Sonntag, 6. Juli 2014
Ich fahre vom See zurück, den Weg am Fluss entlang, zu beiden Seiten stehen hoch verschiedene weißblühende Pflanzen im Sommer, der Blick weitet sich ohne Punkt zu allen Seiten, unten am Rand die Hände, die die Enden des Lenkers umgreifen, und hier auf dem Deich ist der Himmel größer und riesige runde weiße Wolken fahren mit mir. Wie alles miteinander verbunden ist! Die Hände, das Auf und Ab der Knie, das Rad, der Weg, das knirschende Geräusch, das zwischen Reifen und Schotter entsteht, der Wind, der das weite T-Shirt bläht und den Schweiß trocknet, der sich zuvor im See abspülen ließ und jetzt wieder neu fließt.




Von Herrn Schneck: http://schneck.twoday.net/stories/selbst/
nach Herrn Kid: http://kid37.blogger.de/stories/2416589/
über Frau Montez: http://montez.twoday.net/stories/und-ich-auch/
zu mir:


Ich weiß ich weiß: Falscher Helm, und statt Sonnenbrille Augen zu.
Aber die Wand ist gut getroffen.




Donnerstag, 3. Juli 2014

Weil Sommer ist.




Freitag, 20. Juni 2014
Wie schlecht und böse die Welt ist! Ich bin erschöpft von den Fotografien, Wand um Wand, Meile um Meile, drinnen und draußen, Bilder mit Krieg, mit Drogen, Feuer und Toten, mit Kranken, Verkrüppelten, Ausgebeuteten, Unglücklichen, beraubtem Land, Armut, und Seuche. Kaum etwas Erfreuliches. Man bekommt endgültig den Eindruck, die Welt sei ein Jammertal, wenn nicht gar die Hölle, aus der es kein Entrinnen gibt. Das Lumix Festival auf dem ehemaligen Expo-Gelände zeigt fotografische Serien von 60 jungen Fotojournalisten aus vielen Ländern.

14 Jahre später und auch wenig erfreulich: Der Holländische Pavillon auf dem ehemaligen Expo-Gelände

Vielleicht weiß einzig das Entsetzliche noch wirklich zu interessieren – zu verkaufen, eigentlich – denn auch das in tausenden von Bildern gezeigte Leid wirkt hier bloß wie eine Ware und ich bin die Betrachterin, eigentlich die Konsumentin, deren Urteil bzw. Bestürzung gefragt ist, aber ich frage mich, geht es hier um die Qualität der Fotos, die Grobheit des Gezeigten oder gar die außerordentliche Kühnheit der FotografInnen?

Das Schöne fehlt. Die Welt ist doch schön, oder? Welche Aufgabe hätte ein Fotojournalist meiner Vorstellung? Das Schöne finden, die Perle. Man könnte einwerfen, dass viele der Bilder schön sind, im fotografischen Sinn: Bildaufbau, Farben, Kontraste, technische Ausführung. Natürlich, alles da. Also schöne Fotos von unschönen Begebenheiten.

Wie Taucher stundenlang im Schlamm herumwühlen, um Goldbrösel zu finden, die vier Euro am Tag bringen und die Gesundheit runinieren mit dem Quecksilber, das zum Auswaschen des Metalls benutzt wird. "Krokodil"-Abhängige mit vergammelten Körpern in vergammelten Behausungen in s/w, ausdrucksstarke Bilder von ehelicher Gewalt (wieso hat die Fotografin nicht eingegriffen?), in bunte Tracht gekleidete guatemaltekische Frauen vor ausgehobenen Massengräbern, hübsche Menschen in wasserarmen Gebieten, die für einen Eimer braunes Wasser Stunden gehen müssen, Kinderschönheitswettbewerbe mit Zweijährigen in Amerika, Straßenkinder in Berlin. Ein Hauch eingebildeter Freude nur durch Alkohol, Drogen, Konsum, Prostitution, Macht.

All das. Was Menschen zu verantworten haben, endet oft hässlich. Hätte gern ein anderes Fazit.

http://www.fotofestival-hannover.de/
Noch bis Sonntag, auch mit Livestreams der Vorträge von Fotografen. Weiter unten auf der Startseite ein Überblick über die 60 Ausstellungen.




