Sonntag, 28. April 2013
Die Küche ist nicht sehr groß, es gibt dennoch einen vorderen und einen hinteren Bereich. Hinten ist der Platz an den zwei kleinen Fenstern, da gibt es die tiefe Bank mit Kissen, auf der man am praktischsten im Schneidersitz oder liegend sich lümmmelt und man schaut zurück in den vorderen Bereich durch den Türrahmen in den Flur. Das Türblatt ist ausgehängt und liegt auf dem Speicher. Wegen der Dachschräge konnte ich die Tür nicht vollständig öffnen und es hatte sich dahinter in der toten Ecke allerlei Krempel angesammelt. Jetzt steht an der kurzen Seite im vorderen Bereich ein niedriger Schrank mit Schubladen, in dem die Nahrungsmittel lagern, darauf Behältnisse mit Getreide, Kaffee und Tee, Ölflaschen, der Altar mit einem silbernen Buddha und einge Gläser. Darüber an die Wand geklebt, eine Postkarte mit Maria und dem Kinde aus dem Mindener Dom.

In den Flur

Auch im vorderen Bereich gibt es eine Bank, nicht so tief wie die andere in der Fensterecke, dafür aber länger. Ich habe den Tisch hierher gezogen und sitze nun unter der Schräge, rechts die kleinen Fenster, hinter denen Ausschnitte der Backsteinfassade des Vorderhauses zu sehen sind, und der Ahorn, der hellgrün noch leuchtet, später dann rotbraun. Weil ich hier vorn sitze, kann ich schräg links in den Flur sehen, da gibt es eine Sammlung perspektivischer Linien, die des alten Holzbretterbodens zum Beispiel, die Schwelle zur Schlafkammer, aus der vom Vorhangtuch gefiltertes Licht in den Flur fällt, die Zarge der Küche in einem schrägen Winkel dazu, die Senkrechten stützen, weiter hinten die Tür zur Wohnstube, zwischen beiden ein Gemälde, die erste Kunst, die ich gekauft hatte, 24 Felder mit Hamburgern in verschiedenen Farben, mit einem schönen lockeren Duktus mehr hingeworfen als gemalt von Stella Hagemann, der ich eine große Karriere vorausgesagt hatte – heute macht sie was anderes.

Direkt vor mir, wenn ich geradeaus sehe, befindet sich die Zeile mit Spüle, Herd und Kühlschrank, drei Einzelstücke, zwischen denen sich Heruntergefallenes sammelt und im besten Fall vertrocknet und ab und zu zusammengefegt werden kann. Darüber stehen auf einem schmalen Bord Gewürze aller Art und weitere Ölflaschen, alles, was ich zum Kochen benötige ist armweit erreichbar. An Saugkaken hängen Gerätschaften, Kochlöffel, Reibe, Gemüsebürsten, Topflappen, Schere, Flaschenöffner. Auf dem Herd Kessel und Kaffeemaschine, auf dem summenden Kühlschrank ein großes Holzbrett zum Schneiden. Weiter rechts an der rauhen Wand ein monocromes Gemälde mit einer Tasse in orange, darangehängt ein Strauß ge- oder eher vertrockneten Thymians.

Durchs Fenster

Auf der kurzen Seite rechts neben den Fenstern eine kleine Leinwand mit einer schnellen orange-roten Acryl-Skizze von T., die offentsichtlich unsere beiden Köpfe von der Seite zeigt, wir küssen, meine Hand an seiner Wange, er hält die Augen geschlossen. Auf dem Brett des rechten Fensters gedeihen Salbei und Johanniskraut, das schon im Winter geblüht hat, zwischen den Töpfen die nachgemacht-chinesische Schlaflampe aus T.s Kindheit. Das linke Fenster ist frei von Gegenständen und lässt sich jederzeit öffnen.

