Topic: Auf Reisen
Und wieder frag ich nach dem Mitgefühl, was mach ich dann damit? Erstmal vor allem Mitgefühl mit dir selbst, antwortet die Buddhistin geduldig wie immer. Im Lokal, in dem ich noch nicht war, gibt es Kürbisschnitzel, alle bekannten Gesichter aus dem Stadtteil sind anwesend. Lecker, also die Schnitzel, panierte Schnitze vom Kürbis. Mitgefühl für die Ablehnung und die Wut. Spüren, was da ist, nicht immer weglaufen davon mit Psychologisieren der Situation. Ich weiß, ich weiß doch, aber es ist notwendig, es wieder zu hören, damit man sich nicht im Leben anderer Menschen verirrt. Hier selbst ist genug zu verirren.

Das passt.
Am liebsten hätte ich die Wohnung leer, damit mein Geist auch leer sein kann. Eigentlich könnten alle Bücher weg, aber dann hätte ich ein großes leeres Regal. Und die CDs, alle weg, dann wäre auch das Board, das mein erster Freund K. mir aus Palettenholz geschreinert hat, überflüssig. Gewachste Planken, äußerst schlicht, nicht allzu tief für Taschenbücher, Gebundene konnte ich mir damals nicht leisten. Und der letzte noch zu überdenken gewesende Beutel mit Altkleidern ist nun auch im Container, bitte keine Stoffreste, steht drauf, naja, es ist ein kleiner Rest Seide aus China mit drin, lass ich so. Was könnte man nicht alles recyclen, die Freundin der Buddhistin schneidert Gegenstände, die schon ein jeder besitzt, jetzt soll sie einen Etui-Prototyp aus alten Mountainbikereifen herstellen, irgendwie stecken da zu viele Leute mit drin, der Mountainbikefahrer, der Initiator, die Designerin, die Näherin, 32 Euro, damit alle was davon haben. Viel zu teuer, befinden wir, so wird das nichts mit dem Recyclinggewerbe. Es gibt ja auch Leute, die aus alten Büchern Landschaften schnitzen oder Skulpturen, dazu wäre ich zu faul, ich bekomme ja nicht mal die Beine der Bank abgesägt, Säge besorgen, Schrauben für die Rollen suchen, Rollen festschrauben, Kram wieder einräumen.
Das ganze Rumgeräume geht mir auf die Nerven. Im Geist ist Unordnung. Eine Freundin der Busenfreundin hat fast gar keinen Besitz, einen Tisch, auf dem nichts steht, einen Herd mit wahrscheinlich einem Topf, einen einzigen, höchstens zwei Stühle, so genau weiß ich das nicht, aber imponierend die Leere in ihrer Wohnung konträr zu ihrer unglaublichen Verstörtheit. Mir kommt mein Wunsch nach Besitzlosigkeit selbst etwas seltsam vor. Als dürfte ich nichts besitzen, das mich unnötig bindet. Als würde ich mich verabschieden auf eine lange Reise mit kleinem Gepäck, von der ich möglicherweise nicht zurückkomme. Oder als hätte ich keine Zeit, noch groß sesshaft zu werden. Oder eine Art Mitgefühl für die Menschen im meinem Leben, nah oder etwas ferner, deren Lebenszeit übersichtlicher ist als die meine, erwartete.

