Ort und veröffentlicht dazu Gespräche mit Lehrern, die ihre Arbeitsweise oder die Art des Kurses beschreiben – Malerei, Zeichnung, Collagen, Straßenskizzen. Jetzt, Anfang August, wird eine Residenzzeit geboten – dazu verbringt die Studentengruppe eine ganze Woche gemeinsam und arbeitet an der jeweiligen Aufgabe. Die Lehrer stehen zu Anleitungen und Auseinandersetzungen zur Verfügung, es wird zusammen gesund gekocht und gegessen, Yoga gemacht und überhaupt soll eine achtsame, zen-artige Stimmung entstehen und die künstlerische Selbstfindung gedeihen. Die Lehrergespräche sind auf YT zu finden und anhand der zuschaltbaren Übersetzungen lassen sie sich gut verfolgen und bieten mir Russischschülerin eine Möglichkeit, die Sprache zu vertiefen und mir ein passendes Vokabular anzueignen.
Wie gern wäre ich dort. Da ich aber aller Voraussicht erst nach drei Jahren sprechen werde (dann aber in ganzen Sätzen), ist es jetzt im zweiten Jahr für mich noch zu früh. Ich höre mir einen einminütigen Auszug eines Gespräches mit einer älteren Künstlerin an (leider ohne Untertitel) und verstehe kaum ein Wort. Es dauert ewig, das Gesagte zu übersetzen – noch vermag ich die Füllwörter nicht einzuordnen oder Phrasen wie на самом деле (tatsächlich, in der Tat) versperren mir den klaren Blick auf den Satz. Was sie dann aussagt, ist toll, dass Malen Bergmannsarbeit ist, anstrengend, erst nur eine nebulöse Idee, und nicht mal eben so wie, ach, da küsst mich grad die Muse.
Sicher ist es auch so mit einer Zeichnung. Wo fange ich an, was interessiert mich überhaupt? Die zehn rotbraunen Früchte meiner Fensterbanktomatenpflanze? Zeichne ich sie realistisch oder bloß Umrisse einfangend? Eigne ich mir diesen ungeduldigen Stil an mit großflächigen Schraffuren in Grau plus Farbakzent – einer von Zwölfen, Zweie komplementär oder bunt opak? –
Sie hören von mir.
Ich sinne über künstlerische Ausdrucksformen, die keinen
Die Kuratorin/Malerin lebt in einer Riesenwohnung mit mehreren Zimmern, welche mit aneinandergelehnten großformatigen Leinwänden vollstehen. Eine DinA4-Mappe mit 70-Gramm-Papierbögen hat viel geringere Ausmaße und wäre nach einem Jahr mit einer Zeichnung pro Tag zwar gut gefüllt, könnte aber in einen Schrank gelegt werden, nachdem man etwas alte Wäsche in die Altkleidersammlung getragen hat. So müsste das gehen. Die Buntstiftschachteln werden mit losen Buntstiften neu befüllt, die Anspitz- und Radiergummireste kommen in den normalen Hausmüll.
Bei insta bin ich auf eine russische Kunstschule (простая школа – einfach Schule) aufmerksam geworden. Sie bewirbt Online- und Kurse vor Ort und veröffentlicht dazu Gespräche mit Lehrern, die ihre Arbeitsweise oder die Art des Kurses beschreiben – Malerei, Zeichnung, Collagen, Straßenskizzen. Jetzt, Anfang August, wird eine Residenzzeit geboten – dazu verbringt die Studentengruppe eine ganze Woche gemeinsam und arbeitet an der jeweiligen Aufgabe. Die Lehrer stehen zu Anleitungen und Auseinandersetzungen zur Verfügung, es wird zusammen gesund gekocht und gegessen, Yoga gemacht und überhaupt soll eine achtsame, zen-artige Stimmung entstehen und die künstlerische Selbstfindung gedeihen. Die Lehrergespräche sind auf YT zu finden und anhand der zuschaltbaren Übersetzungen lassen sie sich gut verfolgen und bieten mir Russischschülerin eine Möglichkeit, die Sprache zu vertiefen und mir ein passendes Vokabular anzueignen.
