Topic: Schreiben
Es ist ein Drama mit den Geräten, wieder einmal ist das Grafikboard durchgeschmort, eine Fehlkonstruktion des 11er-Jahrgangs, einfach zu heiß. Ersatzteil gibt es nicht mehr, die Reparatur dauert, das Suchtverhalten aber lässt sich nicht so einfach abstellen, das neun Jahre alte Netbook ist zu langsam fürs flotte Surfen (Ladezeit von wetteronline ca. fünf Minuten), und jetzt sitze ich an einer Art Kindergerät mit Windows 10, angenehmer Tastatur, Touchscreen, Fingerkuppenerkennung und langer Batterielaufzeit für 200 Euro. Irgendwie toll. Wenn der Mac zurückkommt, werde ich ihn ausschließlich fürs Arbeiten nutzen und mit dem Kleingerät hier daddeln. So kann ich vielleicht noch ein paar Jahre hinauszögern, was mich ansonsten tausende Euro an soft- und hardware kosten würde. Der Browser edge ist natürlich quatsch und das windows erlaubt keine Installation von Fremdprogrammen, zu Ihrer Sicherheit, es sei denn, man löste diesen blöden Modus auf, und das ließe sich aber nicht rückgängig machen, alles klar. Ich tendiere sowieso zu Linux, aber dann geht die Garantie flöten.
Dann frag ich mich, warum muss ich auch dauernd online sein und alle fünf Minuten nach dem Wetter schauen? Wieso lauf' ich nicht durch den Rest-Sommer, schaue in den Himmel, wahlweise von einer Hängematte aus oder durch hochgewachsenes Gras, aus dem Grillen zirpen und Tautropfen perlen … und so weiter mit romantischen Vorstellungen einer rein analogen Zeit, die erst wieder zurückkommt, wenn der Strom ausfällt. Übrigens eine meiner Lieblingsvorstellungen von einer richtigen Apokalypse: Stromausfall. Noch vor Vulkanausbruch, Erdbeben, Meteroiteneinschlag oder Hochwasser.
Dann frag ich mich, warum muss ich auch dauernd online sein und alle fünf Minuten nach dem Wetter schauen? Wieso lauf' ich nicht durch den Rest-Sommer, schaue in den Himmel, wahlweise von einer Hängematte aus oder durch hochgewachsenes Gras, aus dem Grillen zirpen und Tautropfen perlen … und so weiter mit romantischen Vorstellungen einer rein analogen Zeit, die erst wieder zurückkommt, wenn der Strom ausfällt. Übrigens eine meiner Lieblingsvorstellungen von einer richtigen Apokalypse: Stromausfall. Noch vor Vulkanausbruch, Erdbeben, Meteroiteneinschlag oder Hochwasser.
akrabke | 11. August 2019, 11:18 | 0 Kommentare
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Topic: Einsatz

Der Bildhauer hat einige der Stecken erneut überstrichen, mittlerweile die vierte Schicht von schwarz über weiß und senfgelb zu diesem Blauton, heute beginnt der Aufbau der Ausstellung, die Busenfreundin ist auch dabei mit einem Objekt, das sie selbst nicht so richtig versteht, das finde ich irgendwie sehr lustig, auch kunsttheoretisch, und der Bildhauer und ich machen was Kindliches, als Künstler sind wir frei und müssen überhaupt nichts erklären, ich stelle mir jetzt schon wehende Stoffe unter Bäumen vor, man kann reinkriechen und sich verstecken, das ist doch toll. Gerade nach dem gestrigen, sehr bedrückenden Tag der Kindheitserinnerung brauche ich heute einen solchen Ort. Und E. hat uns angeboten, ihren Garten weiterhin als unser Refugium zu nutzen, welch angenehme Wendung.
akrabke | 05. August 2019, 10:35 | 0 Kommentare
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Topic: Nah
Neuerdings finde ich die Nachbarn sehr laut. Das Vorschulkind im Hof Richtung nordwest, aus dessen Mund, sobald es ihn öffnet, Laute herausströmen, also eigentlich immer; im Fünf-Minuten-Takt weint und schreit es auf mit dieser Kopfstimme, zankt sich mit Schwester und Eltern, und jedesmal bleibt mir das Herz stehen, und ich möchte aufspringen, hinlaufen und befehlen, das Kind doch mal nachhaltig zu beruhigen und nicht stundenlang auf Hochtouren laufen zu lassen. Aber wie ich’s auch drehe, ich wäre die intolerante Nachbarin, die Kindern keinen Spaß gönnt, wo sollen sie denn sonst spielen, wenn nicht im beschützten Hinterhof der architekturverwöhnten Mittelschicht, ihr Gartenteil hat sicher einen Preis gewonnen, ich solle doch bitte aufs Land ziehen, wenn’s mir zu laut ist in der Stadt, und wieso ich mich überhaupt einmischte in ihre Erziehung. Ach, ich hätte gar keine Kinder?
