Nach all den Jahren frage ich mich noch, und jetzt wieder ganz frisch, was den massiven Selbstvertrauenseinbruch an der Seite des Geräuschemannes verursacht hatte. Gestern ein par Partyfotos auf der FB-timeline eines Freundes angeschaut, auf denen der Geräuschemann, fröhlich wie ein Kind, ebenfalls zu sehen war. Ich mochte seine Fröhlichkeit, vielleicht weil ich selbst nicht zu solcher Ausgelassenheit fähig bin, jedenfalls nicht in einer Runde Fremder, offensichtlich Angetrunkener.

Ich glaube, dass wir uns jeweils mit den Augen des anderen selbst sehen, vielleicht machen Liebende das sowieso, und auch prüfen. Das Bild von mir, wenn ich mit seinen Augen auf mich schaue, gefällt mir nicht sonderlich. Eine scheue, eher weinerliche Person, die seichte Freuden anhand der Großen Fragen der Menscheit stets kaputtdiskutieren möchte und diffuse Erkenntnisse daraus gewinnt, die vielleicht später, aber nicht jetzt, interessieren könnten.

Vielleicht später. Mein Gefühl war immer vielleicht später. Bis hin zu vielleicht lieben wir uns später, in der richtigen Weise. Vielleicht warte ich immer noch auf dieses vielleicht später. Vielleicht ist das das Drama, das ich brauche und nach dem ich süchtig bin.

Auf den Fotos betrachte ich diesen zarten, ausgelassenen Mann, der allerhand Grimassen schneidet und beim Tanzen mit den Händen in der Luft wedelt. Und immer noch spüre ich mein Herz beim Zusehen.

Allerdings – das Herz. Seit drei Tagen schlägt es plötzlich ruhig und kaum spürbar. Letztes Jahr im Winter fing es an zu stolpern, und jedes Aussetzen und rumpelnd wieder Einsetzen verursachte eine kurze, heftige körperliche Panik, eine Schrecksekunde, und so ging es das ganze Jahr, bei den Aktivitäten tagsüber weniger deutlich, aber dann abends im Bett, in der Ruhe, holperte und rüttelte es in seiner Höhle herum wie eingesperrt. Jede fünfte bis zehnte Systole ein Hammerschlag, der auf einer Art leeren angehaltenen Herzschlag folgt – seltsam, dieses Vorgehen angstfrei beobachten zu können.

Aber man stirbt ja nicht dran.

Die Ayurvedin, als ich sie auf die Rhythmusstörungen ansprach, hatte auf eine Herzenssache hingedeutet. Was könnte die sein? Der Geräuschemann lag Jahre zurück, der Esoteriker stiftete auch keine Verwirrung mehr. Vielleicht die Weissagung des indischen Astrologen eines very good man, a very good relationship, der ich unbewusst, so freudig erregt, entgegenwartete? Nun ist das Jahr seiner prophezeiten Erscheinung fast vorbei, und in den letzten zwei Wochen wird da wohl auch nichts mehr gewuppt werden können. Eine Art Einsicht.

Es ist so still, lege ich im Dunkeln meine Hand dorthin. Ich lausche lange, eine Stunde, zwei, bin hellwach. Es schlägt zart, das Herz, stark und ohne Angst. Seit Tagen schon finde ich nichts schöner, als allein diesem Herzen nachzuspüren.