Wie gern wäre ich dort. Da ich aber aller Voraussicht erst nach drei Jahren sprechen werde (dann aber in ganzen Sätzen), ist es jetzt im zweiten Jahr für mich noch zu früh. Ich höre mir einen einminütigen Auszug eines Gespräches mit einer älteren Künstlerin an (leider ohne Untertitel) und verstehe kaum ein Wort. Es dauert ewig, das Gesagte zu übersetzen – noch vermag ich die Füllwörter nicht einzuordnen oder Phrasen wie на самом деле (tatsächlich, in der Tat) versperren mir den klaren Blick auf den Satz. Was sie dann aussagt, ist toll, dass Malen Bergmannsarbeit ist, anstrengend, erst nur eine nebulöse Idee, und nicht mal eben so wie, ach, da küsst mich grad die Muse.
Sicher ist es auch so mit einer Zeichnung. Wo fange ich an, was interessiert mich überhaupt? Die zehn rotbraunen Früchte meiner Fensterbanktomatenpflanze? Zeichne ich sie realistisch oder bloß Umrisse einfangend? Eigne ich mir diesen ungeduldigen Stil an mit großflächigen Schraffuren in Grau plus Farbakzent – einer von Zwölfen, Zweie komplementär oder bunt opak? –
Sie hören von mir.
Topic: Auf Reisen
Zwischen den alten Familienfotos befinden sich jede Menge 6x9-Negative. Zu groß für meinen Durchlichtscanner, aber eine viel einfachere Möglichkeit ist es, sie ans Fenster zu kleben und abzufotografieren und mit einem Kurzbefehl im Bildbearbeitungsprogramm ins Positive zu konvertieren. Dabei kommt so etwas zum Vorschein:

Die Großeltern trinken Kaffee im Angesicht des Watzmanns
Die Eltern meines Vaters waren mit ihm bereits dort, in der zweiten Hälfte der 30er Jahre. Vielleicht ein Reiseziel von Anhängern einer gewissen Partei, der Opa A. ja unzweifelhaft angehörte. Alle Bilder wirken fröhlich in Szene gesetzt, sicherlich war es für meinen sechs- oder siebenjährigen Vater eine unbeschwerte Zeit vor demGroßen Vaterländischen Krieg 2. Weltkrieg, die er später wieder einzufangen suchte mit seinen eigenen Kindern.

Die Großeltern trinken Kaffee im Angesicht des Watzmanns
Die Eltern meines Vaters waren mit ihm bereits dort, in der zweiten Hälfte der 30er Jahre. Vielleicht ein Reiseziel von Anhängern einer gewissen Partei, der Opa A. ja unzweifelhaft angehörte. Alle Bilder wirken fröhlich in Szene gesetzt, sicherlich war es für meinen sechs- oder siebenjährigen Vater eine unbeschwerte Zeit vor dem
akrabke | 13. Juli 2024, 09:46 | 0 Kommentare
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Topic: Auf Reisen
Ich musste das nachschlagen, das o, vielleicht hätte ich об benutzt. Jetzt, nach ungefähr zwei Jahren des Russischlernens kommen mir bereits ganze Sätze in den Sinn. Mama erzählte immer, dass ich mit drei Jahren noch nicht sprechen konnte, man hatte sich bereits Sorgen gemacht. Dann aber, endlich, sprach ich und zwar in vollständigen Sätzen. Was wir für ein seltsames Kind haben, sagten sie sich vielleicht am Abend.
Vor einer Weile fand der Bildhauer in einem alten Reisemagazin eine schöne Abbildung des Watzmanns im Herbst. Das ist dieser Berg, Sie wissen schon. Einmal war ich mit meinem Vater auf die Spitze geklettert, mit 12 oder so. Wir übernachteten im Watzmannhaus, damals ein einfaches Steinhaus, das mit Stahlbefestigungen dem Wetter trotzte. Es gab frische fettige Kuhmilch, von der wir beide uns übergeben mussten und am Morgen wuschen wir uns im eiskalten Bergwasser, das in einen Holztrog plätscherte.
