Topic: gesehen
Der Abendspaziergang führt mich zu den nahen Auen. Hier ist alles irgendwie stadtnah, auch die Natur. Manchmal fühle ich mich wie in einem riesigen liebgemeinten Zoogelände für Menschen -- die vielen Kaninchen, die vor mir ins Gebüsch zurückhoppeln, zeigen mir aber, dass gesorgt ist für alle Wesen, die hier siedeln. Auf meinem Weg gibt es Brücken, Alleen, Wehre, Mündungen -- ich gehe hier oft, aber im Jahreslauf ergibt sich stets ein neuer Blick, jetzt, Ende Juli, steht das Gebüsch hoch, die Pfade sind zertreten und trocken, die vielen, damals frisch aufgebrochenen Maulwurfshügel flach und steinern unter meinen dünnen Sohlen. Je später ich losgehe, umso weniger Menschen treffe ich. Um sechs Uhr ist noch viel Lärm am Spielplatz, der auch für Erwachsene Übungsgeräte und Reckstangen bereitstellt, an der belebten Skaterbahn, und vorn sitzen zwei junge Frauen auf einer Decke und halten ihre Zigaretten so wie ich mir rauchende Frauen im Großreich Persien vorstelle, ich lächele breit und sage etwas zu ihnen, das sie nach einem Moment der Unsicherheit zurücklächeln lässt.
Jetzt, später am Tag, ist es stiller dort. Es ist noch so warm, dass ich sofort schwitze, ich mache aus dem Gang eine Übung im Gehen, Schritt für Schritt, den Rücken gerade, die Schultern zurück. In der Allee blickt man zur Rechten über einige Kiesteiche, ich sehe die Schwäne, noch liegen all die umgestürzten Baumriesen des Orkans vor einigen Jahren wie ausgestellt. In einem anderen Jahr gab es dieses Hochwasser, als mein Bildhauer auf dem Gelände des Rittergutes ein Objekt zeigen konnte, einen Nachbau des Laubenvogels, das komplett im Wasser versank. Der kleine Bach, über den ich jetzt gehe, hatte damals die gesamte Gegend überschwemmt, die Busenfreundin blies ihr Paddelbot auf und fuhr mit den Kindern der Adligen (des Rittergutes) über die Wiesen des Gutes, die grün und saftig unter der Wasseroberfläche schimmerten, bis am nächsten Tag alles oll und matschig wurde und nach weiteren Tagen einen üblen Gestank verbreitete. Erst später begriff ich, dass es der Geruch von Aas war, von ertrunkenen Tieren in ihren Erdhöhlen, die mit der schwärenden Pampe vermischt als unguter Odem um das Rittergut zogen und uns den Aufenthalt verekelten.
Das Wasser stand so hoch, dass sogar das kleine Deichtor geschlossen wurde, durch das ich mit meinem Mütterlein oft spazieren fuhr. Vom Deich aus wies ich ihr Richtung Wiese, Weg und Brücke, alles war nurmehr ein einziger See, wo wir vorher die Störche hatten klappern hören. Ob sie es damals schon nicht mehr begriff, wo wir waren, weiß ich nicht.
Mein Weg geht weiter zum Stadtsee, es gibt einen Kiosk, an dem ich manchmal ein Eis kaufe, über den See nach links der Blick zum Rathaus, Tretboote, die aussehen wie Autos, ich kann mit diesem Ort nicht viel anfangen, einmal bin ich mit dem Mütterlein ins Schiff gestiegen und fragte den Kapitän, wohin fahren Sie denn, er sah mich belustigt an und entgegnete, wohin soll's denn gehen, eigentlich wollte nur ich wissen, wo überall er hält, und ob ich mit dem Mütterlein und ihrem Rollstuhl hier wieder zurückkomme.
Auf dem zeitlichen Scheitelpunkt des Gangs befindet sich das Wehr. Soeben las ich, dass es 1928 gebaut wurde, und dann 2019 erneuert, das hatte ich verfolgt, jetzt sind die Flächen begrast, die Treppe für die Paddler installiert, auf der Schräge des Ablaufs picken Enten an wässrigem Grün, der Haufen angeschwemmten Holzes des damaligen Hochwassers hat sich gesetzt und ist mit langen Grashalmen bewachsen. Ich finde es schön, dass niemand es wegräumt, vielleicht eine zükünftige Landzunge, ich war bei ihrem Entstehen dabei.
Der Rest des Weges ist praktisch neu. Der Asphaltbelag ist neu, wunderbar glatt, ich bin dort als Erste gegangen, als er schwarz glänzte und die Absperrungen noch standen. Das Erdreich war frisch gefurcht, jetzt ist es bewachsen mit mannshohen Pflanzen und später gehe ich am neuen Statteil vorbei, die Architektur der Wohnanlagen gefällt mir, man sieht auf den Fluss von Balkonen herab, gegenüber alte Häuser aus der Gründerzeit, die Brücke, die in meinen Stadtteil führt, rechts davon das hohe alte Backsteingebäude, danach die schlimme Bausünde der 70er, vielleicht einen Kilometer nach Westen, alles zerfällt dort, Investoren streiten sich mit der Stadt, es sieht aus wie nach dem Krieg.
Fast bin ich Zuhause, muss nur noch vorbei an diversen Ristorantes, die auf Bürgersteigen rechts und links Essen bereitstellen, der Durchgang ist schmal, Servicepersonal mit Masken, ich quetsche mich ohne vorbei, es macht alles gar keinen Sinn.
