Indien? Swami ruft an und fragt, ob ich im Herbst mitkomme. Nach Indien. Mein übliches ich kann hier nicht weg und wenn was passiert, kann ich nicht so schnell aus Indien weg wird mit einem na und, dann kannst du eben nicht weg zum schnellen Einsturz gebracht. Und wenn Mama stirbt und ich nicht zur Beerdigung kommen kann? Wird ebenso weggewischt wie eine schon halb vertrocknete Träne.

Tatsächlich wirkt die Idee, einfach wegzufahren wie eine plötzliche Erfrischung nach langem Durst und bringt mich aufgeregt und voller neuer Hoffnung durch den Sonntag. Um dann am Montag unter einer Last von ohgott, was für ein Frevel, eine mögliche Beisetzung zu verpassen zusammenfällt und sowieso, einfach abhauen aus der Verantwortung? Ich kann nicht.

Jenes ich kann nicht – ganz langsam dämmert es auch mir, ist eine selbst angelegte Fessel. In der Meditation versuche ich, das eherne Band zurückzuverfolgen, wo es sich als Irrtum herausstellt und letztlich aus keiner besonderen Substanz bestehend. Da ist nichts.

Nichts. Im Treppenhaus treffe ich G., eine der Betreuerinnen von Mama. Auch sie ist sofort dabei: Indien, mach das! Du musst dein eigenes Leben leben. Beerdigung? Na und? Und Dudi, die eine Beerdigung allein ausrichten müsste, was wird die sagen? Auch na, und?

Im Frühjahr 2012 war ich das letzte Mal in Indien und damit auch das letzte Mal auf großer Reise. Ich konnte ja nicht weg. Unsere kleine Gruppe bestand aus reiner Unbeschwertheit. Versaute Witzen beim Spaziergang am Ganges, leckeres Essen, abendliches Zusammensein bei indischem Tee. Vorträge, Konzerte, Meditationen. Feuer und Sonne. Das Holi-Fest. Die Vorberge des Himalaya, der Oberlauf des Ganges.
Der gebliebte Lehrer.

Nach Hause kommen, zu Hause sein.