Freitag, 7. Juni 2013


Und wie sich das Gelände in den beinahe zwölf Monaten, die wir hier sitzen und beobachten, geändert hat! Gegenüber sind schon Familien eingezogen, ich nehme an, die Wohnungen sind architektonisch supi und alle Bewohner haben passende Wellnessmöbel in weiß und braun. Pflanzen ranken schon von den Galerien, so kann ich von hier sehen, einige Kinderwagen werden über Türschwellen geholpert, weil, so richtig fertig ist das alles noch nicht. Der offene Bereich mit dem Eisengestänge wird wohl erstmal so bleiben, aus historischen Gründen. Da können dann die Kinder spielen und sich verletzen, dann muss man wieder Verbote aussprechen, die werden natürlich nicht eingehalten, wir haben ja damals auch heimlich in Rohbauten gespielt und so weiter. Also bleibt alles wie immer. Hoffentlich bekommt jede Erdgeschosswohnung Grün davor, dann wäre das Feeling von hier endlich etwas naturnaher nach all dem Gebaue, Gestampfe und Gesäge.






Sogar in meiner kleinen Heimatstadt am Geländer der Lieblingsbrücke hängen jetzt die Schlösser der Liebe. Und mittlerweile heißt dieses Weblog nicht mehr Geländer, sondern wieder Gelände, ist cooler. Und weil Mama gelacht hat, als meine Schwester Dudi sagte, Männertreu sei ihre Lieblingsblume, zeigte sich diese etwas beleidigt.




Samstag, 1. Juni 2013

Amsel im Überschwemmungsgebiet. Hat insofern was mit dem Text zu tun, als es sich um viel Wasser und ein kleines Leben handelt.

Es reicht. Seit einem halben Jahr fast ausnahmslos trübe und oberflächliche Gedanken. Über Vergänglichkeit zum Beispiel, oder Kleinmütiges über die Anderen und mich selbst. Misslungene Versuche, die Welt zu retten. Die dauernde Erreichbarkeit für jeden noch so fusseligen Tatbestand. Verletzter Stolz, Missverständnisse, Bevormundungen und andere Verunsicherungen. Wut. Keinen einzigen erhabenen Gedanken gehabt und die Zeiten des Sitzens schleppen sich dahin. Ich muss woanders Kraft finden, wenn die Sonne nicht scheint.

Innen. Rückzug. Denn im Außen gibt es nichts Reichhaltiges zu finden.

Swami VB spricht in acht lectures über die Bhagavadgita, die wichtigste und beliebteste Schrift der indischen Philosophie – im Westen u. a. falsch verstanden wegen der angeblichen Aufforderung zum Kampf, lese ich in der Hinführung zum Text in der Gita-Übersetzung von Klaus Mylius, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1980, DDR 1,50 M. Das Büchlein habe ich mit 17 anderen mehr oder weniger wichtigen Büchern auf einer Klassenfahrt in Prag erstanden, zusammen nicht mal 20 Mark. (Die Flasche Krimsekt kostete uns dank des schwarz gewechselten Geldes bloß fünf Mark und wir betranken uns damit, was ich sehr peinlich fand, denn für die Tschechoslowaken war er unerschwinglich. Toller Exkurs. Ach ja, ein seltsam schöner Sci-Fi-Roman, den ich mehrmals gelesen habe, war auch dabei.) Die gita kannte ich vom Hörensagen, vielleicht aus einem der Philosophiebücher, und so packte ich sie mit auf den Stapel. Heute, da ich wieder angefangen habe, Swamijis lectures zu hören (wieso eigentlich nicht schon eher), krame ich das etwas angegilbte Heft heraus und berühre es wie einen Schatz.

Arjuna ist also dieser Soldat, der gegen eine Armee kämpfen soll, die ausschließlich aus Verwandten, Freunden und Lehrern besteht. Eine Unmöglichkeit des Tuns befällt ihn und Krishna, eine Inkarnation des Gottes Visnu, springt als sein Wagenlenker ein und los geht die Belehrung des Verzagten über rechtes Handeln. Natürlich referiert Swami VB ganz anders, er will uns Zuhörern die Lage Arjunas möglichst lebendig machen, und er zitiert Dialogzeilen mit verschiedenen Stimmen, lässt Arjuna so verzweifelt jammern und klagen, dass es seine Art hat, hat doch der Arme die Probleme, die alle Menschen in allen Zeiten immer wieder befallen. Deshalb ist die gita so zeitlos und tröstend.

So soll mein Sommer sein, tröstend. Und auch gern zeitlos. Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, dass ich nicht allmächtig so stark bin, wie ich immer tue und wie ich es von mir glaube. Natürlich nicht. Die Kraft eines jeden reicht gerade für das eigene Leben.