Dienstag, 17. Juni 2014
Das Motorrad ist wieder bereit. Wann war ich das letzte Mal los? Ist schon so lange her. Einmal im Sommer vor zwei Jahren ging ich mit dem Esoteriker zur Garage, ließ die kleine Maschine kurz an, sie pröttelte, aber wenigstens pröttelte sie überhaupt. Zum Fahren kam ich nicht, weil der Kerl mir meine gesamte Zeit raubte. Jetzt spring ich einfach auf, auf die harte Bank und kurve vom Hof der Werkstatt, als wäre ich niemals ohne sie gewesen, sie brummt und liegt straff zwischen den Schenkeln, Schalter und Hebel lassen sich gut betätigen, ja, die Kupplung war immer schon etwas hart, der linke Arm muss sich bemühen, und die Handbremse hat kaum Spiel, aber das gefällt mir, ich weiß genau, wo der Punkt liegt. Auf der Bundesstraße gebe ich ordentlich Gas, die Finger fest um die Griffe, die Bauchmuskeln halten den Körper aufrecht im kühlen Gegenwind. Mit dieser Brille aber hatte ich den Helm noch nicht getragen; weil die Bügel hinterm Ohr überstehen und so mit dem Helm in Berührung kommen, vibrieren die Gläser mit, das nervt etwas, vielleicht nehme ich wieder das uralte Gestell mit neuen Gläsern, das hat sich bewährt und ich kann auch Sonnenschutz draufklemmen.

Bekomme ich neue Lust am Krad? Ich war so lange nicht draußen zum Ausfahren, an der Weser lang durch ihr Bergland oder nach Norden, die etwas langweilige Strecke zur Bestenfreundin. Aus den Kilometern zu Mama doppelt so viel machen, mehrmals hin und zurück über das Wiehengebirge, oder zur Quelle am Süntel, frisches Wasser holen.




Samstag, 14. Juni 2014


Am Abend empfängt der Bremer Bahnhof die Leserin und mich mit einem Licht, das uns glauben macht, wir befänden uns auf einer ganz anderen Reise; mit dem Nachtzug nach Dharamsala oder so, die tiefe Abendsonne
an der Seite. Dharamsala liegt weit weg, es hört sich kostbar an. Wir haben uns in Picassos Welt der Frauen mit Pferdeschwanz-Malerei einweben lassen und so vieles schön gefunden: Die wunderbaren Keramiken, Teller mit Gesicht oder Fischen. Haben Buchläden besucht, die die Leserin vom Hörensagen kennt, in einem sitzt die innehabende Verlegerin noch persönlich am Tresen, die Leserin spricht sie aber nicht an. Ich kaufe etwas Science Fiction, ein irres Buch, das ich
nachts daheim noch anfange, in meinem friedlichen Bett, ohne Zeit, wie früher.

Wir essen Tapas mit Blick auf die Weser, direkt über unseren Schälchen hoch in der Platane ruht ein Taubennest, von dem ab und zu kleine Zweige herunterfallen. Wir bewundern die großen Backsteine der Altstadt-Häuschen und rufen uns Ereignisse ins Gedächtnis, die uns mit der Stadt verbinden. Eigentlich ist es der Fluss, alles andere erweist sich als vergänglich.

Wir beide brauchen Freundlichkeit, die Leserin hatte morgens im Zug noch weinen müssen, auch wegen Mama, der ihren, die langsam zerfällt. Ich streiche ihr über die Wange, gänzlich ohne Sentimentalität. Wir wissen, wie Trauer sich anfühlt.




Mittwoch, 11. Juni 2014
Damit ist nicht allein das Wetter gemeint, denn zeitgleich mit der Hitze und den ungehemmten Gewittern rastete die Mutter mal wieder aus. Heute wird sie nicht Mama genannt, sondern Alte Verbitterte Frau, eine, die ungehemmt böse Emotionen auf ihre Kinder abläd, Eifersucht, Neid, Wut, und immer wieder die Angst, ihre große Angst. Wie sie das Gesicht verzieht und mein Geschwister beschimpft, wie sie wirr vor sich herredet im Versuch einer Rechtfertigung, unhaltbar sinnlos, darauf folgen unsere Rechtfertigungen, es nimmt kein Ende.

So schlimm war es schon lange eine Weile nicht mehr.

Wenn ich es nur benennen könnte. Mitfühlen kann ich es, es ist kaum zum Aushalten. So muss Krieg sein, er findet immer noch in den Menschen statt – und hier in der Mutter. Angst, nicht genug zu bekommen, nicht geliebt zu sein, dass alles umsonst ist. Angst, so zu sterben.

