Dienstag, 16. September 2014


Wie viel Kram sich angesammelt hat in gut fünf Jahren Bürogemeinschaft. Etwas verzagt sitzen wir inmitten von unauflösbaren Stapeln, die Bürokollegin und ich. Wie viele Ideen geboren wurden, und wie wenige davon umgesetzt wurden. Ich selbst war da nicht so umtriebig, aber die Kollegin kam mit immer neuen Einfällen und frischem Tatendrang – den sie jetzt, nach alldem, als reinen Angst-Aktionismus beschreibt. Von irgendwas muss ich doch leben, rief sie oft. Ernüchtert sind wir und letzte Woche hatten wir ein echtes Tief. Wir haben aber aufgepasst, dass wir uns nicht gegenseitig beschuldigen. Sind doch unsere Arbeiten thematisch und finanziell immer voneinander getrennt gewesen.

Gleichzeitig emfinden wir Erleichterung und sind froh über den Nullpunkt. Neu anfangen, sich nicht verzetteln (oder jemanden dabei beobachten müssen, wie er sich verzettelt). Ich freue mich auf meinen Arbeitsplatz in einer Ecke meines Wohnzimmers, erst muss ich noch daheim aufräumen und wegwerfen, damit die Büro-Bücher einen schönen Platz finden, es sind ja einige echte Schätze dabei.

Natürlich machen wir weiter, unsere Freundschaft ist nicht mit dem Büro zu Ende gegangen, dafür verstehen wir uns zu gut. Das vom Bürobetreiber verheißene Netzwerkeln hat auch hier nicht funktioniert, im vorigen Gebäude waren wir allesamt Frauen (in diesem Haus sollen ausschließlich Frauen die Chefinnen sein!), dort war das Zickenkrieg, was man hier im gemischtgeschlechtlichen Kreativzentrum eher Gleichgüligkeit nennen könnte.

Wir staunen weiter über die jungen Berufsanfänger, die glauben, mit ihrer Arbeit Berge versetzen zu können – so richtig Karriere wollen sie machen und ihr Hobby zum Beruf. Tatsächlich kann ich mich glücklich schätzen, denn mein Hobby ist mein Beruf, und ich kann allein gut davon leben, mit den wenigen Ansprüchen, die ich so habe. Was aber die Kollegin schon an Geld verbraten hat für ihre zwei Pferde; alles für ein bisschen Glück auf deren Rücken. Es fällt mir schwer das nachzuvollziehen.

Denn was braucht es wirklich zum Glück? Drachen steigen lassen, zum Beispiel, oder mit dem Bildhauer rumlachen. Am See in der warmen Sonne liegen und mit einem Zeh das Wasser testen. Haselnüsse sammeln. Wolken beobachten. Über staubige Felder spazieren. Nach Steinen suchen. Mit den Freundinnen quatschen. Ab und zu einen Kaffee. Selbstgemachte Süßigkeiten probieren. Nachts aufwachen und Geräuschen lauschen. Dem Herbst entgegensehen. Still sitzen, den Atem spüren.