Des Nachts gegen zwei werde ich von weiblichem Aufgekreische und Gerumpel aus südwest geweckt, lass mich in Ruhe, kann ich nur raushören aus den schrillen Tönen, die den Hof füllen, es steigt und fällt das Gezanke, wie ich es nur zu gut kenne von damals, wieder rumpelt es, es werden Türen geschlagen, man hört große Verzeiflung heraus, die andere, leisere, ebenfalls weibliche Stimme versucht zu reden, zu beschwichtigen, das nährt nur weiter das Schreckliche der Situation, in einem anderen Haus erwacht weinend ein Kind, die Nachbarin unter mir im ersten Stock schließt ihr Fenster und rollt die Läden herunter, und so geht es eine halbe Stunde, bis alles wieder, genauso abrupt wie es begonnen hat, still ist.
Hätte ich mir gewünscht, dass die Nachbarn, alarmiert vom allmonatlichen Streiten meiner Eltern, die Polizei rufen? Hätte ich gewollt, dass ein Amt uns Schwestern herausnimmt? Wie ich als Kind zwischen meinen Eltern stand und aufhören, hört doch auf schrie, auch sie beide in ihren Grundfesten verzweifelt, zerrüttet, verhasst, und ich wusste nicht warum. Ich weiß es auch heute nicht. Ich kann nur annehmen, was aus ihren enggewordenen Herzen als Schrei entweicht, und wenn ich heute die kleine Mutter sehe, wie lieb sie ist, wie lieb die Pflegerinnen sie behandeln, Küsschen hier und ein zärtliches Streicheln da – sie ist jetzt eine vollständig andere Person und nichts erinnert mehr an die ausgestandenen Dramen, an ihr hexengleiches Gezeter und die Schläge ihres Mannes, die Dudi und mich trafen und alles blieb geheim, man durfte nicht drüber reden, das Nest nicht beschmutzen, was war das für ein Nest, das schon beschmutzt war, ehe es gebaut ward, ich weiß es ehrlich nicht –
Des Nachts gegen zwei werde ich von weiblichem Aufgekreische und Gerumpel aus südwest geweckt, lass mich in Ruhe, kann ich nur raushören aus den schrillen Tönen, die den Hof füllen, es steigt und fällt das Gezanke, wie ich es nur zu gut kenne von damals, wieder rumpelt es, es werden Türen geschlagen, man hört große Verzeiflung heraus, die andere, leisere, ebenfalls weibliche Stimme versucht zu reden, zu beschwichtigen, das nährt nur weiter das Schreckliche der Situation, in einem anderen Haus erwacht weinend ein Kind, die Nachbarin unter mir im ersten Stock schließt ihr Fenster und rollt die Läden herunter, und so geht es eine halbe Stunde, bis alles wieder, genauso abrupt wie es begonnen hat, still ist.
Hätte ich mir gewünscht, dass die Nachbarn, alarmiert vom allmonatlichen Streiten meiner Eltern, die Polizei rufen? Hätte ich gewollt, dass ein Amt uns Schwestern herausnimmt? Wie ich als Kind zwischen meinen Eltern stand und aufhören, hört doch auf schrie, auch sie beide in ihren Grundfesten verzweifelt, zerrüttet, verhasst, und ich wusste nicht warum. Ich weiß es auch heute nicht. Ich kann nur annehmen, was aus ihren enggewordenen Herzen als Schrei entweicht, und wenn ich heute die kleine Mutter sehe, wie lieb sie ist, wie lieb die Pflegerinnen sie behandeln, Küsschen hier und ein zärtliches Streicheln da – sie ist jetzt eine vollständig andere Person und nichts erinnert mehr an die ausgestandenen Dramen, an ihr hexengleiches Gezeter und die Schläge ihres Mannes, die Dudi und mich trafen und alles blieb geheim, man durfte nicht drüber reden, das Nest nicht beschmutzen, was war das für ein Nest, das schon beschmutzt war, ehe es gebaut ward, ich weiß es ehrlich nicht –
akrabke | 04. August 2019, 11:21 | 0 Kommentare
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Topic: Wasser
Was für eine Gnade, zwischendurch alles abwerfen zu können. Den Körper in eine aufrechte entspannte Haltung bringen und aufhören anzuhängen. Den Philosophen Jochen Kirchhoff – und durch Nennung seines Namens am Anfang des zweiten Satzes dieses Blogeintrages bekommt er eine Wichtigkeit, die er nicht haben sollte – habe ich am vierten Jahrestages des mahasamadhi des geliebten Lehrers zu hören und zu lesen begonnen. Mein Privatstudium – endlich ein Begriff, mit dem man die Vita auffrischen kann – hatte mich erst durch weltliche Themen getragen, auf einem Boot von Interesse, Ablehnung, dann wieder Wissbegierde treibend, wo ist rechts, wo