Mittwoch, 24. Juli 2013
Eine Reihe besonderer Tage. Geburtstag im Park mit launigen Freundinnen, jede bringt was zum Essen mit, und viel Gelächter. Wie meine Schwester die Pistole unseres Großvaters aus dem ersten Weltkrieg über die holländische Grenze schmuggelt … BB-Bad Bentheim. Wie Schildkröte Elke über die Wiese zu uns geschlendert kommt und herzhaft ein Stück Melone verspeist, hat er zur Pflege, ruft der junge Mann zu uns rüber, ja-ja, malen wir uns die Großmutter aus: "Mit Elke habe ich mir damals schon den Opa geangelt." Nackte Beine, leckere Speisen und nach acht Stunden sah das dann so aus:


Guru Purnima, ein spirituelles Fest zum Julivollmond, nicht nur um die Gurukraft zu ehren, auch die Schüler dürfen sich feiern für ihre unermüdlichen Anstrengungen auf dem steinigen Pfad zur Selbsterkenntnis. Hinterher Bier mit der Buddhistin.

Verabredungen treffen. Freundschaften genießen. Schwimmen im See. Die Kresse beobachten. Schlafen bei geöffneten Fenstern und Türen, Windhauch auf der Haut.


Vertrauen haben. Nichts wollen, Ruhe finden.




Dienstag, 25. Juni 2013
  • Morgenübung und noch eine Mala länger sitzen bleiben.
  • Kaffee trinken, Zeitung lesen und sich ums Feuilleton rangeln.
  • Das Lächeln, das ich zurückbekomme, als ich den lieben Mann wiedersehe und ein sehr breites Lächeln nicht unterdrücken möchte kann.
  • Vorfreude auf die Arbeit – vorerst zwar eine rein technische Angelegenheit, aber sagte ich nicht, ich liebte das Frickeln?
  • Vor der Arbeit etwas schreiben.
  • Erleichterung wegen der Beendigung des Rührstücks "Lass uns ein Buch machen". Die Bürokollegin hat mir gestern beim Formulieren der Mail geholfen, damit ich nicht ins Jammerige abgleite.
  • Dass ich gesund bin, der Geist klar und das Herz viel lichter.




Donnerstag, 30. Mai 2013
Ich jetzt auch. Fieberträume mit dem deutlichen Gefühl, dass der Körper aus acht Teilen besteht, wovon sieben unter der Decke sind, der achte, der Kopf, schaut raus, und der trägt eine fesche Mütze. Warm genug.


Gut, dass um die Ecke eine Pasteleria ist, hola, der Inhaber weist stolz auf sein Lissabon-T-Shirt mit Tram drauf, er freut sich, dass mir die Stadt so gut gefallen hat, jetzt gibt's zwei Pastel (oder Pastei?) de Nata und eine Ziegen-Gewürzmilch mit Zimt, Gelbwurz und Ingwer. Dann nochmal schlafen. Obrigada.




Mittwoch, 1. Mai 2013
In der Nähe hatte ein neues Café eröffnet. Vorn am Tresen gibt es Kuchen im Glas und hinten im Garten hält ein immergrüner Baum die mittlerweile sehr warme Sonne vom Glühen ab. Das Croissant ist knusprig, selbstgemachtes Gelee dazu, der Cappucchino schön heiß, genauso so hatte ich mir den ersten Maivormittag gewünscht. Die Inhaberin rüselt noch ein wenig herum, legt Sitzkissen auf und Decken bereit, die heute sicherlich niemand benötigen wird, stellt Blumentöpfchen und Zucker auf die Tische. B., die Gärtnerin hat das Grafik- und Webdesign gemacht und hat statt Honorar lebenslang Freiessen.

Und trotzdem, es fehlt was. Es fehlt immer was. Nicht hier im Cafégarten, sondern mir. Innendrin. Das Außen ist sowieso nicht beherrschbar, immer gibt es zu tun, ist das eine erledigt, kommt gleich die nächste Forderung, es folgt hektisches Tun, mit der Erwartung danach werde sich endlich eine Gelegenheit ergeben, den Geist völlig zu entspannen und neu auszurichten. Was nicht gelingt. Auf dem letzten Yogaseminar im April konnte ich Swami (wieder mal) danach fragen, warum es so schwierig ist, den Geist im Unendlichen zu halten und das Weltliche so verlockend. Swami antwortet gewöhnlich, dass die Yogaphilosophie seit 5000 Jahren versucht, das Problem zu ergründen und dafür (oder dagegen) Übungen bereit hält. Maya. In einer Richtung des Yoga ist es nur die Maya, die Leiden bringt und in der nichts Bestand hat, in einer anderen ist die Maya und das rechte Handeln in ihr gleichzeitig jenes, das uns von ihr befreit. Kurz gesagt. Das alles hat natürlich unendlich viele Ebenen, Beschreibungen mit speziellem Vokabular und ist – tatsächlich nicht mal so eben begreifbar. Yoga ist nichts weniger als die Landkarte des menschlichen Geistes, aber auch nicht mehr. Reisen müssen wir selbst.

