Montag, 1. Juli 2013
Juli ist ein schönes Wort. Mein Geburtsmonat. Es sollte Sommer sein. Statt dessen habe ich mit B., der Fahrerin, daheim in Decken gehüllt auf dem Sofa gesessen, bei Keksen und Tee. Die Fahrerin fährt allerdings nicht mehr Motorrad, seit sie vor zehn Jahren einen Unfall hatte, der ihr beinahe das Leben nahm. Trotzdem ist sie für mich die Fahrerin, ich habe sie praktisch in Lederklamotten kennengelernt, durch sie bin ich zum Motorradfahren gekommen und sie ist meine zweitlängste Freundin, seit der elften Klasse, die meine zweite Elfte war, weil ich sie wiederholen musste wg. Buchführung sechs.

Sie ist neben der Buddhistin (und mir und, naja, der Ayurvedin) eine der wenigen, die ich kenne, deren Weltsicht den Grundsatz der Reinkarnation beeinhaltet und ihr Handeln entsprechend ausrichtet – eine Übende. Innerhalb weniger Tage erklären mir beide Freundinnen, dass sie hoffen, dieses Leben möge ihr letztes sein. Sie hätten vieles gesehen und erlebt und nun erkannt, dass Wünsche nur zu weiteren Wünschen und somit zu Leid führen (das ist jetzt die absolute Kurzform von karma) und dass es kaum mehr Verlockungen für beide gibt, die eine möchte bloß etwas mehr Geld (Ich will mehr Geld, ruft die Buddhistin von der Bank, auf der wir sitzen, in den Park hinein), die andere einen guten Mann, mit dem Sie sich auseinandersetzen kann. Da ist noch die Bestefreundin, die gern Klavier spielen könnte, in diesem Leben stellen sich ihre Hände und Finger in Zusammenarbeit mit den Gehirnfunktionen derart ungeschickt an, dass sie es aufgegeben hat. Also wiederkommen.

Mich berührt das sehr. Ich weiß, dass sie nicht von depressiven Gedanken verfolgt werden oder suizidgefährdet sind, denn ich bin wie sie – wir haben einfach keinen Wunsch, das alles nochmal von vorn zu machen. Geboren werden, aufwachsen, die üblichen Probleme, das übliche Sehnen, das übliche Erreichte und das Glück darüber, die üblichen Ängste, alles zu verlieren, den tatsächlichen Verlust. Wir sehen in jedem Anfang bereits das unweigerliche Ende. Wir sehen Vergänglichkeit voraus. Jeder gescheite Mensch sollte das tun. Jeder gescheite Mensch sollte in großen Zeiträumen denken. Im Sinne des Reinkarnationsgedankens könnte man sagen, wir haben das alles schon gehabt und sind schlicht überdrüssig.

Swamiji spricht in seinen gita-lectures über die sechs prerequisites, die ein adhikarin vervollkommnet haben muss, bevor er den final body verlassen und direkt in Brahman aufgehen kann. Das Besitzen von Eigenschaften und Qualifikationen ist adhikara.

Krishna erklärt Arjuna, obwohl dieser ordentlich dagegenhält, dass und warum er diese Bedingungen für sanyasa (dem Entsagen der Welt) nicht erfüllt, und was noch zu tun ist, nämlich mit vollständig ausgerichtetem Geist entsprechend seines dharmas handeln, als Krieger kämpfen, und entweder sterbend den Himmel oder im Diesseits die Herrschaft über das Volk erlangen.

Six prerequisites of sanyasa: (lt. Swamiji)

  1. Dispassion to the fruits of worldly actions, also to next life
  2. the knowledge that the atman is something other than the gross body
  3. that the turbulences of the mind have been so pacified, that desires no longer arise
  4. that the desires arise but are controlled
  5. not having greed
  6. forbearance
Ob eine von uns diese Anforderungen erfüllt, lässt sich nicht sagen. Es gibt Gradationen, an einem Tag kochen die Wünsche hoch, an einem anderen Wut und Ungeduld. Und oft auch Verzagtheit. Wenn ich mir meine Freundinnen so anschaue, bin ich trotzdem guten Mutes, was unser Ziel betrifft.

Buchführung kann ich jetzt jedenfalls.