links, und das weniger im politischen Sinn, backbord, steuerboard, eine Reise ins All, und der Philosoph hatte dazu die Landkarte. Und Sprache! Möglichst weit/fern von abgelutscht-esoterischen Begriffen versucht er eine Kosmologie des Geistes, des Bewusstseins. Hier wieder meine Freude an der Muttersprache, die das recht einfache Englisch des indischen Lehrers durch den Philosophen zu transzendieren scheint. (Ist das überhaupt ein sinnvoller Satz?) Der megatechnische Pharao als Widersacher des kosmischen Anthropos. Meine Güte. Ein Weltgefühl, das eine Verantwortung trägt/birgt. Während die vedantische Sicht die prakriti als maya, als Täuschung sieht, wertet sie sie ab, oder? Der Philosoph hingegen beschreibt den Kosmos als unendlich komplexes, ja bewusstes Gebilde. Und plötzlich wird aus Angst vor Leere Anbetung der Fülle – eine äußerst geschmeidige Umkehr des Blickes auf die Dinge, ein shift, aber dies ist auch schon wieder so ein durchgenudeltes Wort. (Swami antwortete auf meine Frage, ob man nicht auch in Betrachtung der Natur Erleuchtung erlangen könnte, das würde bedeuten, die Schöpfung über den Schöpfer zu stellen. Ich habe nicht antworten können, dass doch beides eines sei. Wir befanden uns inmitten des großen Disputes zwischen vedanta und samkhya.)
Und so ist dieser Sommer in vieler Hinsicht besonders. Endlich wieder normales Wetter, beschwört wetter-online, geil auf Drama. Ich weiß eigentlich nicht, was normales Wetter sein soll. Erinnerungen an heiße Nächte unter Laken, die die Mutter statt der Bettdecken bereitgelegt hat und trotzdem jammerten Dudi und ich im erhitzen Dunkel des Kinderzimmers. Straßen und Wege, vor denen unsere nacktgewohnten Füße zurückschreckten, die einzige Abkühlung vom Sprengding, unter dessen Regenbogen wir herumhopsten, und das Gras war eine große Pfütze nach Stunden der Freude. Die gemäßigten Zonen verschöben sich nach Norden. All diese Nachrichten – was für eine Gnade, zwischendurch alles abwerfen zu können. Den Körper in eine aufrechte entspannte Haltung bringen und aufhören anzuhängen.
Und so ist dieser Sommer in vieler Hinsicht besonders. Endlich wieder normales Wetter, beschwört wetter-online, geil auf Drama. Ich weiß eigentlich nicht, was normales Wetter sein soll. Erinnerungen an heiße Nächte unter Laken, die die Mutter statt der Bettdecken bereitgelegt hat und trotzdem jammerten Dudi und ich im erhitzen Dunkel des Kinderzimmers. Straßen und Wege, vor denen unsere nacktgewohnten Füße zurückschreckten, die einzige Abkühlung vom Sprengding, unter dessen Regenbogen wir herumhopsten, und das Gras war eine große Pfütze nach Stunden der Freude. Die gemäßigten Zonen verschöben sich nach Norden. All diese Nachrichten – was für eine Gnade, zwischendurch alles abwerfen zu können. Den Körper in eine aufrechte entspannte Haltung bringen und aufhören anzuhängen.
akrabke | 28. Juli 2019, 11:26 | 0 Kommentare
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Topic: gesehen
Für ein paar Wochen überlässt uns E., eine Künstlerkollegin des Bildhauers, ihren Schrebergarten. Wir sollen uns wie zu Hause fühlen. Aus einer Albernheit heraus planen wir, ihr jeden Tag mehrere dubiose Textnachrichten den Garten betreffend nach Schottland zu schicken. … man kann trotzdem noch drin wohnen. Oder mach dir jetzt bloß keine Gedanken, aber… Statt dessen erfreuen wir uns an dem Unperfekten ihres Gartenlebens, in das wir uns geschmeidig einfügen, wir finden alles wohlgeordnet und zur Hand, machen Feuer in der Schale, grillen Zucchini, rösten Kartoffeln und zupfen Mangold und Ruccola, und schlafen später dort, im kleinen Steinhaus. Für Stunden liege ich unterm Apfelbaum und schaue durch seine Zweige in den Himmel, ist es nicht ein Wunder, dass wir atmen und dass der Himmel blau ist, der Bildhauer streicht die Stecken senfgelb über (später rosa) für ein Kunstprojekt, das im August startet, ich darf allein über die Form entscheiden, das Konzept hat sich aus unseren jeweiligen Handgelenken schütteln lassen und ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als weiter und weiter mit dem geliebten Mann zu gehen, zu sehen, wohin sich unsere Ideen entwickeln.