Das Foto musste von einem Ort aufgenommen worden sein, den ich genau kenne, nämlich hinter einem kleinen Waldstück oberhalb des Lehens, in das wir uns während der Ferien eingemietet hatten. Ein herrliches Anwesen, das meine Kindheit auf beinahe mystische Weise geprägt hat. Der Anblick des äußerst detailreichen Bildes löste in mir den Wunsch aus, wieder einmal dort sein zu wollen, dort zu sitzen und den Blick zu genießen, den diese bestimmte Bank bietet.
Viele Jahre lang ist mein Vater weiterhin zu Ferienzeiten dort eingekehrt, ohne uns, hatte dort mehr Freundschaften als zu Hause und wenn er wieder zu Hause war, beschäftigte er sich mit Berichten und Zeitungen des Ortes, mit Bildbänden und Landkarten. Auch ich kenne immer noch die Namen der Erhebungen, Steige und Auen.
Auf einer Reisewebsite fand ich einen Eintrag des Lehens, wo es Fotos, Beschreibungen der Räumlichkeiten und Buchungsoptionen gibt. Endlich, nach einem Jahr des Zögerns klicke ich mich ein, buche gleich den ganzen Oktober und schreibe eine persönliche Nachricht an die Familie dazu. Nach einigen Minuten klingelt bei mir das Telefon, ah, eine Nummer mit 089, wer kann das sein. Eine tiefe, warme Stimme mit vertrautem Dialekt spricht mich mit meinem Namen an und mir hüpft das Herz aus reiner Freude, es ist der P., der Sohn des alten Herrn. Schnell sind wir im Gespräch über Vergangenes, kichernd, als wären wir immer noch 12 oder (er) 24, geben wir die aktuellen Alterszahlen an, unglaubliche 50 Jahre später, gleichen Erfahrungen ab, und ob es den alten Holztrog noch gibt, und wann unsere Eltern gestorben sind, und ja, damals hatte es noch Kühe und die Großmutter sorgte sich, dass das Gemuhe die Gäste stören könnte. Jetzt ist das Haus runderneuert und ich könne die Ferienwohnung haben, in der wir damals schon gewohnt haben.
Abgemacht.
Vor einer Weile fand der Bildhauer in einem alten Reisemagazin eine schöne Abbildung des Watzmanns im Herbst. Das ist dieser Berg, Sie wissen schon. Einmal war ich mit meinem Vater auf die Spitze geklettert, mit 12 oder so. Wir übernachteten im Watzmannhaus, damals ein einfaches Steinhaus, das mit Stahlbefestigungen dem Wetter trotzte. Es gab frische fettige Kuhmilch, von der wir beide uns übergeben mussten und am Morgen wuschen wir uns im eiskalten Bergwasser, das in einen Holztrog plätscherte.
Das Foto musste von einem Ort aufgenommen worden sein, den ich genau kenne, nämlich hinter einem kleinen Waldstück oberhalb des Lehens, in das wir uns während der Ferien eingemietet hatten. Ein herrliches Anwesen, das meine Kindheit auf beinahe mystische Weise geprägt hat. Der Anblick des äußerst detailreichen Bildes löste in mir den Wunsch aus, wieder einmal dort sein zu wollen, dort zu sitzen und den Blick zu genießen, den diese bestimmte Bank bietet.
Viele Jahre lang ist mein Vater weiterhin zu Ferienzeiten dort eingekehrt, ohne uns, hatte dort mehr Freundschaften als zu Hause und wenn er wieder zu Hause war, beschäftigte er sich mit Berichten und Zeitungen des Ortes, mit Bildbänden und Landkarten. Auch ich kenne immer noch die Namen der Erhebungen, Steige und Auen.
