Ich kenne keine Person, die so schnell hochgeht wie S.. In Kombination mit K., ihrem Exfreund, der fast immer dabei ist, gewinnt das Geschimpfe noch an Kraft. Eigentlich könnten wir friedlich im Garten graben, aber dauernd muss S. den K. maßregeln. "Stell dein Glas nicht auf die Kante, das fällt sonst runter!" Oder "Wie oft habe ich dir schon gesagt, ... " und dann folgt unweigerlich etwas, was sie sich eigentlich sparen könnte, denn sie wird es ja schon oft gesagt haben, oder. Das erste Bier des Tages nehmen K. und ich gemeinsam, die Damen buddeln noch weiter, trotzdem gibt es einen Spruch von S., nicht an mich gerichtet, aber an K.. Vorsichtig spreche ich ihn drauf an, es ist überdeutlich, dass die beiden sich gegenseitig auf die Palme bringen, er mit seinem Gejammere, sie mit ihren Revanchen.

R., die jetztige Freundin von S., es hat also einen Wandel von Hetero- zu Homosexualität stattgefunden, nimmt es mit großer Gelassenheit, die nicht mal ich habe, obwohl ich ja zu den dreien weitaus entfernter stehe, als sie untereinander. K. lächelt aus seiner reichhaltigen Peinlichkeit heraus – welcher Mann lässt sich öffentlich schon gerne bloßstellen. Später am Zaun, als ich schon gehen will, erzählt mir R., dass K. in Abhängigkeit zu S. steht, er als Künstler verdiene kaum Geld, und sie bezahle ihm seine Lebensmittel. Ich staune. Dass sich jemand überhaupt auf sowas einlässt? Wir besprechen das hohe Aggro-Potential des Ex-Pärchens, ich wische mir den Schweiß aus der Stirn, denn eine Hitzewelle hat mich erfasst, die nicht allein vom Sonnenstand kommt, sondern weil ich die gegenseitigen Abhängigkeiten durchschaue, und das stresst mich, verdammt.

S. hätte sich nach K. ordentlich die Hörner abgestoßen, bevor die beiden Frauen zusammenkamen, das hatte R. schon mal so gesagt und ich frag mich, welche Hörner, sagt man das nicht bei Männern, das Horn, aber wir sind ja hier im lesbischen Umfeld, und da kenne ich mich nicht so aus. Als einziges Zugeständnis an die Emanzipation benutze ich mit großer Konsequenz die weibliche Form, das machen noch nicht mal alle Lesben (Lesbierinnen). Wie und an wem sich S. die Hörnchen (Hörnerinnen) abgestoßen hat, weiß ich nur zu gut: Praktisch an der halben weiblichen Bewohnerschaft dieses Hauses (in dem auch ich lebe, ich schrieb schon mal darüber. Seitdem hat S. hier Hausverbot.).

Lustig ist auch, dass sie wegen des Hundes oft an meine Bürokollegin gerät, der laut Vermieterin im Hinterhofgarten der Kollegin, an dessem südlichen Teil wiederum K. sein Atelier hat, frei laufen darf und sofort und ungebremst auf die hübsche Terrasse der Bürokollegin läuft, die Katzen verscheucht und ihnen das Futter wegfrisst. So klein ist die Welt. Da wechseln lustige Argumente ihre Besitzerinnen: Die Vermieterin hat mir aber erlaubt ... du hast aber den Hund nicht unter Kontrolle ... ach, die Katzen haben doch keine Angst ... und (zu mir) wenn die noch einmal, dann ... undsoweiter.

Tja, ich habe also Freundinnen, sie sich untereinander nicht ausstehen können, was sagt das über mich? Das stimmt nicht, ruft die Busenfreundin, als ich ihr davon erzähle, zum Beispiel, äh, wie heißt sie noch, die Gärtnerin finde ich süß und die Leserin mag ich auch. Dass die Leserin die Busenfreundin nicht sonderlich leiden kann, lass ich lieber unerwähnt.





Ich glaube, ich würde gemeinsame Gartenarbeiten mit dieser S. nicht sehr lange ertragen, ohne ihr anzudrohen, ihr die Schaufel überzubraten, wenn sie nicht augenblicklich mit diesem permantenten Gezetere und Gemeckere aufhört.

Sicher ist, dass ich das auf Dauer nicht unkommentiert lassen kann. Andererseits macht es einen seltsamen Spaß, dabei zu sein, so als Beobachterin, ich sehe mir die Mechanismen an und gewinne Erkenntnisse, die auch mit meiner Familie zu tun haben. In dieser Situation muss ich keine Angst haben, dass mir jemand die Schaufel überzieht.
Wir werden sehen, es ist ja noch Frühling. Ich bin einfach scharf auf die selbst gezogenen Möhren und Erbsen, und es gibt jede Menge Wildkräuter im Garten zu finden, mit denen ich mir gestern z. B. Linsenpfannkuchen gemacht habe. Unbezahlbar.

Freundinnen, die sich untereinander nicht ausstehen können - vielleicht heißt das, dass Sie mit sehr unterschiedlichen Menschen auskommen können?

Ja, das heißt es wohl, aber so wird das nie was mit 'ner lustigen Clique wie in der Beck's-Werbung.

Gibt's die Cliquen wie aus der Beck's Werbung überhaupt wirklich?

Eine zeitlang dachte ich das.

Jetzt muß ich doch fragen: was sind das für Cliquen? (Ich lebe werbebefreit unter einem Stein.)

Sie bestehen aus mehreren jungen Menschen beiderlei Geschlechts. Jeder ist gutaussehend und schlank und besitzt offensichtlich alle Attribute des Angenehmen. Sie unternehmen gemeinsam schöne Dinge, wie z. B. Segeltörns und trinken dabei ein bestimmtes Bier.
Es gibt anderes Bier, das von einem einsamen männlichen Wesen am Strand getrunken wird. Der braucht keine Clique und scheint auch ohne Segelschiff vollkommen zufrieden mit sich.
Beide Lebensformen streiten sich in mir. Für die Variante Einsamkeit gibt es ein blond-weibliches Gegenstück mit von Pillen induzierter Gelassenheit und Möve. Kann sein, dass der Mann auch eine Möve hat.

Ah. Perfektion im Rudel. (Macht mich unbehaglich (warum? wegen des Demonstrativen, des Aufforderungscharakters?); mh, dann wohl lieber Möwe.)
Klingt jedenfalls nicht nach etwas, was mit S. und K. zu machen wäre.

[edit: Ernsthaft, es gibt Pillenwerbung?]

Nee, aber die Garten-"Clique" hat Bier im Schrebergarten-Kühlschrank. Immerhin.
Pille mit Baldrian, oder Lavendel oder so. Ja, dazu 'ne Möve, die von oben runterkackt.