Als Ganzes ist der Garten ein perfektes Kunstobjekt, es ist stimmig, von den fleckigen Gartenhandschuhen, die auf der Fensterbank liegen bis zum zerbrochenen Brett des mittigen Tisches, von den zentimeterdicken Brettchen, die das Besteck im Kasten voneinander trennen über den Kloverschlag, auf dessen vorliegende Kiesdecke man pinkelt und duscht, dorthin wird auch das Abwasser geschüttet, das Große aber kommt ins Plumsklo und wird mit einer Handvoll Streu bedeckt, in der Küchenecke gibt es einen Tresen, aus dessen grob von Hand ausgesägter Rundung heraus man Dinge beschickt. Verteilt ums Haus sind Sitzecken, eine entzieht sich vollständig den Blicken der Vorbeigehenden, eine andere schmiegt ein simples Brett neben den Anbau, während der große Tisch mitten im Garten unter den Bäumen allen Erscheinungen offen steht.
Im Detail ist die Anlage unordentlich und nicht sauber. Wir reden über das Nicht-Perfekte und wie viel wir davon aushalten können, auch in unseren Wohnungen. Ich denke an meinen vor Jahrzehnten schon zerfressenen Holzboden, noch immer verdächtige ich einige überlebende Tierchen unterm vom Vater geerbten Perserteppich, man möchte vielleicht auch mal ebene Wände haben, in denen ein Schräubchen hält, um ein Objekt ansehnlich zu drapieren, und hier im Garten wird ebenfalls keiner dieser Wünsche erfüllt, es ist alles irgendwie provisorisch, die 50er-Jahre-Steckdose wackelt in ihrer Befestigung und die Vierkanthölzchen, auf denen die Glasscheiben ruhen, auf denen wiederum die Ölflaschen und schöne Gläser stehen, sind grob mit weißer Farbe bestrichen und stehen über. Es ist schön hier. Wir halten es gut aus, das Nicht-Perfekte. Wir denken an Schöner-Wohnen, wo jedes Kissen und jedes andere Dings genauestens derart entworfen wurde, dass man damit angeben kann, da fällt mir ein, dass der stinkreiche Stiefvater des Bildhauersohnes uns eingeladen hat, seinen Stinkreichtum (Haus, Auto, Boot oder so) zu bewundern, dazu müssten wir nach Stuttgart fahren, was wir sofort dankend ablehnen, denn I don’t want to socialize with this people wie schon seinerzeit die Prinzessin erklärte, als wir eingeladen wurden, nach der Vernissage des Exmannes der Bestenfreundin noch zu bleiben, was für ein Gedankenschwenk nach HK, wo alle diese Leute–usw, ich bewunderte die Prinzessin für diesen selbstbewussten Entscheid, den ich ein klein bisschen bedauerte, denn gern hätte ich mit ihr händchenhaltend dem socializing beigewohnt.
In allem freigelassenen Nicht-Perfekten wohnt die Vergänglichkeit. Hier wird nicht gegenangeputzt, -gebastelt und -gefriemelt, hier werden einfach zwei Blecheimer unter den Wasserhahn gestellt und staubige Schuhe übereinander und wir laufen hin und her und machen Kräutertee oder Kaffee, und sitzen hier oder da und sehen ihr zu.
Als Ganzes ist der Garten ein perfektes Kunstobjekt, es ist stimmig, von den fleckigen Gartenhandschuhen, die auf der Fensterbank liegen bis zum zerbrochenen Brett des mittigen Tisches, von den zentimeterdicken Brettchen, die das Besteck im Kasten voneinander trennen über den Kloverschlag, auf dessen vorliegende Kiesdecke man pinkelt und duscht, dorthin wird auch das Abwasser geschüttet, das Große aber kommt ins Plumsklo und wird mit einer Handvoll Streu bedeckt, in der Küchenecke gibt es einen Tresen, aus dessen grob von Hand ausgesägter Rundung heraus man Dinge beschickt. Verteilt ums Haus sind Sitzecken, eine entzieht sich vollständig den Blicken der Vorbeigehenden, eine andere schmiegt ein simples Brett neben den Anbau, während der große Tisch mitten im Garten unter den Bäumen allen Erscheinungen offen steht.