Ich schaffe es nicht, Beobachterin zu bleiben, das Geschehen zieht mich mit solcher Macht hinein, mit seiner Sucht nach Aufregung.

Und wieder: sich selbst treu und gut zu sein, ist verboten.




Donnerstag, 5. Juni 2014
  • Wieder nicht mit dem schönen Patensohn durchgebrannt.
  • Dafür wiedermal mit der Busenfreundin gezankt. Und wieder nicht drauf gekommen, was da metaebene-mäßig eigentlich los ist. Sowas wie Einmischung in mein Leben mit Moralkeule? Da kann ich nur zurück- oder gleich abhauen.
  • Der See läd ein. Die anfänglichen 14 Grad kamen mir nicht so kalt vor wie die jetzigen 20.
  • Anregende Traumlandschaften. Abenteuerliche Neugebiete. Unbekannte Bilder.
  • Noch planlos des Sommers.
  • Am Arbeitstisch sitzen und keinen weiteren Gedanken nachgehen.
PS.: Die allerbesten Grüße gehen diesmal an die Leser von Ihrwisstschonwas.




Freitag, 30. Mai 2014
Ich mach jetzt auch in Büchern, und zwar in Bücher abstoßen. Meine erste Sammlung bestand aus 22 gut erhaltenen und halbwegs interessanten Exemplaren, für die mir momox knapp 65 Euro bezahlte. Eines war ein philosophisch-esoterisches von Wayne Dyer und brachte immerhin 17 Euro, kostete mich damals nur 12. Der Rest der Bücher fiel ordentlich ab. Taschenbücher bringen nur Groschenbeträge, über zweidrei Euro sind schon ziemlich viel. Trotzdem immer noch besser als ein Euro Stückzahl beim Antiquariat.

Die Qualität der Bücher im zweiten Paket war nicht mehr ganz so brilliant, schließlich behalte ich meine Lieblingsbücher und es waren nur noch einige Restschätzchen abzustoßen. Brachten 39 Euro für 31 Stück. Mehr Gutes hab ich jetzt auch nicht. Taschenbücher dürfen im Rücken keine Knicke haben und die Umschläge Gebundener keine auffallende Beschädigungen. Vieles reicht nur noch fürs öffentliche Bücherregal im Stadtteil.

Jetzt hab ich ein Fach frei und der Rest steht recht lose auf den Brettern und kippt zur Seite. Ordnung mach ich nächste Woche. Vielleicht auch mal Staub wischen. Ich erwäge die Anschaffung eines E-Book-Readers.




Donnerstag, 15. Mai 2014
Es ist betrüblich, wie wenig Geld ich für die CDs bekommen habe. Bei momox hab ich zuvor Preise angetestet, da gibt es bloß Cent-Beträge. Für Phil Collins und Alanis Morisette nichts bzw. die werden erst gar nicht genommen. Netter Versuch, lieber packe ich den Plastikkram in den großen Rucksack und versuch's damit beim nahegelegenen An- und Verkaufshaus. Nachdem der Mann hinter dem Blechtresen die Scheiben durchgesehen hat, krieg' ich 100 Euro auf die Hand. Ungefähr ein Viertel der CDs nehme ich wieder mit nach Haus, ich hab nicht gezählt. Den Rest stelle ich in einer Tüte an die Straße, nach knapp einer Stunde ist sie verschwunden.

Und mit ihr die Erinnerungen an eine Zeit. Heimliche Affäre mit dem Appetitlichen. Wollte ihm nah sein über die Musik. Nicht mit Herrn Collins oder Frau Morissette, das war noch vor seiner Zeit, aber mit dem Britpop-Zeugs. Wir beide seit ewigen Zeiten Beatles-Fans, sentimentale Gespräche über Texte und Melodien in der WG-Küche, nebst eifersüchtiger Busenfreundin. Da waren sie noch zusammen. Erst nachdem wir alle auszogen und jeder allein wohnte und etwas Ruhe eingekehrt war nach der bescheuerten Trennungsphase, kamen der Appetitliche und ich uns näher, diesmal auch körperlich. Eine dieser anstrengenden Liebesgeschichten, wenn man überhaupt von Liebe sprechen konnte. Zuneigung sicherlich, Begehren auch; aber die anderen Frauen in seiner Warteschleife machten mich fertig. Ich verkaufte mich deutlich unter Preis.