Und hier unter der Schräge sitze ich. Genieße den veränderten Blickwinkel und denke darüber nach, ob ich mich nun am Deutschen Literaturinstitut als Gasthörerin bewerben soll oder nicht. Dienstag ist Bewerbungsschluss.




Sonntag, 21. April 2013
Eigentlich genieße ich den Sonntag. Lange schlafen, ein halbes Stündchen Yoga, dann Frühstück und Internetrecherche und danach mit der Busenfreundin und ihrem Patenkind auf einen schnellen Kaffee beim Spanier mit Gesicht in der Sonne. Fotos machen im Park, rumkichern.

Wenn da nicht der nagende Gedanke wäre, dass die Festschrift, die ich für den Obdachlosentreff gestaltet habe, vielleicht nicht rechtzeitig zum Fest am Mittwoch fertig gedruckt und geliefert wird. Ein Fest ohne Festschrift wär das dann. Peinlich. Auch Nachfragen bei der ungeschlagen günstigen Online-Druckerei bezüglich einer ausnahmsweise bevorzugten Behandlung meines Objektes schallen ins Vergebliche. Das seien alles automatische Prozesse, auf die man keinen Einfluss hätte. Eine leblose Großdruckerei stelle ich mir sofort vor, ohne Menschen, wie in diesen Filmen auf N24 Zukunft ohne Menschen, wo die Druckaufträge noch wochenlang weiterlaufen solange es Strom gibt, nuten, heften, schneiden, verpacken, sich in der Halle stapeln, da ist auch niemand mehr, der das alles abholt und verteilt, denn automatisches UPS gibt es noch nicht.

Geduld üben. Den Sonntag genießen. Ich kann sowieso nichts machen. In der Zwischenzeit erfreue ich mich am durchaus künstlerischen Einsatz von Korrekturzeichen:

Jandl im Literaturarchiv

::: Nachtrag: Die Frau Montez hat mir verboten, bei Internet-Druckerien drucken zu lassen. Für dieses Mal ist es noch gut gegangen. Mein Dauergenösel im Callcenter – ich kann nicht sagen, ob es Früchte getragen hat, oder ob die "automatischen Prozesse" einfach zu meinen Gunsten abliefen. Die Festschrift wird jedenfalls heute, Dienstag, ausgeliefert, morgen ist das Fest, zu dem ich mich nun auch trauen darf. Ein Stein vom Herzen gefallen, dass kann ich wohl sagen. Folgeaufträge, ihr könnt kommen!

::: Noch'n Nachtrag: Ich sollte das gaaanzknapprechtzeitig Ankommen kultivieren. Als ich zum Fest (der Festschrift) fuhr und in der nahen Kleinstadt ankam, war weder Taxi zur Hand noch wusste man etwas über meinen Zielpunkt bei der Busauskunft, die mich wie einen unhöflichen Fremdkörper behandelte, als wäre ich zehn. Zehn Uhr ist zu spät, raunte ich dem Mann zu, der daraufhin unwirsch das Fensterchen vor meiner Nase schloss. Schon wieder alles viel zu spät. Ein einsames Taxi kam an in dieser Wüste, freundlicherweise wurde es mir von einem ebenfalls Taxiwartenden überlassen, ein Zeig des Himmels, allerdings hatte ich nur einen Fuffziger, das den Fahrer ebenso unwirsch zurück ließ, ja, Sie sind jetzt gerettet, ich aber nicht. Er solle mich zur Abtei fahren, wie, nach Loccum oder was? Doch nicht nach Loccum, das muss irgendwo hier im Ort sein. Lange Rede.

Um drei Minuten nach zehn erreichte ich dann doch die Eingangstür, traf auch sofort auf Herrn R., er ganz entspannt, ich aber nicht, trotzdem. Alle waren sehr lieb, es wurden erhebende Reden gehalten und sogar gesungen, somewhere over the rainbow, ich war gerührt, die Tränen jedoch kamen vom Heuschnupfen.