Im Detail ist die Anlage unordentlich und nicht sauber. Wir reden über das Nicht-Perfekte und wie viel wir davon aushalten können, auch in unseren Wohnungen. Ich denke an meinen vor Jahrzehnten schon zerfressenen Holzboden, noch immer verdächtige ich einige überlebende Tierchen unterm vom Vater geerbten Perserteppich, man möchte vielleicht auch mal ebene Wände haben, in denen ein Schräubchen hält, um ein Objekt ansehnlich zu drapieren, und hier im Garten wird ebenfalls keiner dieser Wünsche erfüllt, es ist alles irgendwie provisorisch, die 50er-Jahre-Steckdose wackelt in ihrer Befestigung und die Vierkanthölzchen, auf denen die Glasscheiben ruhen, auf denen wiederum die Ölflaschen und schöne Gläser stehen, sind grob mit weißer Farbe bestrichen und stehen über. Es ist schön hier. Wir halten es gut aus, das Nicht-Perfekte. Wir denken an Schöner-Wohnen, wo jedes Kissen und jedes andere Dings genauestens derart entworfen wurde, dass man damit angeben kann, da fällt mir ein, dass der stinkreiche Stiefvater des Bildhauersohnes uns eingeladen hat, seinen Stinkreichtum (Haus, Auto, Boot oder so) zu bewundern, dazu müssten wir nach Stuttgart fahren, was wir sofort dankend ablehnen, denn I don’t want to socialize with this people wie schon seinerzeit die Prinzessin erklärte, als wir eingeladen wurden, nach der Vernissage des Exmannes der Bestenfreundin noch zu bleiben, was für ein Gedankenschwenk nach HK, wo alle diese Leute–usw, ich bewunderte die Prinzessin für diesen selbstbewussten Entscheid, den ich ein klein bisschen bedauerte, denn gern hätte ich mit ihr händchenhaltend dem socializing beigewohnt.
In allem freigelassenen Nicht-Perfekten wohnt die Vergänglichkeit. Hier wird nicht gegenangeputzt, -gebastelt und -gefriemelt, hier werden einfach zwei Blecheimer unter den Wasserhahn gestellt und staubige Schuhe übereinander und wir laufen hin und her und machen Kräutertee oder Kaffee, und sitzen hier oder da und sehen ihr zu.
akrabke | 26. Juli 2019, 09:32 | 0 Kommentare
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Topic: Einpunktigkeit
Ich bin jederzeit für eine gute Geschichte zu haben, denn ich bin ein neugieriger Mensch. Vielleicht erzählt man mir deshalb gern etwas. Allerdings behalte ich wenig davon für längere Zeit. Vielleicht merkt man das ebenfalls und muss um so intensiver auf mich einreden. Es scheint sich etwas Vertracktes herauszubilden – ich leide nämlich mit. Jedenfalls für eine Weile, ein paar Tage, mit uferlosen Grübeleien, manchmal auch Schuldgefühlen, vielleicht weil ich gegen Probleme nichts auszurichten vermag. Ich hab’ aber halt Meinung. Und die sag’ ich. Ich bin parteilich, vornehmlich auf der Seite der Schwachen.
Inside des Vertrackten erreicht mich gerade die Erkenntnis, dass die Schwachen gar nicht so schwach sind wie sie tun oder selbst glauben zu sein. Sie drehen sich bloß um sich selbst, und weil Gedrehe eine Art Gravitation erzeugt, ziehen sie jede Menge Krempel an – Probleme, Ansichten, Abneigungen – der naturgemäß schwächen muss.
Seit dem Wachwerden heute morgen bin ich damit beschäftigt, Freunde einzusortieren. Grob gesagt in zwei Schubladen, das ist erstmal übersichtlicher und dient dem einzigen Zweck, meine Grübeleien abzustellen, die sich mit deren Problemen beschäftigen, von denen ich glaube, sie selbst seien zu schwach sie zu bewältigen. Ein großer Quatsch, ich schreibe hier jetzt ins Unreine. Die Schubladen sind egozentrisch und selbstlos. Super. Die Egozentrischen passen wegen der Drehung und die Selbstlosen haben keinen Mittelpunkt. Ob das stimmt?