Hinzu kamen die Ausgaben für die CDs. Jetzt will ich nichts mehr davon hören. Wir hatten gemeinsame Lieblingsplatten, Travis, Blur, eine Zeit mit Aimee Man (wird die so geschrieben, ich hab nichtmal Lust nachzusehen). Einmal, die Sache mit den Keksen – es stellte sich heraus, dass da nicht nur Hasch drin war, wir hatten Writing to reach you als Schleife laufen. Stundenlang, und sehr laut. Arme Nachbarn. Durch die Kekse landeten wir wer weiß wo, das war nicht so richtig schön, tolle Farben zwar, am Ende eine Ernüchterung. Danach gingen wir ins Bett.

Von Chaos war die Zeit getränkt, aufregend durch die Heimlichkeiten, oft vergaß sogar ich uns, wenn wir mit den anderen unterwegs waren und nichts darauf hindeutete, dass wir ... naja, wie sagt man das jetzt – heimlich fickten, hört sich cool an, so als bedeutete das nicht viel. In Wahrheit war ich erschreckend süchtig danach. Eine erregende Mischung aus Aufmerksamkeit, guten Gesprächen, gemeinsamem Musikhören und Akte X schauen und dem unweigerlichen Aufeinandertreffen unserer Körper im zweiten Teil der Nacht.

Wenn er nicht bei mir war, gab es die Musik, die alle Gefühle nochmal hochkochen ließen. Vorranging waren das wohl meine eigenen Empfindungen – in dem romantischen Garten meiner Selbst wucherten sie vor sich hin, um sich bedürftig am Appetitlichen festzukrallen. Schrecklich. Aber so ist es wohl oft mit der Liebe. Alles bloß Projektion.

Musik und Gefühle hängen eng zusammen und die CDs, die ich nun an die Allgemeinheit zurückgegeben habe, waren Symbol und Ausdruck dieser oft so unseligen Mixtur. Jetzt sind sie weg. Behalten habe ich Beatles, Blur, Oasis, Graham Coxon und ein paar andere Perlen des Brit-Pop. Jene gefühlsunbelasteten Zeugen meines Lebens, als ich noch bzw. wieder ich selbst war. Passen in zwei Schubladen. Das ist echt schön.




Mittwoch, 7. Mai 2014
Die Lesung hatte mich sehr aufgewühlt. Zurück blieb ein Gefühl von Versagen und die Frage und was ist mit meinen Talenten? Ich las mich Stunden durch die alten Dokumente des Literaturforums, das ich damals mit den anderen, auch S. war dabei, vollgeschrieben hatte. Zwölf, fünfzehn Jahre ist das her. Es hatte eher die Funktion eines gemeinsamen Blogs, das sogenannte Gästebuch eines tatsächlichen Forums für Literatur. Als dies zu Ende ging, fing Neues an, mit dem eigenen Blog, jeder schrieb für sich. Ob das eine das andere ausgelöst hat, ist schwer zu sagen. Das Gästebuch besteht immer noch, die richtig guten Schreiber, wie S., tauchen dort aber nicht mehr auf. Zurück blieben z. B. G., der weiterhin mit seiner fast unerträglichen Penetranz das Geschehen dominiert und nur wenige andere, die noch lesbar sind.

Ich habe ungefähr zwei Jahre dort mitgeschrieben. Beim Durchscrollen und Suchen lese ich hauptsächlich meine eigenen Sachen, es wäre sonst viel zu viel, ich lese S. und auch Frl. Montez, die ich von damals kenne. Meine Texte sind größtenteils Tagebucheinträge der Reise in die große Stadt und beschäftigen sich mit den Erlebnissen, die mir eine unmögliche und zugleich äußerst romantische Liebschaft bescherte.

Wir Schreiber waren im Aufbruch, damals. Wir wollten hinaus mit unserem Geschriebenen, und dass die Welt nun lesen konnte, was unsere intimsten Gedanken waren, erregte jede/n gleichermaßen. Es entstanden Freundschaften, Liebes- und andere Arten von Beziehungen, genau wie das später unter den bekannten Bloggern üblich war (hab ich mir sagen lassen). Gut gesetzte Worte waren für mich große Schätze, und ich wäre zu Vielem bereit gewesen, würden solche Worte nur für mich erdacht.

Einige meiner eigene Sachen überraschten mich gestern beim neu Nachlesen. Wie gern hatte ich das Lob dafür entgegengenommen. Es war alles drin, Beobachtungsgabe, Frechheit und ein recht reichhaltiges Vokabular, mit dem ich mir Ausdruck zu schaffen vermochte. Und vielmehr noch: das Staunen.

