Könnte, würde, sollte, möglicherweise... all das. Es schneit jetzt gerade. Und zwar fast echte Flocken. Solche, die man am Himmel erkennen kann, die dick sind und vor dem Grau etwas dunkler. Sie wären noch echter, blieben sie liegen, dazu ist es aber zu warm. Vorm Fenster steht der Ahorn in seiner hellgrünen Blüte, es sieht hübsch aus, wie die Flocken hindurchsinken.

Am Freitag war es so warm, dass ich beim Spaziergang die Jacke ausziehen konnte. Wir gingen zu zweit, die Sufi-Meditierende G. (die jetzt ihren eigenen Meditationen nachgeht) und ich. Sie erklärte, sie wolle unsere gemeinsame Freundin K., die zur Risikogruppe gehört, vor dem Virus schützen, wir könnten womöglich, obschon symptomfrei, Überträgerinnen sein. Sie wies mich dann zurecht: Ich solle mehr Abstand zu ihr halten. Ich ging halb auf der linken Seite des Spazierweges und wurde im nächsten Augenblick von einer Radfahrerein wütend zurechtgeschnauzt. Alle waren draußen und es war unmöglich, auf den schmalen Wegen Abstand zu halten. So trottete ich, nicht verstehend, was zwischen uns (spirituellen Freundinnen) vor sich ging, hinter G. her, im steten Versuch, ihr nicht zu nahe zu kommen. Wir hatten dann diese elende Diskussion über Fallzahlen, Ansteckungsgefahr, Todesfälle und Wahrscheinlichkeiten – inmitten schönster Frühlingsstimmung und nettester Ausblicke über Gewässer und Gänseauen. Am Ende war ich völlig gestresst von all dem Ausgeweiche und in der Nacht dachte ich bis weit nach Mitternacht über die plötzliche Fremdheit zu G. nach und ward völlig mürbe gegen zwei.

Der Bildhauer und ich verbringen das Wochenende auf meinem Schlafsofa, das wie ein Boot ist, mit dem wir die schlimmsten Wellen nehmen. Unsere mittägliche Ausfahrt durch die leere, nach dem Wetterumschwung wieder regengraue Stadt ist bedrückend und uns ist klar, wie sehr gerade solch eine Stimmung dazu beiträgt, jegliche Abwehr zu schwächen. Wir vermissen Kunst und Kultur bzw. das Schöne im eigentlichen Sinn, das ist jetzt in dieser Stadt nicht zu finden. Zurück zu Hause zünde ich Kerzen an, koche opulente Gerichte, es gibt genügend Wein, oder Bier, wie jeder mag. Wir lesen uns aus "Die Höhlenkinder" vor, ein Buch, das wir beide schon seit unseren jeweiligen Jugendzeiten als eines der wichtigsten erachten (während er die Versöhnungszene zwischen Peter und Eva rezitiert, weint er [und ich lache]), schauen Handwerksfilme des SWR und spielen Scrabble mit deutschsprachig klingenden Wörtern (Lebser, Sölgen, Harsel, Gurm u. a.)

Ich möchte im Moment keine Leute treffen, mit denen ich unterschiedlicher Meinung bin. Das ist mir schlicht zu nervig.





Hat G. viel mit Ihrer gemeinsamen Freundin K. Kontakt? Soll heißen, kümmert sie sich um sie, weil K. Hilfe benötigt?

Beide haben viel Kontakt, aber K. benötigt keine Hilfe. So halt.