Es war mir ernst. Beinahe hätte ich, wenn es möglich gewesen wäre, meine Seele verkauft, um nochmal 17 zu sein. Mein Patensohn I. war zurück von seinem einjährigen Austausch in den Staaten. Wie erwachsen er geworden ist, und Tante Krabbe so, meine Güte hast du dich verändert, und wir liegen uns in den Armen, er ungefähr einen Kopf größer und ich fühl mich wie ein Mädchen.

Na klar, da ist viel Selbstdarstellung, auch bei den Freunden, die nach und nach zum Grillabend eintrudeln, hey Alter, hey Digga, I. schon fast mit Ami-Akzent, später reden sie nur noch englisch mit ebenfalls gerade Zurückgekehrten aus ähnlichen Ländern. Die Bestefreundin und ich begaffen die Szene, mehr oder weniger sprachlos. I.s Begeisterung ist sowas von ansteckend, ich würde mich gerne auch begeistern, ich würde mich gern in einen schönen Jüngling mit Mandelaugen und brauner Haut verlieben und alberne Sachen machen. Aber wir sind ja 35 Jahre älter und haben nichts zu melden, dafür essen sie unsere Bratwürste, unser Currygemüse und genießen die bereitgestellte Atmo.

So sitze ich mit beängstigendem Neid auf der Bank und halte die Füße ans Feuer, der Abend hinter uns ist kühl, aber der Geist rast und versucht, das Sehnen im Zaum zu halten. Vielleicht ein Bier? Die Bestefreundin versucht, Geschichten zu erhaschen, die ihr Sohn noch nicht erzählt hat. I. hatte in Amerika eine Freundin gefunden, auf Facebook konnten die mittlerweile tausend Freunde Bilder ihrer Zweisamkeit betrachten, jetzt nennt er sie schon Exfreundin, natürlich wird das alles zu Erzählenswertem verwurstet und die jungen Freunde übertreffen sich gegenseitig in ihren Berichten über das letzte Jahr.

Und was habe ich im letzten Jahr erlebt? Ich spüre, wie Lebendigkeit mich verlässt, während die Lücke zwischen ihren und meinen Erfahrungen sich krasser und krasser darstellt. Obwohl ich weiß, dass es in einigen ihrer Familien nicht sonderlich einfach hergeht, beneide ich, wie sie ihr Leben und ihre Jugend feiern mit tollen Haaren, hübschen Körpern und angeberischer Attitüde, die ich ein bisschen peinlich finde. Mit 17 war bei mir alles schrecklich und ich hatte Selbstmordgedanken. Und diese Jungs aber hier machen ihr Ding, I. und R. verdienen ihr Taschengeld mit Straßenmusik, treffen ihre Kumpels, trinken – sie sind richtig cool und offensichtlich scheren sie sich um nichts, die Ferien sind noch lang und das Leben heißt sie sowas von Willkommen. Ich würde gerne mitmachen, die tolle Tante Krabbe sein, statt dessen bin ich sehr still und fühle mich unendlich einsam.

Meine Verrückung ebbt dann gottseidank langsam ab. Die Bestefreundin und ich reden jetzt doch flüsternd miteinander, ich schildere ihr meine verwirrenden Gefühle, sie schiebt sie wieder zurecht, setzt sie auf realen Boden, von dem ich vor Verblendung schon abheben wollte. Es sind einfach Leben. Dort ihres, dies meines.

Erfahrungen.





Wenn Sie versucht hätten, mitzumachen, um die tolle Tante Krabbe zu sein, hätten die Jungs sie wahrscheinlich gar nicht toll, sondern eher etwas peinlich gefunden. ;-)

Sicherlich ;)

Mit 17 war auch ich ein verunsicherter Teenager, der nicht annähernd wusste, wer er war und wohin er gehen wollte. Wie Sie, und vermutlich wie so gut wie alle Teenager heute und damals. Die Energie, das zu verbergen ist wohl bei dem ein oder anderen größer als bei dem ein oder anderen. Alta. Und unbeschwerte Momente gab es damals auch für uns, manchmal. Gibt es auch heute, oder?

Unbeschwerte Melancholie, ja ;)

Sie schreiben mir aus der Seele.

Weil Sie auch einen schönen mandeläugigen Patensohn haben, mit dem Sie evtl. durchbrennen würden?
;)

Ein 17jähriger, der seinem Onkel wie aus dem Gesicht geschnitten war. In den Onkel bin ich in jungen Jahren sehr verliebt gewesen, der Neffe hat mich später für einen Moment in große Verwirrung gestürzt...aber ich konnte mich selbst relativ schnell zur Ordnung rufen.

Was bleibt, ist dann nicht mal der Traum, sondern nur eine kleine Idee im Herzen des was wäre wenn.