Mittwoch, 7. August 2013
Durch die mit Atropingaben weit geöffnete Iris beleuchtet die Augenärztin mir des Augapfels Rückwand. Im Plural, weil es ja zwei Augen sind, in die sie hineinschaut: Durch die weit geöffneten Irissen … der Augäpfel Rückwände, was sich nicht sehr geschmeidig anhört, auch der Satz davor eigentlich nicht. Dies soll jetzt auch kein Text über Netzhäute werden, die Ärztin ist jedenfalls zufrieden und sie bescheinigt mir, dass die Netzhaut beider Augen kräftig sei, meine Befürchtungen über geplatzte Äderchen, die von ihrer neuen Kollegin, bei der ich vor zweidrei Wochen war, noch geschürt wurden, wischt sie hinfort. Sieht zwar dramatisch aus, sei aber harmlos. Ich mag sie vielmehr als die Andere, Jüngere; ihre vorherige ältere Kollegin ist nicht mehr da, vielleicht ein Zerwürfnis, vielleicht auch sie gestorben wie Angeler an Böschungen, ich hielt beide für ein lesbisches Pärchen (Lesbierinnen), die gemeinsam eine hübsche Augenarztpraxis eröffnet hatten und darüber gealtert waren, auch das Gebäude aus den 70ern zerfällt etwas, das Treppenhaus nicht mehr ganz so vorzeigbar und, so lese ich auf einem Zettel an der Pinnwand, man will Ende des Jahres in einen anderen Stadtteil ziehen, mal sehen, wer dann noch in meine Augen schauen wird, ich mag ja dieses Licht- und Linsengetue, und bei bestimmter Beleuchtung kann man die eigenen Äderchen sehen, die auf irgendeine Art zurückgespiegelt ins eigene Sichtfeld projeziert werden und von der Mitte aus, der Macula lutea wegfließen wie zarte Bächlein, die sich früh tausendfach verzweigen.

Wir führen noch ein Gespräch über Fliegende Mücken im Glaskörper, daselbst ein dunkler Klumpen so manches Mal meine Sicht stört, aber auch jene harmlos und altersbedingt bzw. bei Kurzsichtigen schon früher auftauchend.

Später liege ich auf dem Sofa und beglotze meine schwarzen Pupillen, ein bisschen unheimlich der Anblick, als mein Ex-Mitbewohner H. aus der J.-Straße anruft, um einen verspäteten Geburtstagsgruß zu übermitteln. Seit Jahren nicht miteinander gesprochen, er hat ja diese Freundin, die eifersüchtig über ihn wacht und er gesteht, dass er keine Bekannten mehr hat außer uns, der alten WG und den Schwimmfreunden. Was soll das Hängen am Alten, pflegt sie ihn aus der Welt zurückzuhalten, und sorgt so dafür, dass neue Freunde sich nicht einfinden können. Das Telefonat freut mich, trotz der Altfreundschaft, immerhin hatte er mal was mit meiner Schwester Dudi, die er sehr gern wieder gesehen hätte, er konnte aber nicht zum Geburtstagspicknik erscheinen – wahrscheinlich hat sie, die Partnerin, ihn davon abgehalten, füge ich in Gedanken hinzu und er tut nichts daran auszuräumen, dass es nicht so hätte gewesen sein können.

Die Qualität des Tages aber ist durch nichts zu erschüttern. Kräftige Netzhaut. Daran halte ich mich für die nächsten Stunden und bin zufrieden.

Und jetzt folgt noch eine kurze Liste der Sachen, die heute froh machen:
  1. Kaffeertinken allein mit Zeitung, gedruckte Zeitung, so höre ich, wird in ein paar Jahren zum Luxusartikel
  2. Weiterhin: Kräftige Netzhaut
  3. Das Arbeitspensum
  4. Kühle Luft
  5. Karottenkuchen zum Mittag
Fliegende Mücken mal anders gesehen: Mouches Volantes