Natürlich nicht. Der Mittelpunkt jeder Selbstlosigkeit muss bindu sein, der Punkt, an dem alles entsteht und wieder zurückgeht. Eigentlich ist dieser Punkt der einzige, der mich interessiert, nicht der Punkt der Meinung, nicht der Punkt, den jemand macht, um zu überzeugen, nicht die ausufernde Geschichte eines ertragenden Leides. Vielleicht vergesse ich deshalb alle Geschichten so schnell, weil ich deren Punkt nicht begreifen kann. All diese ausführlichsten Dauergeschichten, denen ich Gehör schenke… Was ist der Punkt der Gärtnerin, die jedes Jahr mehrmals ihren Garten umgestaltet und dazu alle Pflanzen umsetzt? Was ist der Punkt von Dudi, die nun nochmal unsägliche Wohngemeinschaft eingeht? Was ist der Punkt der Kollegin, die seit einem Jahr den Ex-Partner in die Narzisstenschublade steckt und steckt und erläutert und Gelder ausgibt, die sie nicht hat? Was kann der Punkt der Busenfreundin sein, die in ihrer Messiewohnung feststeckt? Und wieso muss die Lieblingsgestalterin sich dauernd besaufen?
Worum geht es da?
Ich sollte aufhören, es herausfinden zu wollen. Ist nicht meine Angelegenheit. Ich weiß ja nicht mal, warum ich seit Tagen wieder um die Besuchszeit fürs Mütterlein feilsche, nach fünf Tagen, nach sechs oder sieben, da ist der Sonntag dazwischen, der Montag wäre schon der achte Tag, ist das denn so schlimm, wo sie mir doch sowieso kaum mehr Beachtung schenkt. Wo ist da der Punkt?
Inside des Vertrackten erreicht mich gerade die Erkenntnis, dass die Schwachen gar nicht so schwach sind wie sie tun oder selbst glauben zu sein. Sie drehen sich bloß um sich selbst, und weil Gedrehe eine Art Gravitation erzeugt, ziehen sie jede Menge Krempel an – Probleme, Ansichten, Abneigungen – der naturgemäß schwächen muss.
Seit dem Wachwerden heute morgen bin ich damit beschäftigt, Freunde einzusortieren. Grob gesagt in zwei Schubladen, das ist erstmal übersichtlicher und dient dem einzigen Zweck, meine Grübeleien abzustellen, die sich mit deren Problemen beschäftigen, von denen ich glaube, sie selbst seien zu schwach sie zu bewältigen. Ein großer Quatsch, ich schreibe hier jetzt ins Unreine. Die Schubladen sind egozentrisch und selbstlos. Super. Die Egozentrischen passen wegen der Drehung und die Selbstlosen haben keinen Mittelpunkt. Ob das stimmt?
Natürlich nicht. Der Mittelpunkt jeder Selbstlosigkeit muss bindu sein, der Punkt, an dem alles entsteht und wieder zurückgeht. Eigentlich ist dieser Punkt der einzige, der mich interessiert, nicht der Punkt der Meinung, nicht der Punkt, den jemand macht, um zu überzeugen, nicht die ausufernde Geschichte eines ertragenden Leides. Vielleicht vergesse ich deshalb alle Geschichten so schnell, weil ich deren Punkt nicht begreifen kann. All diese ausführlichsten Dauergeschichten, denen ich Gehör schenke… Was ist der Punkt der Gärtnerin, die jedes Jahr mehrmals ihren Garten umgestaltet und dazu alle Pflanzen umsetzt? Was ist der Punkt von Dudi, die nun nochmal unsägliche Wohngemeinschaft eingeht? Was ist der Punkt der Kollegin, die seit einem Jahr den Ex-Partner in die Narzisstenschublade steckt und steckt und erläutert und Gelder ausgibt, die sie nicht hat? Was kann der Punkt der Busenfreundin sein, die in ihrer Messiewohnung feststeckt? Und wieso muss die Lieblingsgestalterin sich dauernd besaufen?
Worum geht es da?
Ich sollte aufhören, es herausfinden zu wollen. Ist nicht meine Angelegenheit. Ich weiß ja nicht mal, warum ich seit Tagen wieder um die Besuchszeit fürs Mütterlein feilsche, nach fünf Tagen, nach sechs oder sieben, da ist der Sonntag dazwischen, der Montag wäre schon der achte Tag, ist das denn so schlimm, wo sie mir doch sowieso kaum mehr Beachtung schenkt. Wo ist da der Punkt?
