Allerdings habe ich vorhin etwas gekocht, auf das ich nach einigen Bissen überhaupt keine Lust mehr hatte, frischen Spinat mit Spiegelei. Waren falsche Gewürze drin, sonst nehme ich nur Salz, Pfeffer und Muskat, heute hatte ich vorher im ayurvedischen Kochbuch nach passenden Gewürzen geblättert, Kreuzkümmel, Asa Foetida, Zimt, etwas Zucker und noch einen Löffel Sahne, alles viel zu viel und zu aufdringlich, die Hälfte musste ich leider wegwerfen, das mache ich sonst nie.

Jedenfalls, Super Sad True Love Story von Gary Shteyngart. Ein Gesellschaftsstück aus einer möglichen, nicht allzu fernen Zukunft. Oberflächliche, konsum- und magersüchtige Gutverdienende, die den ganzen Tag an ihren "Äppäräten" hängen, die sie mit einem unaufhörlichen stream ökonomischer, gesellschaftlicher und persönlicher Daten versorgen, niemand liest mehr Bücher, die weltwirtschaftliche Lage, besonders die in Amerika ist kurz vorm Bersten, und in dieser außerordentlich detailliert, witzig, gefühlvoll und ideenreich beschriebenen Welt trifft der Ich-Erzähler, Angestellter in einer Firma, die das Sterben abschafft, auf eine junge Frau koreanischer Abstammung.

Ach ja und ach quatsch, ich muss ja jetzt nicht versuchen, eine echt tolle Buchbesprechung zu geben, zumal ich noch gar nicht durch bin. In der letzten Zeit ist mir immer mehr aufgefallen, wie viele Leute in verkrümmter Körperhaltung zu allen Tageszeiten auf ihren Telefonen rumwischen, in der Bahn, auf öffentlichen Plätzen, Parks und sonstwo. Im Buch gibt es eine Kneipenszene, in der die umfangreichen Datenprofile aller anwesenden Personen miteinander verglichen werden, es werden automatische Attraktivitätslisten erstellt und man kann z. B. einen Fickfaktor ablesen – und sich dann entsprechend peinlich fühlen.

Noch sind unsere Telefone für andere halbwegs abgeschirmt, aber immerhin können wir uns schon gegenseitig orten, wenigstens ein Anfang. Mein Geist ist heute aber zu lahm, um aus diesem Text einen zeitkritischen zu machen. Ich erfreue mich schlicht am Einfallsreichtum der Erzählung, überlege, ob ich kurz rausgehe, die dunklen Wolken sind verzogen und jetzt im deutlichen Abendlicht der tiefstehenden Sonne wirkt die Welt friedlich, während im Buch gerade eine Revolution ausbricht. Manchmal scheinen mir Lese- von echten Welten untrennbar und ich muss meine Aufmerksamkeit sehr stark ausrichten – auf das Hier und Jetzt, das gerade sehr löcherig erscheint, je …

Und noch ein nachgetragenes Ach Ja: Eigentlich geht's in der Erzählung um Jugend und Altern und Vergänglichkeit. Und eigentlich bin ich neidisch, dass ich nicht so schön schreiben kann wie Gary. Und weil mich das so platt macht, konnte ich heute auch nicht schreiben. So ist das.