Dienstag, 21. Mai 2024
Als ich letzte Woche meine Aufarbeitung der Schulgründung begonnen hatte, wurde mir beinahe schlecht, während ich den Text schrieb. Die Unterströmung gefiel mir nicht. An der Oberfläche war alles ganz wunderbar. Ich arbeitete freudvoll an einem wichtigen, zukunftsorientierten Projekt mit, gab meine Ideen ein und sorge dafür, dass alles, was das Haus verlässt, gut aussieht. Scheinbar nie versiegende, in Farben ausgemalte Phantasien begleiteten mich Tag und Nacht. Die Unbeschwertheit unserer Ideen war begeisternd, belebend, verjüngend. Wie wir alle in einem tollen Gebäude zusammensitzen, Erwachsene und Kinder, Eltern, Lehrer, Begleiter, Handwerker, Organisatoren, Freunde, Helfer. Ich dachte mir Unterrichtseinheiten für Schrift, Gestaltung, Zeichnen, Stricken und Häkeln aus, die anderen mochten Ähnliches im Sinn gehabt haben, und feilte mit an Aussehen, Rechtschreibung und Grammatik des Gesamtkonzeptes. Sogar Möbel waren bereits organisiert, die Bestefreundin wollte gemütliche Sitzgelegenheiten spenden und auch das Klavier bot sie an, ja, wir brauchten unbedingt Musikinstrumente, auch ein Gewächshaus draußen, innen Teppiche und Kram zum Spielen und Lernen.

Gleichzeitig wurden aber Strukturen geschaffen, ohne dass ich sie so recht wahrnehmen wollte. Die Eltern, deren Mitarbeit dringend benötigt wird, wurden in AGs organisiert oder angewiesen, sich selbst zusammenzufinden. Die Anweisungen unserer Speerspitzen-Lehrerin wurden strenger, nicht alle Eltern, oder eigentlich niemand wusste um die Einzelschritte einer Schulgründung, woher auch. Vertrauensvoll ließen wir zu, dass Anregungen zu alternativlosen Anweisungen mit kaum verhohlenem Befehlscharakter wurden. Der rauhe Ton begann uns zuzusetzen, in heimlichen Chatgruppen wurde schon über die diktatorische Leitung gelästert. (Ich selbst bin in zwei abgespaltenen Gruppen der Ratlosigkeit.)

Der Punkt, an dem ich ausstieg, war ein politischer. Bisher hatten wir es geschafft, gesellschaftspolitische Meinungen tolerant abzupuffern und nicht in die Diskussionen mit einfließen zu lassen, obwohl klar war, dass es verschiedene Meinungen gab. Die Lehrerin, daselbst bei jenen Demonstrationen zugegen, die sich gegen eine gewisse Partei aussprachen, forderte in einem unsäglichen Keifton, dass nun wir uns als Schule ebenfalls zu positionieren hätten. Im Zuge dieser ganzen politischen Schuld- und Unrechtszuweisungen waren auch wir hintenrum als demokratische Schule in Verdacht geraten, von völkischen Interessen, Schwurblern und anderen Antidemokraten unterwandert zu sein blabla.

Wohl die Hälfte der Gründer, darunter auch ich, wollten sich nicht positionieren müssen, denn in allen offenliegenden Schriften, Websites, Flyern und Informationsmaterialien geben wir uns deutlichst als Demokraten, Verfassungsfreunde etc. zu erkennen. Es sei unnötig, dieses dauernd zu wiederholen, fanden wir. Es wurde darüber nicht demokratisch abgestimmt. Sowieso schien sich das Demokratieverständnis unserer Speerspitze in einer Suppe aus Gift und Galle zersetzt zu haben. Und so erschien auf unserer Website eine Erklärung, die gleich in den ersten Zeilen von negativen Reizworten nur so strotzte und nun, allen Suchmaschinenoptimierungsempfehlungen zum Trotz (oder gerade deswegen), findet man unseren Schulnamen gemeinsam mit den unliebsamen Attributen. Eine Ironie des Schicksals, oder?

Am nächsten Tag kündigten T. und ich unsere Vereinsposten – zum Kuckuck mit dieser scheinheiligen Demokratie, mit ihrer Weltoffenheit (nach Westen) und einer Ansammlung "freiwilliger" Arbeitskreise. Dieses ganze Gedöns ging mir zudem ans Herz: Ich verbrachte schlaflose Nächte mit Grübeln und sorgenvolle Stunden mit Herzrhythmusstörungen. Kaum hatte ich mich erklärt, die Diskussionsgruppen verlassen und einige der Akteure im Messenger blockiert, ging es mir besser!

Akteure ist auch so ein Wort aus dem Kauderwelsch der Akteure. Die deutsche Sprache hat mittlerweile ordentlich zugelegt an unschönen Begrifflichkeiten, die einen Batzen schwerst erklärungsbedürftigen Inhalts mit sich führen. Ganz zu schweigen vom Gendern mit seinen kunstvoll eingebrachten Wort*innen-Lücken, bei denen mir beim Zuhören jedesmal der Atem stockt.