Donnerstag, 30. Mai 2013
Ich jetzt auch. Fieberträume mit dem deutlichen Gefühl, dass der Körper aus acht Teilen besteht, wovon sieben unter der Decke sind, der achte, der Kopf, schaut raus, und der trägt eine fesche Mütze. Warm genug.


Gut, dass um die Ecke eine Pasteleria ist, hola, der Inhaber weist stolz auf sein Lissabon-T-Shirt mit Tram drauf, er freut sich, dass mir die Stadt so gut gefallen hat, jetzt gibt's zwei Pastel (oder Pastei?) de Nata und eine Ziegen-Gewürzmilch mit Zimt, Gelbwurz und Ingwer. Dann nochmal schlafen. Obrigada.




Dienstag, 28. Mai 2013
Die Masch ist weitflächig überschwemmt. Bäume stehen im Wasser wie Mangroven, Schwäne und Enten schwimmen auf tiefgetretenen Pfaden. Zum See muss ich einen Umweg nehmen. Auf der Liegewiese steht das Gras hoch, die wenigen Nackten, die sich sonnen, verschwinden zwischen den sattgrünen Halmen. Ich lege mich dazu und genieße das Alleinsein. Kurz hatte ich einen englischen Text über die Einsamkeit angelesen, es waren aber zu viele unbekannte Vokabeln darin, um ihn zügig zu überfliegen. Einsamkeit sei schlimmer als sterben – in der Vergangenheit, ich hoffe, dass er darauf hinausläuft, dass man in der Gegenwart gern allein ist. Ich denke ein bisschen an den Esoteriker, der mich im letzten Sommer kaum mal allein sein ließ.

Im Gras liegend höre ich die Stimme der Alten mit dem Wägelchen, anscheinend ist jemand von den FKKlern gestorben, es könnte die mit den langen weißen Haaren sein, die ist sonst bei jedem Sonnenstrahl draußen, ich kenne aber niemand beim Namen, die Frau sagt, wer kommt denn noch, wenn wir nicht mehr kommen, ich hoffe wir bekommen alle eine Nacktliegewiese im Himmel.

Wenn's mehr nicht ist, als eine sonnige Wiese im Himmel.

Mein schönster Moment im Jahresverlauf ist, wenn ich das erste Mal draußen schwimme. Dass ich noch vorletzte Woche im Bodensee war, nach der Sauna, zählt sicher doppelt. Wassertemperatur heute: Rein ohne zu zetern. Also immer noch kalt. Aber sehr angenehm nach dem Stündchen Sonnenliegen.

Bald ziehen einige Wolken auf und ich beschließe zu fahren, wieder zurück durch die nasse Masch, wieder den Umweg. Vor der Haustür taste ich nach dem Schlüssel, nicht in der Beuteltasche, nicht in der Hose. Also nochmal zurück zum See, 20 Minuten. Am Rand meines plattgelegenen Vierecks finde ich endlich das Bund, die beiden Männer neben mir zeigen Interesse und einer sagt, kaum waren Sie weg, kam die Sonne wieder – ich, das dachte ich mir schon und jetzt bleib ich einfach. Und nochmal gleite ich von der Leiter runter ins klare Wasser und schwimme sogar eine kleine zehn-Meter-Runde, fühlt sich phantastisch an.

Eine weitere dreiviertel Stunde gesonnt, bis ich trocken und warm bin, Amsel singt, Gras wächst weiter, verabschiede ich mich von den Männern und freue mich aufs Essen, während ich ordentlich in die Pedale trete: Gedämpfte Möhren und Kartoffeln, darauf ein in viel Ghee gebratenes Spiegelei.

Wenn es morgen wieder so schön ist, nehme ich den wetsuit mit und koch danach was ähnliches mit Kohlrabi.




Sonntag, 26. Mai 2013
Gern hätte ich diesen Text Tagesflugzeug nach Zürich betitelt und eigentlich wollte ich mich darin ein bisschen über Nachtzug nach Lissabon auslassen, mittlerweile habe ich aber Buch-Frieden gefunden und werde von meinem ursprünglichen Plan, es nicht weiterzulesen, ablassen. Es sind ja die Stimmungen, in die ich gern auf Reisen eintauche, natürlich – hin und wieder eine Sehenswürdigkeit, die ja nicht umsonst als des Sehens würdig gepriesen werden. Wichtiger ist für mich aber immer das sich in der Stadt befinden gewesen. Empfinden, was die Stadt mit mir macht, welche Lüste sie auslöst und ob es ein Angenommensein gibt.