Das passt.
Am liebsten hätte ich die Wohnung leer, damit mein Geist auch leer sein kann. Eigentlich könnten alle Bücher weg, aber dann hätte ich ein großes leeres Regal. Und die CDs, alle weg, dann wäre auch das Board, das mein erster Freund K. mir aus Palettenholz geschreinert hat, überflüssig. Gewachste Planken, äußerst schlicht, nicht allzu tief für Taschenbücher, Gebundene konnte ich mir damals nicht leisten. Und der letzte noch zu überdenken gewesende Beutel mit Altkleidern ist nun auch im Container, bitte keine Stoffreste, steht drauf, naja, es ist ein kleiner Rest Seide aus China mit drin, lass ich so. Was könnte man nicht alles recyclen, die Freundin der Buddhistin schneidert Gegenstände, die schon ein jeder besitzt, jetzt soll sie einen Etui-Prototyp aus alten Mountainbikereifen herstellen, irgendwie stecken da zu viele Leute mit drin, der Mountainbikefahrer, der Initiator, die Designerin, die Näherin, 32 Euro, damit alle was davon haben. Viel zu teuer, befinden wir, so wird das nichts mit dem Recyclinggewerbe. Es gibt ja auch Leute, die aus alten Büchern Landschaften schnitzen oder Skulpturen, dazu wäre ich zu faul, ich bekomme ja nicht mal die Beine der Bank abgesägt, Säge besorgen, Schrauben für die Rollen suchen, Rollen festschrauben, Kram wieder einräumen.
Das ganze Rumgeräume geht mir auf die Nerven. Im Geist ist Unordnung. Eine Freundin der Busenfreundin hat fast gar keinen Besitz, einen Tisch, auf dem nichts steht, einen Herd mit wahrscheinlich einem Topf, einen einzigen, höchstens zwei Stühle, so genau weiß ich das nicht, aber imponierend die Leere in ihrer Wohnung konträr zu ihrer unglaublichen Verstörtheit. Mir kommt mein Wunsch nach Besitzlosigkeit selbst etwas seltsam vor. Als dürfte ich nichts besitzen, das mich unnötig bindet. Als würde ich mich verabschieden auf eine lange Reise mit kleinem Gepäck, von der ich möglicherweise nicht zurückkomme. Oder als hätte ich keine Zeit, noch groß sesshaft zu werden. Oder eine Art Mitgefühl für die Menschen im meinem Leben, nah oder etwas ferner, deren Lebenszeit übersichtlicher ist als die meine, erwartete.
Topic: Auf Reisen
Gern hätte ich diesen Text Tagesflugzeug nach Zürich betitelt und eigentlich wollte ich mich darin ein bisschen über Nachtzug nach Lissabon auslassen, mittlerweile habe ich aber Buch-Frieden gefunden und werde von meinem ursprünglichen Plan, es nicht weiterzulesen, ablassen. Es sind ja die Stimmungen, in die ich gern auf Reisen eintauche, natürlich – hin und wieder eine Sehenswürdigkeit, die ja nicht umsonst als des Sehens würdig gepriesen werden. Wichtiger ist für mich aber immer das sich in der Stadt befinden gewesen. Empfinden, was die Stadt mit mir macht, welche Lüste sie auslöst und ob es ein Angenommensein gibt.


Die Eindrücke sind nachhaltig und erstaunlich resistent gegenüber dem Kackwetter zuhause. So als wäre dies hier nur eine Art Zeitblase oder ein Hologramm, ein lästiges zwar, aber einfach nicht wahr. Die Sonne über Lissabon war uns mehr als hold und heute früh ist mir wieder eingefallen, wie anders das Licht in den verschiedenen Gegenden unseres Planeten ist.


Was war heute für dich das Schönste, befragten wir uns allabendlich. Dass die Stadt mich angenommen hat, war mein Schönstes. Mich beschützt und genährt hat und mir Ein- und Ausblicke verschafft hat, die hoffentlich nicht so schnell verblassen. Architektonische und geologische Begebenheiten, Farben und Formen, letztlich Zeit, die sich an allem zu schaffen macht, Altes verfallen und Junges entstehen lässt. Dies ist nicht nur eine Kulisse, in der wir uns bewegen – ich habe das starke Gefühl, dass dies ein Zuhause sein könnte.




