Wie viel Kram sich angesammelt hat in gut fünf Jahren Bürogemeinschaft. Etwas verzagt sitzen wir inmitten von unauflösbaren Stapeln, die Bürokollegin und ich. Wie viele Ideen geboren wurden, und wie wenige davon umgesetzt wurden. Ich selbst war da nicht so umtriebig, aber die Kollegin kam mit immer neuen Einfällen und frischem Tatendrang – den sie jetzt, nach alldem, als reinen Angst-Aktionismus beschreibt. Von irgendwas muss ich doch leben, rief sie oft. Ernüchtert sind wir und letzte Woche hatten wir ein echtes Tief. Wir haben aber aufgepasst, dass wir uns nicht gegenseitig beschuldigen. Sind doch unsere Arbeiten thematisch und finanziell immer voneinander getrennt gewesen.

Gleichzeitig emfinden wir Erleichterung und sind froh über den Nullpunkt. Neu anfangen, sich nicht verzetteln (oder jemanden dabei beobachten müssen, wie er sich verzettelt). Ich freue mich auf meinen Arbeitsplatz in einer Ecke meines Wohnzimmers, erst muss ich noch daheim aufräumen und wegwerfen, damit die Büro-Bücher einen schönen Platz finden, es sind ja einige echte Schätze dabei.

Natürlich machen wir weiter, unsere Freundschaft ist nicht mit dem Büro zu Ende gegangen, dafür verstehen wir uns zu gut. Das vom Bürobetreiber verheißene Netzwerkeln hat auch hier nicht funktioniert, im vorigen Gebäude waren wir allesamt Frauen (in diesem Haus sollen ausschließlich Frauen die Chefinnen sein!), dort war das Zickenkrieg, was man hier im gemischtgeschlechtlichen Kreativzentrum eher Gleichgüligkeit nennen könnte.

Wir staunen weiter über die jungen Berufsanfänger, die glauben, mit ihrer Arbeit Berge versetzen zu können – so richtig Karriere wollen sie machen und ihr Hobby zum Beruf. Tatsächlich kann ich mich glücklich schätzen, denn mein Hobby ist mein Beruf, und ich kann allein gut davon leben, mit den wenigen Ansprüchen, die ich so habe. Was aber die Kollegin schon an Geld verbraten hat für ihre zwei Pferde; alles für ein bisschen Glück auf deren Rücken. Es fällt mir schwer das nachzuvollziehen.

Denn was braucht es wirklich zum Glück? Drachen steigen lassen, zum Beispiel, oder mit dem Bildhauer rumlachen. Am See in der warmen Sonne liegen und mit einem Zeh das Wasser testen. Haselnüsse sammeln. Wolken beobachten. Über staubige Felder spazieren. Nach Steinen suchen. Mit den Freundinnen quatschen. Ab und zu einen Kaffee. Selbstgemachte Süßigkeiten probieren. Nachts aufwachen und Geräuschen lauschen. Dem Herbst entgegensehen. Still sitzen, den Atem spüren.





Wahr! Mir geht in der letzten Zeit ähnliches durch den Kopf. Frage mich, in welchen Momenten ich meinen Herzschlag spüren kann und mit mir eins werde. Und auch, wenn's wirkt, als sei es ein Klischee: Es sind nicht die ganz großen Dinge.

Ja, ich hatte gestern bei Ihnen gelesen – schade dass Innehalten, Mußezeiten oder Meditation noch immer nicht Mainstream sind. Ich bin aber guter Hoffnung. Fast mein gesamter Freundeskreis besinnt sich zur Zeit neu, raus aus dem Trott und mit wenig Geld auskommen. Viel mehr Zeit für sich selbst, viel mehr Gelassenheit. Vielleicht ist es eine Frage des Alters (Sie sind einiges jünger als ich, oder?), irgendwann denkt man sich, das war doch jetzt nicht schon alles, oder?

Ich werde nächste Woche 38. Also, wie mir meine vierzehn Jahre ältere Cousine heute versicherte, "noch überhaupt kein Alter". Komisch, das sagen aber immer alle, die älter sind als ich.

Ich weiß nicht, vielleicht hat es damit zu tun, dass ich gerade wenig Kraft zur Verfügung habe. Ich merke, dass meine Ressourcen begrenzt sind (so wie das ja auch oft ist, wenn man älter wird). Aus den Zeiten, in denen ich immer stark sein und alles durchziehen wollte, bin ich raus. Ich merke, ich brauche Ruhe, und zwar nicht nur so mal nebenbei, sondern existenziell.

Vielleicht ist es wirklich so. Wenn man wenig Energie übrig hat, dann überlegt man sich dreimal, ob es Dinge wert sind, sich aufzuregen, was man sich schuldig ist und letzten Endes auch, wer man selbst eigentlich ist.