akrabke | 12. Juli 2019, 09:06 | 0 Kommentare
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Topic: Nah
Wir haben schon mindestens 800mal herrlich gerufen, das Wasser ist herrlich, die Luft auch, und der Weg zum See und das Wetter mit seinen sonderbar kalten Nächten. Die künstlerischen Ideen sind’s, die Häkelarbeit, der Heimgarten, die Rosen, der Lavendel, die Kräuter, Himbeeren, Kirschen (man hat einen Kescher bereitgestellt, Sie können den auch ausfahren, dann kommen Sie oben besser ran), und die Mutter, die mich immer längere Weilen nicht erkennt, und ich naschen von allen Früchten, nehmen von jedem Kraut ein Blättchen und in jedes Knopfloch ein Lavendelstielchen, und dann lauschen wir dem grauen Plastikbrunnen, beobachten Bienen, die zur Tränke kommen oder sehen den Wolken nach und ich fühle mich das erste Mal seit vier (oder acht?) Jahren langanhaltend unbeschwert. Ich empfinde Dankbarkeit und Liebe, mir gehen vollständig die Gefühle über und ich bekomme eine Ahnung einer Zeit kindlicher Freude aus Vergangenheit und für die Zukunft.
akrabke | 04. Juli 2019, 11:24 | 0 Kommentare
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Topic: Klang
Ich hatte dies alles als mein persönliches Scheitern hingestellt. Es blieb nicht allein beim Schuldgefühl – das ja vielleicht so eine Art Schwelen bedeutet, an dem sich noch arbeiten lässt – nein, das Scheitern hat ganz andere Maße, es ist ein abgeschlossenes, endgültiges, unveränderliches. Für alle Zeit. Wie ich mir aneignete, das gar nicht meines ist. Wie die Mutter vor sich hinstarrt und ich denke, es hätte etwas mit meinem Fehlen zu tun. Wie ich versuche, es gut zu machen und wieder heil. Und wie ich nur langsam/langsam erkenne, dass das gar nicht geht. Möchte meinen, das sei klar, aber mir war das im tiefsten Herzen nicht klar.
Das Eigene. Das etymologische Wörterbuch zeigt dazu eine Reihe von verwandten Wörtern, von leibeigen, eignen über an- und enteignen. Ich möchte mich nun gerne enteignen. Ich eigne mich gut dazu.
Auf dem Balkon mit der Busenfreundin. Sie läuft hin und her, sobald ich was längeres sagen möchte, aus der Rufweite heraus, zum Kühlschrank, der im Arbeitszimmer steht, weil in der Küche kein Platz ist. Wieder versuche ich, ihrem Ansammelwunsch auf den Grund zu gehen. Man kann die Dinge noch benutzen, wieder- und weiterverwerten. Zu was, frage ich. Das Aufräumen des Elternhauses geht nicht voran, sie streitet sich mit ihren Brüdern, die ebenfalls undurchsichtige Leben führen mit unheilbaren Krankheiten oder Geldmangel bzw. gewissem Wohlstand, je nachdem. Ich versuche mich rauszuhalten so gut es geht. Es ist ja ihres. Zum Gefühl, zum ursprünglichen Bedürfnis des Sammelns gelangt sie nicht. Ich schon, es trägt zu meinem wilden Wunsch, mich zu enteignen, nur weiteres bei.
Das Eigene. Das etymologische Wörterbuch zeigt dazu eine Reihe von verwandten Wörtern, von leibeigen, eignen über an- und enteignen. Ich möchte mich nun gerne enteignen. Ich eigne mich gut dazu.
Auf dem Balkon mit der Busenfreundin. Sie läuft hin und her, sobald ich was längeres sagen möchte, aus der Rufweite heraus, zum Kühlschrank, der im Arbeitszimmer steht, weil in der Küche kein Platz ist. Wieder versuche ich, ihrem Ansammelwunsch auf den Grund zu gehen. Man kann die Dinge noch benutzen, wieder- und weiterverwerten. Zu was, frage ich. Das Aufräumen des Elternhauses geht nicht voran, sie streitet sich mit ihren Brüdern, die ebenfalls undurchsichtige Leben führen mit unheilbaren Krankheiten oder Geldmangel bzw. gewissem Wohlstand, je nachdem. Ich versuche mich rauszuhalten so gut es geht. Es ist ja ihres. Zum Gefühl, zum ursprünglichen Bedürfnis des Sammelns gelangt sie nicht. Ich schon, es trägt zu meinem wilden Wunsch, mich zu enteignen, nur weiteres bei.