In der Luft liegt Verliebtsein. Ich höre Stimmen und Laute aus den umliegenden Häusern, freundliche Lebensäußerungen, Musik, angenehme Mann-und-Frau-Geräusche, wohlwollend, noch etwas verschlafen, ich stelle mir fremdes Verliebtsein vor, oder etwas, das ich damals für Verliebtsein hielt. Nach einigen schönen und anderen eher unangenehmen Liebeserfahrungen hatte ich mich in den letzten Monaten vorläufig vom Thema verabschiedet. Die Gleichzeitigkeit von Freude und Leid in der Liebe hatte ich endlich begriffen und trotzdem wollte (und will) ich sie so nicht hinnehmen. Dann lieber allein sein, die Zeit mit Freunden, Arbeiten und Reisen genießen, aber alles Nahe sollte mir besser fern bleiben.

Auf Grund von Äußerlichkeiten, die ich mit kurzen, scheuen Blicken von meinem Gegenüber aufnahm, verliebte ich mich vor ein paar Tagen in einen, äh ... männlichen Menschen. Ich schau ja immer nach Leuten, die mir begegnen, oft genug bin ich vorschnell im Urteil, was eigentlich nicht schlimm ist, ich denke ja bloß für mich. Als ich am Mittwoch vom Festakt zurückkam, gönnte ich mir einen Kaffee im Sonnenschein vorm Stammlokal am Markt. Die Person, um die es hier geht, kam vorbei und las die Tafel mit den ausgelobten Mittagsgerichten. Faul folgte mein Blick seinem und fragend landete seiner in meinem. Ich mochte diese Berührung, so flüchtig sie auch war. Der Mann ging weiter, aber aus einem plötzlichen Impuls heraus drehte er sich nach kurzem Blick aufs Handy, Smartphone oder was weiß ich, um und kam zrück. Ob hier noch frei sei, setzte er sich neben mich. Bestellte Suppe, später Kaffee, las ab und zu in einem Skript. Meinen Kaffee hatte ich bald getrunken und mir blieb nichts zu tun. Wir taten beide nicht viel, sondern saßen rum. Eineinhalb Stunden. Es war äußerst angenehm. Ich beobachtete ihn nun mit diesen heimlichen Blicken und nahm so Kleidung, Haare, Gesicht, Hände, Augen, Mund und kleine Anzeichen des Alterns in mein Gedächtnis auf.

Ein zärtliches Gefühl steigt auf. Ich seh dich gern an, seh deine kleinen Falten um die Augen, deinen Mund, dessen Lippen ein kleines Herz bilden, fast fraulich, deine Hände – es sind vor allem die Falten, die mich berühren und das leicht graue Haar, ein bisschen so wie meines. Vielleicht ist alles an ihm ein bisschen so wie Meines, vielleicht ist es deshalb so, dass ich mich vergucke und nicht aufhören kann, Blicke auf ihn zu werfen, aber immer so, dass er es nicht merkt.

Ob er Ähnliches erlebt, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal.

Am Montag, nachdem ich meine Leipzig-Bewerbung zur Post gebracht hatte, belohnte ich mich mit Pasta im gleichen Café. Er war ebenfalls da, und weil es ansonsten brechend voll war, fragte ich ob ich mich mit an seinen leeren Tisch setzen könne. Er sagte freundlich zu, wieder verspeisten wir ohne miteinander zu reden unsere Gerichte und wieder fielen meine knappen Blicke auf seine Körperteile. Augenringe, Ohren, Hals. Und wieder dieses zärtliche Gefühl, sowas wie, ich möchte dabei zusehen, wie du alterst, ich möchte deine Hand mit meiner vergleichen, dazu müsste ich meine in deine legen und ich möchte noch viel mehr an dir sehen, möchte neben dir atmen und was machen.

Ob er Ähnliches erlebt, weiß ich nicht. Nach Außen jedenfalls bleibe ich gelassen. Diesmal geht er früher. Und auch für mich gibt es keinen Grund, länger zu bleiben.

Hier im Garten des Cafés sitzt nun auch ein Pärchen, den jungen Mann höre ich sagen, komisch, keine 20 Meter vom Bett draußen zu frühstücken. Ein bisschen verliebt bin ich mit ihnen.