Wenn man Geburtstag plant, aber keine Gäste einlädt, hat man Bier und Wein im Überfluss. Im Laufe dieses Textes habe ich zwei große Biobiere genossen und bin jetzt halbwegs betrunken. Gut, dass die Batterie des Rechners hält, so muss ich nicht aufstehen und evtl. torkeln. Die Nachbarn höre ich von hier aus der Küche, es ist ein entspanntes Lachen, das tut mir gut nach all dem Quatsch der Welt, den ich immer noch höchst aufmerksam verfolge.
Jetzt, später am Tag, ist es stiller dort. Es ist noch so warm, dass ich sofort schwitze, ich mache aus dem Gang eine Übung im Gehen, Schritt für Schritt, den Rücken gerade, die Schultern zurück. In der Allee blickt man zur Rechten über einige Kiesteiche, ich sehe die Schwäne, noch liegen all die umgestürzten Baumriesen des Orkans vor einigen Jahren wie ausgestellt. In einem anderen Jahr gab es dieses Hochwasser, als mein Bildhauer auf dem Gelände des Rittergutes ein Objekt zeigen konnte, einen Nachbau des Laubenvogels, das komplett im Wasser versank. Der kleine Bach, über den ich jetzt gehe, hatte damals die gesamte Gegend überschwemmt, die Busenfreundin blies ihr Paddelbot auf und fuhr mit den Kindern der Adligen (des Rittergutes) über die Wiesen des Gutes, die grün und saftig unter der Wasseroberfläche schimmerten, bis am nächsten Tag alles oll und matschig wurde und nach weiteren Tagen einen üblen Gestank verbreitete. Erst später begriff ich, dass es der Geruch von Aas war, von ertrunkenen Tieren in ihren Erdhöhlen, die mit der schwärenden Pampe vermischt als unguter Odem um das Rittergut zogen und uns den Aufenthalt verekelten.
Das Wasser stand so hoch, dass sogar das kleine Deichtor geschlossen wurde, durch das ich mit meinem Mütterlein oft spazieren fuhr. Vom Deich aus wies ich ihr Richtung Wiese, Weg und Brücke, alles war nurmehr ein einziger See, wo wir vorher die Störche hatten klappern hören. Ob sie es damals schon nicht mehr begriff, wo wir waren, weiß ich nicht.
Mein Weg geht weiter zum Stadtsee, es gibt einen Kiosk, an dem ich manchmal ein Eis kaufe, über den See nach links der Blick zum Rathaus, Tretboote, die aussehen wie Autos, ich kann mit diesem Ort nicht viel anfangen, einmal bin ich mit dem Mütterlein ins Schiff gestiegen und fragte den Kapitän, wohin fahren Sie denn, er sah mich belustigt an und entgegnete, wohin soll's denn gehen, eigentlich wollte nur ich wissen, wo überall er hält, und ob ich mit dem Mütterlein und ihrem Rollstuhl hier wieder zurückkomme.
Auf dem zeitlichen Scheitelpunkt des Gangs befindet sich das Wehr. Soeben las ich, dass es 1928 gebaut wurde, und dann 2019 erneuert, das hatte ich verfolgt, jetzt sind die Flächen begrast, die Treppe für die Paddler installiert, auf der Schräge des Ablaufs picken Enten an wässrigem Grün, der Haufen angeschwemmten Holzes des damaligen Hochwassers hat sich gesetzt und ist mit langen Grashalmen bewachsen. Ich finde es schön, dass niemand es wegräumt, vielleicht eine zükünftige Landzunge, ich war bei ihrem Entstehen dabei.
Der Rest des Weges ist praktisch neu. Der Asphaltbelag ist neu, wunderbar glatt, ich bin dort als Erste gegangen, als er schwarz glänzte und die Absperrungen noch standen. Das Erdreich war frisch gefurcht, jetzt ist es bewachsen mit mannshohen Pflanzen und später gehe ich am neuen Statteil vorbei, die Architektur der Wohnanlagen gefällt mir, man sieht auf den Fluss von Balkonen herab, gegenüber alte Häuser aus der Gründerzeit, die Brücke, die in meinen Stadtteil führt, rechts davon das hohe alte Backsteingebäude, danach die schlimme Bausünde der 70er, vielleicht einen Kilometer nach Westen, alles zerfällt dort, Investoren streiten sich mit der Stadt, es sieht aus wie nach dem Krieg.
Fast bin ich Zuhause, muss nur noch vorbei an diversen Ristorantes, die auf Bürgersteigen rechts und links Essen bereitstellen, der Durchgang ist schmal, Servicepersonal mit Masken, ich quetsche mich ohne vorbei, es macht alles gar keinen Sinn.
Wenn man Geburtstag plant, aber keine Gäste einlädt, hat man Bier und Wein im Überfluss. Im Laufe dieses Textes habe ich zwei große Biobiere genossen und bin jetzt halbwegs betrunken. Gut, dass die Batterie des Rechners hält, so muss ich nicht aufstehen und evtl. torkeln. Die Nachbarn höre ich von hier aus der Küche, es ist ein entspanntes Lachen, das tut mir gut nach all dem Quatsch der Welt, den ich immer noch höchst aufmerksam verfolge.
akrabke | 23. Juli 2021, 23:34 | 0 Kommentare
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