Die Eindrücke sind nachhaltig und erstaunlich resistent gegenüber dem Kackwetter zuhause. So als wäre dies hier nur eine Art Zeitblase oder ein Hologramm, ein lästiges zwar, aber einfach nicht wahr. Die Sonne über Lissabon war uns mehr als hold und heute früh ist mir wieder eingefallen, wie anders das Licht in den verschiedenen Gegenden unseres Planeten ist.



Was war heute für dich das Schönste, befragten wir uns allabendlich. Dass die Stadt mich angenommen hat, war mein Schönstes. Mich beschützt und genährt hat und mir Ein- und Ausblicke verschafft hat, die hoffentlich nicht so schnell verblassen. Architektonische und geologische Begebenheiten, Farben und Formen, letztlich Zeit, die sich an allem zu schaffen macht, Altes verfallen und Junges entstehen lässt. Dies ist nicht nur eine Kulisse, in der wir uns bewegen – ich habe das starke Gefühl, dass dies ein Zuhause sein könnte.





Donnerstag, 23. Mai 2013
Hier fällt es besonders auf, das Bartgetrage der Männer, sie heißen aber nicht Jan und Hein und Klaas und Pitt, sondern wohl eher Vasco da Gama oder so, weil wir sind in Lissabon, die Frau Montez und ich, in der alten Seefahrerstadt am Tejo und die wenigen Vokabeln, die wir mittlerweile beherrschen, reichen, um Galao zu bestellen und fürs obrigado. Und wenn mir das nicht mehr einfällt, stimme ich das schöne Sun King von den Beatles an, das dauert ein bisschen, bis ich zum Wort komme und manchmal ist es zu spät. Die Frauen sagen obrigada.


Während wir noch rätseln und wahrscheinlich nie wissen werden, wo welche Straßen aufgeschüttet und welche untergraben wurden, lebt die Stadt um uns rum und wir in ihr und erfüllt uns die Lust auf Sehens-, Hörens- und Erlebenswertes, macht uns abwechslungsweise nachdenklich oder froh oder anderes und wir finden die Stadt schlichtweg - schön. Und die Kacheln auch.




Mittwoch, 15. Mai 2013
Jetzt habe ich endlich einen definierten Anker, der sich in meine unbenannten Aggressionen einhaken kann: Ein Missverständnis über einen Kostenvoranschlag, der meinerseits sicherlich etwas hoch angegangen war, aber äußerst tief von der Kollegin weitergegeben wurde und dann auch noch halbiert durch die Sprachkreise, die ich einzeln kalkuliert hatte. Dreieinhalb Stunden für die Aktualisierung einer Website incl. diverser Flashfilme, die ebenfalls geändert werden sollen – mittlerweile bin ich bei knapp sieben Stunden.


Von Ferne nur beobachte ich die Grabeslegung der Agentur, erheische ab und zu knappe Berichte der Busenfreundin über Vorgänge, die dort mit einer mir unverständlichen Unterwürfigkeit hingenommen werden, bei mir allerdings größte Streitlust auslösen. Ungerechtigkeit, Respektlosigkeit, Missachtung. Nach einem längeren Telefonat mit der Lieblingschefin gestern, die mich in Details einweiht, verstehe ich noch weniger, warum sie sich das antut.

Zeitgleich ist mein Arbeitspensum übersichtlich. Längerlaufende Projekte sind abgeschlossen, die kleineren Sachen, die regelmäßig gepflegt werden müssen, machen Pause. Es könnte also eine entspannte Zeit sein, die ich für Muße nutze, zum Ruhefinden, zum Gutsein zu mir. Statt dessen stresse ich mich selbst und grübele wie verrückt, lange Listen von immer wieder auftauchenden Gedanken erstelle ich im Geiste.

Die Lieblingschefin, so gern ich sie mag, hat einen großen Anteil an Schuldgefühlen zum Thema Arbeiten. Nicht nur seit ich mich vor gut einem Jahr aus der Firma zurückgezogen hatte, sondern schon vorher, 2009, als ich ins eigene Büro zog, weil mir die Fahrerei aufs Land und die Kollegennähe zu viel wurde – es war als hätte ich keine Erlaubnis dazu. Noch heute spricht die Busenfreundin davon, ich hätte sie im Stich gelassen. Tatsächlich hatten sich da Fronten aufgebaut, die eine deutliche Entscheidung forderten, entweder ich lasse sie (die Firma) im Stich oder mich selbst. Ich war (und bin) finanziell in der Lage, eine Art Neustart zu wagen, die Kollegen sich selbst zu überlassen und meinem Herzen zu folgen, wie man so schön sagt, auch wenn es bedeutete, eine Weile keine Arbeit zu haben.