akrabke | 28. Juni 2019, 09:23 | 0 Kommentare
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Topic: Klang
Der beliebte Tambour Phil Collins (Ex-Genesis) ist zur Zeit auf den Bühnen anzutreffen. Da ich bereits vor ca. 15 oder 20 Jahren auf einem seiner Konzerte war – das ist wirklich noch nicht sehr lange her – habe ich mir diesmal den Eintritt gespart, konnte ich ihn doch durch meine Wohnung wehen hören, so nah war er. Bei der Rückschau stellte ich mit wundem Herzen fest, dass das Musikerlebnis um Genesis bzw. Phil Collins – im Gegensatz zu den Beatles, die meine eigene Band sind – immer gefärbt war von obskuren Liebesgeschichten. Die schlimmste, an die ich mich erst gestern wieder erinnern konnte, fand im Länderaustausch D/NL statt; ich verknallte mich blindlings in einen guten Freund meiner Schwester. Es war Face Value, die Dudi über Stunden in Dauerschleife spielte, während ich auf das Ende des Abends/der Nacht wartete, in der ich G. ins Bett bekommen sollte. Es lief auf eine dieser qualvollen Dramen hinaus, die eine Weile typisch für mein Liebesleben sein sollten und hier nur kurz als hinter Männern herlaufen benannt werden kann. Then there were three wiederum bezeichnet jene unerquickliche, ähm Sache mit M., der sich sofort in die Bestefreundin verliebte, was ich aber erst später begriffen habe. Erst bei Duke wurde es besser, ich hatte die Platte (Jahre später) wegen des Covers gekauft, die Zeichnung gefiel mir. Bestes Stück Behind the lines.
Vieles wieder und neu gehört, Alben, clips und live-Auftritte bei utube – so verbrachte ich die kühle Mondnacht, die meine ganz eigene war.
Vieles wieder und neu gehört, Alben, clips und live-Auftritte bei utube – so verbrachte ich die kühle Mondnacht, die meine ganz eigene war.
akrabke | 16. Juni 2019, 11:01 | 0 Kommentare
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Topic: Einpunktigkeit
Meine Recherchen zum Thema wie leb’ ich ergaben Erkenntnisse. Festzustellen, dass dieser Planet von einer Horde Wilder bewohnt zu sein scheint, vertreibt mein Dauerschuldgefühl. Ich leb’ jetzt einfach. Dass man lügen kann durch Weglassen von Informationen bzw. keine Wörter finden für einen geahnten Zusammenhang, ist so als würde man mit dem blinden Fleck (im eigenen Auge) den Mond betrachten. Schon mal probiert? Sehr befremdlich. Man sieht das helle Strahlen, aber nicht den Mondkörper selbst. Das andere Auge hält man dabei geschlossen.
Ich habe nach Definitionen und ausführlichen Weltbildern schon immer gesucht. Die Yogaphilosophie hat feinst aufgefächert, was den Menschen in seiner Ganzheit von Körper und Geist ausmacht. Von vielen Dingen wissen wir nichts, wenn uns niemand davon erzählt. Als ich in jungen Jahren mit einem Buch der Krishna-Bewegung nach Hause kam, hat mein Vater mir verboten es zu lesen und es in seinem Bücherschrank versteckt. Vielleicht kann eine Fünfzehnjährige noch nicht begreifen, was die Erwachsene als das innere Wissen erkannte, das sie immer schon hatte. Das Studium der Gita und anderer Schriften hat mir eröffnet, wie universell ich bin. Ich bin ein Teil des Gesamten. Das allerdings äußerst komplex sich gestalten möchte.
Manchmal bleibe ich im Komplexen stecken, das regt mich dann sehr auf, doch irgendwann komme ich stets auf bindu zurück, den einen Punkt, auf den sich alles konzentriert und zurückläuft. Das ist schön. Das ist einfach. Es ist erholsam.
Und wahr.
Ich habe nach Definitionen und ausführlichen Weltbildern schon immer gesucht. Die Yogaphilosophie hat feinst aufgefächert, was den Menschen in seiner Ganzheit von Körper und Geist ausmacht. Von vielen Dingen wissen wir nichts, wenn uns niemand davon erzählt. Als ich in jungen Jahren mit einem Buch der Krishna-Bewegung nach Hause kam, hat mein Vater mir verboten es zu lesen und es in seinem Bücherschrank versteckt. Vielleicht kann eine Fünfzehnjährige noch nicht begreifen, was die Erwachsene als das innere Wissen erkannte, das sie immer schon hatte. Das Studium der Gita und anderer Schriften hat mir eröffnet, wie universell ich bin. Ich bin ein Teil des Gesamten. Das allerdings äußerst komplex sich gestalten möchte.
Manchmal bleibe ich im Komplexen stecken, das regt mich dann sehr auf, doch irgendwann komme ich stets auf bindu zurück, den einen Punkt, auf den sich alles konzentriert und zurückläuft. Das ist schön. Das ist einfach. Es ist erholsam.
Und wahr.
akrabke | 15. Juni 2019, 11:13 | 0 Kommentare
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