Statt das Rad zu nehmen und zum See zu fahren, warte ich auf den nächsten Regenschauer, es dunkelt drumherum, aber auf dem wunderbar hübschen windy.com sehe ich, wie der Regen mir und meinem Viertel ausweicht. Blitze sind dort grafisch zu sehen und machen ein kleines knisterndes Geräusch. Online-Aktivitäten haben etwas zugenommen. Ich lese in einem Forum auf telegram mit und schreibe ab und zu etwas zu berührenden Themen. Jemand fühlte sich aus Idolsgründen gestalkt und ich habe mich an meine starken Sehnsüchte bezüglich bestimmter Musiker, Künstler oder Autoren erinnert: wie ich viel Zeit verbrachte mit lang und breit bebilderten Ideen, wie sich ein Treffen gestalten könnte und warum überhaupt. Wohl aus einem Mangel an Liebe und Aufmerksamkeit heraus. Plan, die eigenen Kunstfertigkeiten zu vollkommnen und sich selbst das geliebte Idol zu sein.

Jetzt ist der Regen über mir, über uns. Auf der Fensterbank gedeihen Kräuter, die ich nicht ernte, sie blühen und geben Samen fürs nächste Jahr. In der Rotte, angelegt in der Regenrinne, die vom Fenster des Arbeitszimmers zu erreichen ist, liegen Nutzhanf-Stengel, auf die es jetzt ordentlich schüttet. Ich möchte Fasern gewinnen und mir ein Kleid daraus häkeln, angeblich sind jene der männlichen Pflanzen weicher.

Am Nachmittag treffe ich die Schlagzeugerin zum Häkeln und Stricken. Ich arbeite an einem Kunstobjekt, das im Herbst in einem Stadtgarten ausgestellt wird. Es ist eine Art Decke mit einem eingehäkelten Motiv, das ich schon vor einiger Zeit begonnen hatte. In einem Plastikkasten ward es aufbewahrt zusammen mit den Puppen. Leider waren schon die Motten im Puppenhaar, die ich durch Lagerung im Eisfach zu töten versuchte. Das war anscheinend nicht gelungen, ich ahnte es bereits und zögerte das Sichten der Wollarbeiten monatelang heraus. Draußen im Hof dann – als ich den halbdurchsichtigen Behälter die Treppe heruntertrug, sah ich schon Krauchen- und Fliegendes – überkam mich Ekel beim Öffnen des Deckels; mittlerweile war alles komplett zugemottet, welch deprimierender Anblick! Das Kunstobjekt Decke wies interessante Löcher auf, mitten im Hauptmotiv und auch an den Rändern. Ich beschloss, das künstlerisch Beste draus zu machen, das Konzept umzudeklinieren und die Löcher als gewollt einzubetten, Vergänglichkeit, Sie wissen schon, daraus sollten dann die gehäkelten Ranken wachsen, die offensichtlich das Gewebe zerstörerisch durchdrongen. Ну да.