Nicht zu arbeiten ist gewissermaßen anstrengend – eher noch das reine Nichtstun. Wie sehr unsere Gesellschaft davon geprägt ist, tätig zu sein. Und wenn es nur das Rumfriemeln am Mobiltelefon ist, das Rauchen, das Kaffeetrinken, und wieder sind zehn Minuten rum, wieder eine Stunde mit ein bisschen Hausputz oder Kochen verbracht, wer sitzt schon rum und macht gar nichts?

Zur Zeit versuche ich ebenfalls zu begreifen, welche Gruppe DIE Gruppe ist, jene auf die alles zuläuft, alles zugeschnitten ist, die mit den Vintage-Fahrrädern oder die mit den Kindern. Die, die Steuern hinterziehen oder Yachten besitzen, die ihr Wochenende glücklich mit Yoghurt beginnen oder die mit den Schals ihrer Mannschaft ums Handgelenk. Jene, die endlich den Deal oder das Ziel ihres Lebens erreicht haben oder die, die regelmäßig Sport machen? Sind es gar die, die sich aus alldem nichts machen und gar nicht auftauchen in Berichten, Statistiken und Kommentaren von Online-Magazinen? Was wenn es DIE Gruppe gar nicht gibt?

Und trotzdem. Er ist immer noch da, der Wunsch Teil einer Jugendbewegung zu sein. Oder irgendeiner Bewegung. Eine, die was ausmacht, die wichtig ist und Kraft hat, die Welt, wenn nicht zu verändern, so wenigstens zu bereichern. Auf der Welt sein, um dazuzugehören, zu meinen Leuten da draußen. Wo seid ihr? In den Monaten, die ich mit dem Esoteriker verbracht hatte, dachte ich, ich hätte sie gefunden. Genau betrachtet, war es eine der bescheuertsten Abschnitte meines Lebens und ich musste fliehen vor ihren geposteten Dauerherzchen und psychedelischen Bildlein, vor ihren irren Kommentaren in spirituellen Foren und den Drogenausdünstungen, die sie seit den 90ern immer noch umwehen.

Zu einem Kollegium zu gehören, das sich mit Gestaltung beschäftigt, war natürlich gut und machte großen Spaß. Die Lieblingschefin hat immer dafür gesorgt, das Gruppengefühl lebendig und stark zu halten, aber manchmal dachte ich, sie tut es nur ihretwegen. Als es darum ging, sich gemeinsam an der Firma zu beteiligen, dachte ich bei mir, mit der Busenfreundin möchte ich mein Geld nicht mischen, wo doch schon das Zusammenwohnen eine Katastrophe war und mit B. habe ich eigentlich so gar nichts zu schaffen, wieso sollte ich mich finanziell und somit langfristig an diese Menschen binden? Nicht mal würde ich sie als meine Freunde bezeichnen. Die Idee ging mangels Resonanz ein, und die Lieblingschefin, damals noch hierarchisch auf Augenhöhe, übernahm die Geschäftsleitung, um den angegrauten Lieblingschef zu unterstützen. Komplizierte Verträge wurden unterschrieben, alles mit dieser bedingungslosen Wichtigkeit, wenn es ums Geld geht. Jetzt versucht sie, die Krise abzuwenden oder wenigstens im Zaum zu halten und ich sehe, dass sich ihre Kraft und ihr Mut langsam verbrauchen und ihre sagenhafte Freundlichkeit einer Ängstlichkeit gewichen ist, die sie mit Hartnäckigkeit verteidigt. Und ich immer schön so, wie lange willst du das noch machen, wenn du tot (oder krank) wirst, kannst du ja auch nicht mehr weitermachen. Dahinter steht die Idee eines fast größenwahnsinnig zu nennenden sich selbst für unersetzlich Halten. Vielleicht ist das ein schönes Gefühl in jungen Jahren, beim ersten richtigen Job, mittlerweile bin ich aber froh ersetzbar zu sein, das befreit von überzogenen Forderungen und Erwartungen. Einfach mal behaupten, das könne man nicht – sicherlich ist es ein großes Problem der Lieblingschefin da loszulassen. Und ebenso sicherlich ist es ihr ganzer Stolz, sich aufzuopfern, und darin unterscheidet sie sich nicht von meiner Mutter und all den Müttern, die machen und tun und Anerkennung erwarten, ohne sie je zu bekommen.