Auf einer Reisewebsite fand ich einen Eintrag des Lehens, wo es Fotos, Beschreibungen der Räumlichkeiten und Buchungsoptionen gibt. Endlich, nach einem Jahr des Zögerns klicke ich mich ein, buche gleich den ganzen Oktober und schreibe eine persönliche Nachricht an die Familie dazu. Nach einigen Minuten klingelt bei mir das Telefon, ah, eine Nummer mit 089, wer kann das sein. Eine tiefe, warme Stimme mit vertrautem Dialekt spricht mich mit meinem Namen an und mir hüpft das Herz aus reiner Freude, es ist der P., der Sohn des alten Herrn. Schnell sind wir im Gespräch über Vergangenes, kichernd, als wären wir immer noch 12 oder (er) 24, geben wir die aktuellen Alterszahlen an, unglaubliche 50 Jahre später, gleichen Erfahrungen ab, und ob es den alten Holztrog noch gibt, und wann unsere Eltern gestorben sind, und ja, damals hatte es noch Kühe und die Großmutter sorgte sich, dass das Gemuhe die Gäste stören könnte. Jetzt ist das Haus runderneuert und ich könne die Ferienwohnung haben, in der wir damals schon gewohnt haben.
Abgemacht.
Topic: Wiederholungen
Statt das Rad zu nehmen und zum See zu fahren, warte ich auf den nächsten Regenschauer, es dunkelt drumherum, aber auf dem wunderbar hübschen windy.com sehe ich, wie der Regen mir und meinem Viertel ausweicht. Blitze sind dort grafisch zu sehen und machen ein kleines knisterndes Geräusch. Online-Aktivitäten haben etwas zugenommen. Ich lese in einem Forum auf telegram mit und schreibe ab und zu etwas zu berührenden Themen. Jemand fühlte sich aus Idolsgründen gestalkt und ich habe mich an meine starken Sehnsüchte bezüglich bestimmter Musiker, Künstler oder Autoren erinnert: wie ich viel Zeit verbrachte mit lang und breit bebilderten Ideen, wie sich ein Treffen gestalten könnte und warum überhaupt. Wohl aus einem Mangel an Liebe und Aufmerksamkeit heraus. Plan, die eigenen Kunstfertigkeiten zu vollkommnen und sich selbst das geliebte Idol zu sein.
Jetzt ist der Regen über mir, über uns. Auf der Fensterbank gedeihen Kräuter, die ich nicht ernte, sie blühen und geben Samen fürs nächste Jahr. In der Rotte, angelegt in der Regenrinne, die vom Fenster des Arbeitszimmers zu erreichen ist, liegen Nutzhanf-Stengel, auf die es jetzt ordentlich schüttet. Ich möchte Fasern gewinnenund mir ein Kleid daraus häkeln, angeblich sind jene der männlichen Pflanzen weicher.
Am Nachmittag treffe ich die Schlagzeugerin zum Häkeln und Stricken. Ich arbeite an einem Kunstobjekt, das im Herbst in einem Stadtgarten ausgestellt wird. Es ist eine Art Decke mit einem eingehäkelten Motiv, das ich schon vor einiger Zeit begonnen hatte. In einem Plastikkasten ward es aufbewahrt zusammen mit den Puppen. Leider waren schon die Motten im Puppenhaar, die ich durch Lagerung im Eisfach zu töten versuchte. Das war anscheinend nicht gelungen, ich ahnte es bereits und zögerte das Sichten der Wollarbeiten monatelang heraus. Draußen im Hof dann – als ich den halbdurchsichtigen Behälter die Treppe heruntertrug, sah ich schon Krauchen- und Fliegendes – überkam mich Ekel beim Öffnen des Deckels; mittlerweile war alles komplett zugemottet, welch deprimierender Anblick! Das Kunstobjekt Decke wies interessante Löcher auf, mitten im Hauptmotiv und auch an den Rändern. Ich beschloss, das künstlerisch Beste draus zu machen, das Konzept umzudeklinieren und die Löcher als gewollt einzubetten, Vergänglichkeit, Sie wissen schon, daraus sollten dann die gehäkelten Ranken wachsen, die offensichtlich das Gewebe zerstörerisch durchdrongen. Ну да.