Natürlich fällt einem das Staunen in einer südostasiatischen Metropole leichter als zuhause, wo man jeden Bordstein und jeden Mülleimer kennt. Dort aber sah alles anders aus, die Gesichter der Menschen, die langen Hochhäuser, das Licht, die Insel selbst, auf der das schroffe Leben vor sich hinlärmte. Und die Liebe, die mich mit ihrer Zartheit einfach umhaute, nie wieder so erlebt. Beinahe ein Dutzend Jahre ist es her, dass ich losfuhr und die Erinnerung ist immer noch verdammt leuchtend.

Wo ist das Staunen hin? Ist danach dergleichen nicht mehr passiert?

Als ich ein halbes Jahr später zurückkam, verunglückte eine Freundin, die Fahrerin, mit dem Krad und starb beinahe. Ich trug schwer daran und konnte noch weniger begreifen, dass ihr geliebter Bruder kurz danach wirklich starb, ebenfalls beim Motorradfahren. Ich musste mich losmachen, das Sterben ergründen und ebenso das Leben. Nach einigen odysseehaften Ausflügen in die Esoszene landete ich schließlich nach Monaten und Jahren bei den Yogis und studierte Philosophie – Vedanta, Tantra, die alten Schriften, Meditation und begegnete meinem Lehrer Swami V.

Ich hab das schon mal versucht zu erklären, Yoga ist eine Wissenschaft über das Bewusstsein (und kein Rumgehopse, das ist nur dazu da, den Körper geschmeidig zu halten) und ebenso eine Landkarte durch die Hindernisse, die einem auf dem Weg zur Erleuchtung begegnen. Die nicht unbedingt garantiert wird, die aber klare Definitionen besitzt. Diese Landkarte ist äußerst genau und wenn du sie benutzt und mit ihr nach Innen gehst, gibt es, zumindest theoretisch, keine Fragen mehr.

Keine Fragen. Irgendwann ist wirklich alles durcherklärt, durchnummeriert, verschlagwortet, eingeordnet und durchgequatscht. Jedes Problem, jede unangeneme und auch angenehme Gefühlsregung lässt sich zurückverfolgen auf ein paar wenige Konstanten, du gehst eher und lieber in die Beobachterposition als dich mit dem Durcheinander zu beschäftigen, das menschliches Sein so mit sich bringt. Das heißt nicht, dass es gar keine Beschäftigung damit gibt, aber die Sichtweise ist eine gänzlich andere, entferntere.

Es ist etwas traurig vielleicht eingestehen zu müssen, dass die yogische Sichtweise dich des Staunens berauben kann. Die Lust, sich auf Intensives einzulassen, schwindet, weil aller Voraussicht nach das Intensive nur aus bestimmten Gründen intensiv sein wird, die du im Vorfeld klärst und deshalb ein Einlassen unnötig oder sogar unmöglich machen. Das gilt sicher für die Liebe, die Menschen so als Liebe bezeichnen, aus Gier oder Eitelkeit betrieben, und solcher Grundgefühle mehr, die wiederum aufgelistet und durchgequatscht wurden bis auf die Knochen.

Was meine Texte von damals und auch die der Anderen auszeichnet, ist die Bedingungslosigkeit, mit der wir uns einlassen und schreiben. Wir waren bereit zu erforschen, was da ist und uns nicht ruhen lässt. Da wurde gefühlt, gelacht und geweint, auch gestritten und reingegrätscht, mit einer Eindringlichkeit, zu der ich heute einfach keine Lust mehr habe. Sie würde mir nämlich die Stille nehmen, nach der es mich noch mehr sehnt.

Stimmt das denn? Ist da kein anderes Sehnen mehr? Kommt das Staunen aus der Erfüllung der Sehnsucht?

Sicherlich, jene Liebe hat viele Aspekte meiner eigenen Sehnsucht stillen können und vielleicht auch die der geliebten Person, trotzdem blieb die Liebe begrenzt – örtlich, zeitlich, alles-lich.

Wenn ich jetzt nochmal darüber lese, erstaunt mich eines: mein Staunen. Du bist der stürmische Morgen, so ganz plötzlich wehst du zu mir herüber, du Eskimoauge mit dreieckigen Brauen darüber als Segel, du Wüstenwind, der fremde Gewürze bringt aus dem Norden, du sonnenstrahlendes Lachen, du südliches Kissen, um das ich mich schlinge und dessen Goldstaub auf mir liegt den ganzen Tag. Wir unentdecktes Land.