Ich weiß nicht, wieso ich das so ausführlich beschreiben muss. Hinter die Vorgänge zu schauen, macht mich ratlos. Zu erkennen, was mit was anderem verknüpft ist, hilft gegen Ratlosigkeit. Tatkräftige Gruppenzugehörigkeit und Angst vor Nutzlosigkeit sind die Themen, die mich in diesen Wochen begleiten. Ich muss mal raus hier. Mit Fräulein Montez nach Lissabon zum Beispiel. Schöne Fotos, eigene Projekte, die ich mit Lust verfolgen kann und nicht mehr dieses blöde Hickhack mit der alten Firma. Loslassen.




Samstag, 11. Mai 2013
Allerdings habe ich vorhin etwas gekocht, auf das ich nach einigen Bissen überhaupt keine Lust mehr hatte, frischen Spinat mit Spiegelei. Waren falsche Gewürze drin, sonst nehme ich nur Salz, Pfeffer und Muskat, heute hatte ich vorher im ayurvedischen Kochbuch nach passenden Gewürzen geblättert, Kreuzkümmel, Asa Foetida, Zimt, etwas Zucker und noch einen Löffel Sahne, alles viel zu viel und zu aufdringlich, die Hälfte musste ich leider wegwerfen, das mache ich sonst nie.

Jedenfalls, Super Sad True Love Story von Gary Shteyngart. Ein Gesellschaftsstück aus einer möglichen, nicht allzu fernen Zukunft. Oberflächliche, konsum- und magersüchtige Gutverdienende, die den ganzen Tag an ihren "Äppäräten" hängen, die sie mit einem unaufhörlichen stream ökonomischer, gesellschaftlicher und persönlicher Daten versorgen, niemand liest mehr Bücher, die weltwirtschaftliche Lage, besonders die in Amerika ist kurz vorm Bersten, und in dieser außerordentlich detailliert, witzig, gefühlvoll und ideenreich beschriebenen Welt trifft der Ich-Erzähler, Angestellter in einer Firma, die das Sterben abschafft, auf eine junge Frau koreanischer Abstammung.

Ach ja und ach quatsch, ich muss ja jetzt nicht versuchen, eine echt tolle Buchbesprechung zu geben, zumal ich noch gar nicht durch bin. In der letzten Zeit ist mir immer mehr aufgefallen, wie viele Leute in verkrümmter Körperhaltung zu allen Tageszeiten auf ihren Telefonen rumwischen, in der Bahn, auf öffentlichen Plätzen, Parks und sonstwo. Im Buch gibt es eine Kneipenszene, in der die umfangreichen Datenprofile aller anwesenden Personen miteinander verglichen werden, es werden automatische Attraktivitätslisten erstellt und man kann z. B. einen Fickfaktor ablesen – und sich dann entsprechend peinlich fühlen.

Noch sind unsere Telefone für andere halbwegs abgeschirmt, aber immerhin können wir uns schon gegenseitig orten, wenigstens ein Anfang. Mein Geist ist heute aber zu lahm, um aus diesem Text einen zeitkritischen zu machen. Ich erfreue mich schlicht am Einfallsreichtum der Erzählung, überlege, ob ich kurz rausgehe, die dunklen Wolken sind verzogen und jetzt im deutlichen Abendlicht der tiefstehenden Sonne wirkt die Welt friedlich, während im Buch gerade eine Revolution ausbricht. Manchmal scheinen mir Lese- von echten Welten untrennbar und ich muss meine Aufmerksamkeit sehr stark ausrichten – auf das Hier und Jetzt, das gerade sehr löcherig erscheint, je …

Und noch ein nachgetragenes Ach Ja: Eigentlich geht's in der Erzählung um Jugend und Altern und Vergänglichkeit. Und eigentlich bin ich neidisch, dass ich nicht so schön schreiben kann wie Gary. Und weil mich das so platt macht, konnte ich heute auch nicht schreiben. So ist das.




Mittwoch, 8. Mai 2013
"Ach so," rief sie, während sie mit eiligen Schnitten das Steak zerteilte, das in einer hellroten Fettsoße auf dem Teller lag, "Lissabon! Wieso hast du mir nichts davon erzählt?"

***

In zweidrei Sätzen sollen der Städtename "Lissabon", eine Frau, ein Mann und ein Steak vorkommen. Meine etwas hysterisch klingenden sind mir heute früh beim Aufwachen eingefallen.

Und jetzt sind Sie dran, bitte.




Dienstag, 7. Mai 2013

Quittenblüte





Buschwindröschen Wiesenschaumkraut (sagt die Montez [aus einem inneren Zwang heraus], hat Mama vielleicht auch gesagt) in Mamas Garten.





Sowas ähnliches wie Flugmangos.