Jetzt ist der Regen über mir, über uns. Auf der Fensterbank gedeihen Kräuter, die ich nicht ernte, sie blühen und geben Samen fürs nächste Jahr. In der Rotte, angelegt in der Regenrinne, die vom Fenster des Arbeitszimmers zu erreichen ist, liegen Nutzhanf-Stengel, auf die es jetzt ordentlich schüttet. Ich möchte Fasern gewinnen
Am Nachmittag treffe ich die Schlagzeugerin zum Häkeln und Stricken. Ich arbeite an einem Kunstobjekt, das im Herbst in einem Stadtgarten ausgestellt wird. Es ist eine Art Decke mit einem eingehäkelten Motiv, das ich schon vor einiger Zeit begonnen hatte. In einem Plastikkasten ward es aufbewahrt zusammen mit den Puppen. Leider waren schon die Motten im Puppenhaar, die ich durch Lagerung im Eisfach zu töten versuchte. Das war anscheinend nicht gelungen, ich ahnte es bereits und zögerte das Sichten der Wollarbeiten monatelang heraus. Draußen im Hof dann – als ich den halbdurchsichtigen Behälter die Treppe heruntertrug, sah ich schon Krauchen- und Fliegendes – überkam mich Ekel beim Öffnen des Deckels; mittlerweile war alles komplett zugemottet, welch deprimierender Anblick! Das Kunstobjekt Decke wies interessante Löcher auf, mitten im Hauptmotiv und auch an den Rändern. Ich beschloss, das künstlerisch Beste draus zu machen, das Konzept umzudeklinieren und die Löcher als gewollt einzubetten, Vergänglichkeit, Sie wissen schon, daraus sollten dann die gehäkelten Ranken wachsen, die offensichtlich das Gewebe zerstörerisch durchdrongen. Ну да.
akrabke | 11. Juli 2024, 10:51 | 0 Kommentare
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Topic: Arbeitstisch
Kann man überhaupt dazwischen sein? Im Moment drehe ich eine Runde durch den Stillstand. Aber im Traum heut Nacht bezogen wir, drei Designer für Grafik und Textil, neue Räume in einer Burg in meiner Heimatstadt. Wir kannten einander noch nicht sehr gut, gerade die Arbeiten des asiatischen Mitstreiters hatte ich bisher nicht gesehen. Die Begeisterung aber, die uns durchfloss, ließ keinen Platz für Zweifel an unserer Unternehmung. Die Burgräume waren hoch und luftig – gegenwärtig – wehende Stoffe teilten Bereiche zwischen frisch geweißten Wänden, durch die Fenster mit Rahmen aus Holz blickten wir über Felder, die von wenigen unbefestigten Wegen durchzogen waren, in der Ferne sanfte Berge, die sich im Sfumato verloren.
Die Schulgründung begeisterte mich damals über alle Maßen. Die bunten Vorstellungen einer fröhlichen Schar von Menschen jeden Alters verloren sich im Grau der Gegenwart, des politischen Gerangels, undurchsichtiger Finanzpläne und Besserwisserei.
Благодарю Бога за тот поток, который идет через меня. So kommentierte jemand ein YT-Video der russischen Band DDT. Ist dieser Strom in mir zum Stillstand gekommen? Ist es nur ein Urlaub (отпуск) von oder ein Gehenlassen (отпустить) und dann ganz menschenleer (пустынный)?
Ich werde heute schauen, wie es sich mit allem verhält. Bleiben Sie dran (falls überhaupt noch jemand mitliest).
Die Schulgründung begeisterte mich damals über alle Maßen. Die bunten Vorstellungen einer fröhlichen Schar von Menschen jeden Alters verloren sich im Grau der Gegenwart, des politischen Gerangels, undurchsichtiger Finanzpläne und Besserwisserei.
Благодарю Бога за тот поток, который идет через меня. So kommentierte jemand ein YT-Video der russischen Band DDT. Ist dieser Strom in mir zum Stillstand gekommen? Ist es nur ein Urlaub (отпуск) von oder ein Gehenlassen (отпустить) und dann ganz menschenleer (пустынный)?
Ich werde heute schauen, wie es sich mit allem verhält. Bleiben Sie dran (falls überhaupt noch jemand mitliest).
akrabke | 02. Juli 2024, 09:12 | 0 Kommentare
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