Sonntag, 13. Oktober 2013
Und wieder frag ich nach dem Mitgefühl, was mach ich dann damit? Erstmal vor allem Mitgefühl mit dir selbst, antwortet die Buddhistin geduldig wie immer. Im Lokal, in dem ich noch nicht war, gibt es Kürbisschnitzel, alle bekannten Gesichter aus dem Stadtteil sind anwesend. Lecker, also die Schnitzel, panierte Schnitze vom Kürbis. Mitgefühl für die Ablehnung und die Wut. Spüren, was da ist, nicht immer weglaufen davon mit Psychologisieren der Situation. Ich weiß, ich weiß doch, aber es ist notwendig, es wieder zu hören, damit man sich nicht im Leben anderer Menschen verirrt. Hier selbst ist genug zu verirren.

Das passt.

Am liebsten hätte ich die Wohnung leer, damit mein Geist auch leer sein kann. Eigentlich könnten alle Bücher weg, aber dann hätte ich ein großes leeres Regal. Und die CDs, alle weg, dann wäre auch das Board, das mein erster Freund K. mir aus Palettenholz geschreinert hat, überflüssig. Gewachste Planken, äußerst schlicht, nicht allzu tief für Taschenbücher, Gebundene konnte ich mir damals nicht leisten. Und der letzte noch zu überdenken gewesende Beutel mit Altkleidern ist nun auch im Container, bitte keine Stoffreste, steht drauf, naja, es ist ein kleiner Rest Seide aus China mit drin, lass ich so. Was könnte man nicht alles recyclen, die Freundin der Buddhistin schneidert Gegenstände, die schon ein jeder besitzt, jetzt soll sie einen Etui-Prototyp aus alten Mountainbikereifen herstellen, irgendwie stecken da zu viele Leute mit drin, der Mountainbikefahrer, der Initiator, die Designerin, die Näherin, 32 Euro, damit alle was davon haben. Viel zu teuer, befinden wir, so wird das nichts mit dem Recyclinggewerbe. Es gibt ja auch Leute, die aus alten Büchern Landschaften schnitzen oder Skulpturen, dazu wäre ich zu faul, ich bekomme ja nicht mal die Beine der Bank abgesägt, Säge besorgen, Schrauben für die Rollen suchen, Rollen festschrauben, Kram wieder einräumen.

Das ganze Rumgeräume geht mir auf die Nerven. Im Geist ist Unordnung. Eine Freundin der Busenfreundin hat fast gar keinen Besitz, einen Tisch, auf dem nichts steht, einen Herd mit wahrscheinlich einem Topf, einen einzigen, höchstens zwei Stühle, so genau weiß ich das nicht, aber imponierend die Leere in ihrer Wohnung konträr zu ihrer unglaublichen Verstörtheit. Mir kommt mein Wunsch nach Besitzlosigkeit selbst etwas seltsam vor. Als dürfte ich nichts besitzen, das mich unnötig bindet. Als würde ich mich verabschieden auf eine lange Reise mit kleinem Gepäck, von der ich möglicherweise nicht zurückkomme. Oder als hätte ich keine Zeit, noch groß sesshaft zu werden. Oder eine Art Mitgefühl für die Menschen im meinem Leben, nah oder etwas ferner, deren Lebenszeit übersichtlicher ist als die meine, erwartete.