Donnerstag, 28. August 2014
Eine laute Nacht, es ist Südwind und wieder treibt er den Schienenverkehr direkt durch mein Schlafzimmer. Ich habe schon ein paar Stunden geschlafen, jetzt liege ich wach und denke. Vielleicht kocht der Bildhauer gerade wieder Linsen oder eine seiner Marmeladen. Ich möchte ihm gleichtun und so schreibe ich etwas, um mich nicht herumwälzen und auf einen nächsten Schlaf warten zu müssen. Donnerstag Nacht und noch ein Zug.

Die Bestefreundin war letzte Woche für ein paar Tage zu Besuch, ihr Jahresurlaub, wie sie witzelnd bestimmt und folglich machen wir Entspannung und an einem Nachmittag legen wir uns für zwei Stunden zur Thai-Massage auf die Matte. Endlich kann ich sie mal bekochen, und wir unternehmen lange Spaziergänge, sogar zum See, das Wasser ist wieder kälter, aber wir plätschern ein wenig rum und passen eine knappe Stunde Sonnenschein ab, die wir nackt auf dem Steg sitzend verbringen. Mir ist bei unseren endlosen Gesprächen etwas klar geworden. Seit langem sind wir beide auf einem ähnlichen spirituellen Weg. Im Frühjahr nun hatte ich mich selbst ermächtigt, mein Üben umzuwandeln, nach zehn Jahren ist aus dem Üben ein tägliches Tun geworden, sehr eindeutig, viel einfacher, so habe ich es mir immer gewünscht – dass die tägliche Praxis das Leben selbst sei. Ich möchte auch niemanden mehr überreden es mir nachzumachen, ich erkläre nichts mehr, das ist mir egal. Mit dem neuen Partner der Bestenfreundin ist es etwas kompliziert geworden, sie möchte etwas von ihm, nämlich dass er ihr gedanklich folgt und, knapp gesagt, seine eigene Spiritualität entwickelt, an ihrer Seite. Dass das ein unmögliches Unterfangen sei, versuche ich sie zu überzeugen und wir reden uns die Köpfe heiß. Ob ich denn mit dem Bildhauer nicht diese Dinge teilen möchte, will sie wissen.

Nein. Oder jedenfalls nicht so. Ich will nichts, das er nicht auch wollte, erkenne aber staunend eine große Konzentrationsfähigkeit in ihm. Wie er das Messer hält und die Binsen schneidet und zusammenlegt, wie er die Gräser schnürt und den Knoten vorsichtig bindet, wie er das Bündel berührt und durch seine Hände gleiten lässt – das ist bereits Meditation, wozu darüber reden, daran kann ich mich messen.

Hiller Moor, Blick gen Südsüdwest

Als ich früher in der Woche mit meiner Schulfreundin C. durch das Moor nahe der Heimatstadt wandere, finden wir etwas, das ich dem Bildhauer mitbringen könnte: Frisch gestochenen Torf, zwei Stücke nehme ich, eines heller, das andere fast schwarz. Er lacht, noch nie hätte ihm jemand Torf geschenkt! Später sehe ich es in einer silbergrauen Metallschale liegend, dazu ein Sträußchen hellgrünen Salbei, den wir gefunden haben, das sieht so schön aus!

Es ist etwas Seltsames an diesem Wollen, das sich an den anderen Menschen knüpft. Diesen anderen Menschen überhaupt ins eigene Leben zu wollen, ihn in der Nähe zu wünschen – da beginnt bereits die Beschränkung. Das Wollen ist die Beschränkung! Es engt den Blick für die echte Begegnung. Ich weiß nicht genau, wie man das hinkriegt, jemanden zu wollen, ohne ihn zu wollen. Wie das torlose Tor, das verschwindet, wenn man es durchgangen hat.
Wie man überhaupt wissen kann, was man will.