Die Eindrücke sind nachhaltig und erstaunlich resistent gegenüber dem Kackwetter zuhause. So als wäre dies hier nur eine Art Zeitblase oder ein Hologramm, ein lästiges zwar, aber einfach nicht wahr. Die Sonne über Lissabon war uns mehr als hold und heute früh ist mir wieder eingefallen, wie anders das Licht in den verschiedenen Gegenden unseres Planeten ist.


Was war heute für dich das Schönste, befragten wir uns allabendlich. Dass die Stadt mich angenommen hat, war mein Schönstes. Mich beschützt und genährt hat und mir Ein- und Ausblicke verschafft hat, die hoffentlich nicht so schnell verblassen. Architektonische und geologische Begebenheiten, Farben und Formen, letztlich Zeit, die sich an allem zu schaffen macht, Altes verfallen und Junges entstehen lässt. Dies ist nicht nur eine Kulisse, in der wir uns bewegen – ich habe das starke Gefühl, dass dies ein Zuhause sein könnte.


akrabke | 26. Mai 2013, 16:31 | 0 Kommentare
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Topic: Auf Reisen
Hier fällt es besonders auf, das Bartgetrage der Männer, sie heißen aber nicht Jan und Hein und Klaas und Pitt, sondern wohl eher Vasco da Gama oder so, weil wir sind in Lissabon, die Frau Montez und ich, in der alten Seefahrerstadt am Tejo und die wenigen Vokabeln, die wir mittlerweile beherrschen, reichen, um Galao zu bestellen und fürs obrigado. Und wenn mir das nicht mehr einfällt, stimme ich das schöne Sun King von den Beatles an, das dauert ein bisschen, bis ich zum Wort komme und manchmal ist es zu spät. Die Frauen sagen obrigada.

Während wir noch rätseln und wahrscheinlich nie wissen werden, wo welche Straßen aufgeschüttet und welche untergraben wurden, lebt die Stadt um uns rum und wir in ihr und erfüllt uns die Lust auf Sehens-, Hörens- und Erlebenswertes, macht uns abwechslungsweise nachdenklich oder froh oder anderes und wir finden die Stadt schlichtweg - schön. Und die Kacheln auch.


Während wir noch rätseln und wahrscheinlich nie wissen werden, wo welche Straßen aufgeschüttet und welche untergraben wurden, lebt die Stadt um uns rum und wir in ihr und erfüllt uns die Lust auf Sehens-, Hörens- und Erlebenswertes, macht uns abwechslungsweise nachdenklich oder froh oder anderes und wir finden die Stadt schlichtweg - schön. Und die Kacheln auch.

Topic: Auf Reisen
Ach Berlin, du grandiose Kulisse, du Menscheninsel und Vollwertbühne des kulturellen Allerlei, du Herzensbrecherin. Ich versuch's ja mit dir.

Wieder daheim treibt der Südwind den Güterbahnhof durchs Zimmer als wäre schon Sommer.

