Donnerstag, 7. November 2013
Auf dem Gelände ist nach 100 Jahren Bauzeit nun Ruhe eingekehrt. Die Familien sind in ihre großzügig geschnittenen Lofts gezogen und von hier, wo wir unser täglich Brot erarbeiten, können wir durch ihre Südostvollverglasungen sehen, was sie so machen. Tagsüber machen sie nichts, denn sie sind gar nicht da, weil sie nämlich ebenfalls arbeiten müssen. Auf dem Hof wurden Bäume gepflanzt, Laternen installiert und Bänke aufgestellt, es gibt ein paar kleinere Rasenflächen und drüben eine Art Loungelandschaft aus Holz. Gestern konnte man eine Fotografin beobachten, die eines der Lofts im Erdgeschoss ausgiebig ablichtete, dazu war drinnen alles an Leuchtmitteln angeschaltet, was Deckenstrahler und … ach, ich weiß jetzt nicht, welche Namen teures Gelamp trägt, aber sicherlich ist alles vom Feinsten. Beim Vorbeigehen erblickte ich Parkettfußboden, Küchenzeilen und sehr gerade glatte Wände. Glatte Wände habe ich daheim ja nicht, aber was mich wirklich neidisch macht, ist Parkettfußboden. Ich hätte gern Parkettfußboden und dann würde ich endgültig alle meine Möbel verkaufen, damit möglichst viel davon zu sehen wäre.

Dieser Text heute führt zu nichts, aber so sind nun meine Gedanken. Neid und Geiz bzw. Gier. Denn ebenfalls denke ich darüber nach, dass ich für einen Bittstellerjob nicht geschaffen bin. Ich habe einen schönen großen Pflanzen-Fotokalender gestaltet und 60 Stück davon drucken lassen, und sehe mich nun vor der Aufgabe, die Menschen davon in Kenntnis zu setzen, damit Sie mir eines dieser Freude verbreitenden Objekte für 19,90 abkaufen – wenn Sie also wollen …? Der kleinliche Persönlichkeitsanteil grübelt nachts darüber nach, ob das eine sinnvolle Investition war, oder bloß eine bescheuerte Idee, der andere Teil glaubt daran, dass alles so seine Richtigkeit hat, ist an Zahlen (Geld) nicht interessiert und praktiziert Karmayoga: Am besten alle Kalender verschenken. Und? Hat doch Spaß gemacht! Spaß für 450 EUR netto, kleinlicht die andere Seite. Dann geh ich lieber noch sechsmal zur zweistündigen Ganzkörper-Massage, blabla und so weiter.

Für eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe habe ich mich beim Statistischen Bundesamt verpflichtet und führe nun Buch über meine Ausgaben. Ich finde es wichtig, dass wir armen selbstständigen Kreativen darin auftauchen. Alkohol 4,80 im September, ein Bier vom Kiosk und ein Glas Rotwein mit der Buddhistin. Aber im Café Frühstücken mit der Leserin oder allein schlägt mit über 100 Euro zu Buche, meine Güte, genausoviel wie die Einkäufe im Bioladen.

Da ist es gut, dass ich mir meine Klamotten jetzt selbst stricke, die Wolle für einen Pullover hat 20 Euro gekostet, die emsigen Arbeitsstunden natürlich nicht mitgerechnet. Bei meinem normalen Stundensatz müsste so ein Kleidungsstück über 1.000 Euro kosten. Ich glaube nicht, dass ich potentielle Kunden von diesem Preis überzeugen könnte. Vielleicht sollte ich aber mal gegenüber in den Lofts fragen. Ist ein Unikat, ihr wisst schon. Euer Fußboden hat mindestens das Zehnfache gekostet.