Der Berichterstattung halte ich mich weitestgehend fern. Im Stadtteil ist es ruhig, man geht sich aus dem Weg und lächelt freundlich, als wolle man sagen, das ist nicht gegen Sie persönlich gerichtet. Gestern Abend um sieben schallte Applaus (Ablaus schrieb ich erst) durch den Hinterhof, ich hatte von dieser Würdigungsgeste noch nichts gewusst. Werde heute Abend mitklatschen. Auf dem Wochenmarkt bietet eine Frau selbstgenähte Schutzmasken an, man kann sich mit der Bestellung den Stoff dazu aussuchen und am Ende des Markttages gegen eine Spende abholen. Trotzdem sieht man hier wenige, die Masken tragen. Der frisch getrennte Freund der Gärtnerin erkennt mich in der Schlange vorm Biostand und kommt mir zu nahe, als er auf Nachfrage erklärt, es gehe ihm nicht gut. Unwillkürlich drehe ich mich von ihm weg, ich möchte nichts hören.

Die Berichterstattung scheint mir einseitig und wenig geeignet, Panikgefühle zu lindern. Wie man Abwehrkräfte stärkt zum Beispiel oder Selbstheilungskräfte aktiviert, könnte man verbreiten. Was ist mit dem vielbeschworenen Superfood? Obst, Ölsaaten, Nüsse, frisches Gemüse, Hülsenfrüchte, Heilkräuter. Ingwer, Kurkuma. Vitamin C und D3. Kneippkuren. Es wird so getan, als würde der Virus wahllos vom Himmel fallen und jeden treffen, der im Weg rumsteht. Wo sind all die diese guten Stimmen, die zur gesundheitlichen Selbstvorsorge und -verantwortung aufrufen? Die Beschwichtiger werden allesamt gleich als Verschwörungstheoretiker niedergemeint. Sowieso ist vieles bloß Meinung. Man kann sich kaum davor schützen, auf eine reinzufallen. Eigentlich ist die aus allen Ecken kriechende Meinung der Virus. Ich hab ja auch Meinung.

Statt allem stromere ich mit dem Bildhauer durch Wälder und Flure, sammle Kräutlein, versuche, im Gespräch mit Freunden Zuversicht zu verbreiten. Dass der Frühling da ist, dass man im offenen Fenster die Sonne genießen kann, Lieblingsmusik hören, bunte Blumen in der Wohnung verteilen, all diese Dinge, die einem im Herzen froh machen und stärken; die Ruhe genießen, sich ein paar Leibesübungen hingeben, atmen, zu sich selbst kommen.

Und langsam mal wieder das Klopapier rausrücken.





"Es wird so getan, als würde der Virus wahllos vom Himmel fallen und jeden treffen, der im Weg rumsteht."

Es wird leider nicht nur so getan. Genau das tut so ein Virus, sei es ein Influenzavirus, sei es ein harmloses Schnupfenvirus. Wenn Vitamin C helfen würde, wäre die Menschheit schon lange schnupfenfrei. Es hilft nicht vor einer Ansteckung, so wenig wie Kurkuma oder Ingwer. Erwiesenermaßen: Man hat wissenschaftlich nichts unversucht gelassen, um Einflüsse herauszuarbeiten, die Ansteckungsrisiko und Verlauf einer Viruserkrankung beeinflussen. Herausgekommen ist dabei nicht viel mehr als: Wir wissen es nicht.

Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, daß manche Menschen sich weniger leicht oder gar nicht anstecken. Man hat Versuchspersonen mit einem erregergetränkten Stäbchen in der Nase mit den Füßen in kaltem Wasser eine Stunde vor sich hin frösteln lassen, davon blieben zahlreiche Probanden unbeeindruckt, während andere prompt den Schnupfen bekamen. Die Gründe sind unbekannt.

Sie könnten jetzt natürlich ausweichen und sagen, na ja, wer sich ansteckt, hat eben nicht genug Selbstheilungskräfte aktiviert. Aber eine solche Aussage ist zirkulär, weil sie das zu zeigende bereits voraussetzt.

Ich hätte schreiben sollen "... und jeden töten, der im Weg rumsteht". Denn so isses ja nicht.