Wieder daheim treibt der Südwind den Güterbahnhof durchs Zimmer als wäre schon Sommer.
akrabke | 15. April 2013, 00:27 | 0 Kommentare
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Topic: Auf Reisen
Wir drehen den Strandkorb in die Sonne, mit dem Rücken zum Meer und der eisigen Nordbrise, unsere Gesichter bald rötlich erhitzt, erst ein Stündchen für zweifünfzig, dann noch eines, Cappucchino mit einem eingepackten Keks dabei, unser sogenanntes Wellnesswochenende beginnt nicht erst hier. Nach und nach entkleiden wir uns, hinter uns eine Frau schon im Bikini, wir erstmal der Mäntel entledigt, dann der Pullis, später Schuhe und Wollsocken, da vorn liegt noch überall Schnee, aber wir schwitzen. Erinnert mich ans Hochgebirge, wo barbäuchige Apres-Ski-Damen sich vor vier Meter hohen Schneewällen den ersten Sonnenbrand holen.
Das Meer in blau
Mit der Bestenfreundin ist es einfach und schön. Wir haben ähnliche Bedürfnisse und anfangs sogar noch hochtrabende Pläne, eine DVD im Bett oder vielleicht noch in die Sauna, es gibt im Gutshaus auch einen Vortrag über die Leber. Die Leber interessiert mich jetzt nicht so, aber morgens um sieben Yoga machen, vielleicht, sie klingt genauso wenig begeistert wie ich und die Leber.
Vegetarische Küche. Die ganze Gegend scheint vegetarisch und Stellshagen hat einen deutlichen Frauenüberschuss. Am vollgepackten Buffett drängeln sie sich zum Abendbrot mit den wenigen Männern, die langhaarig oder mit Bärten etwas deplatziert wirken, auch dabei ein dauerknutschendes, offensichtlich sehr frisch verliebtes Pärchen, über das ich (gerade ich) mich dauerlustig mache. Sie schafft das Essen an, steht dazu alle drei Minuten auf und küsst und hätschelt den Mann zum Abschied, er bleibt sitzen und wartet brav auf ihre Rückkehr und das, was sie anschafft.
Wir essen von allen Gerichten, was bedeutet, wir essen sehr viel. Alles ausnehmend wohlschmeckend, hübsch aussehend und in allerlei Farben, karottenorange, rotebeeterot, brokkoligrün, grünkernbällchenbraun, saucenbeige.
Als Abendgestaltung reicht uns das und um acht liegen wir probeweise schon mal im Bett und warten auf den Impuls zum DVD schauen, schließlich haben wir extra den Rechner mit. Der Impuls bleibt aus und es ist still. Danach ist es immer noch still, auch die Gedanken rasen nicht so wie sonst, einfach liegen, von draußen etwas Licht von der Gartenbeleuchtung und leise Geräusche, die mich kaum vom halbbewussten Traumgeschehen ablenken.
Dann schlafen wir endgültig ein.

Das Meer in blau
Mit der Bestenfreundin ist es einfach und schön. Wir haben ähnliche Bedürfnisse und anfangs sogar noch hochtrabende Pläne, eine DVD im Bett oder vielleicht noch in die Sauna, es gibt im Gutshaus auch einen Vortrag über die Leber. Die Leber interessiert mich jetzt nicht so, aber morgens um sieben Yoga machen, vielleicht, sie klingt genauso wenig begeistert wie ich und die Leber.
Vegetarische Küche. Die ganze Gegend scheint vegetarisch und Stellshagen hat einen deutlichen Frauenüberschuss. Am vollgepackten Buffett drängeln sie sich zum Abendbrot mit den wenigen Männern, die langhaarig oder mit Bärten etwas deplatziert wirken, auch dabei ein dauerknutschendes, offensichtlich sehr frisch verliebtes Pärchen, über das ich (gerade ich) mich dauerlustig mache. Sie schafft das Essen an, steht dazu alle drei Minuten auf und küsst und hätschelt den Mann zum Abschied, er bleibt sitzen und wartet brav auf ihre Rückkehr und das, was sie anschafft.
Wir essen von allen Gerichten, was bedeutet, wir essen sehr viel. Alles ausnehmend wohlschmeckend, hübsch aussehend und in allerlei Farben, karottenorange, rotebeeterot, brokkoligrün, grünkernbällchenbraun, saucenbeige.
Als Abendgestaltung reicht uns das und um acht liegen wir probeweise schon mal im Bett und warten auf den Impuls zum DVD schauen, schließlich haben wir extra den Rechner mit. Der Impuls bleibt aus und es ist still. Danach ist es immer noch still, auch die Gedanken rasen nicht so wie sonst, einfach liegen, von draußen etwas Licht von der Gartenbeleuchtung und leise Geräusche, die mich kaum vom halbbewussten Traumgeschehen ablenken.
Dann schlafen wir endgültig ein.
akrabke | 08. April 2013, 00:41 | 0 Kommentare
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