Freitag, 27. Januar 2017
Es müsste hier mal wieder geputzt werden. Vielleicht kommt Dudi nächste Woche, die muss ja nicht in Staubflusen waten. Die vielen Wollobjekte des Haushaltes atmen überall hin und an einigen Stellen sammeln sie sich, vor der Badezimmerschwelle, da kommen sie nicht rüber oder unter der Heizung dort. So allgemein von Süd nach Nord. Es gibt auch einige Spinnen von jenen zarten kleinen, die dürfen gern bleiben, aber in der Küche gibt es schon feine Berührungen von Weben, am nackten Arm, den ich nach dem großen Glas mit Reis recke.

Es tut gut, die Aufmerksamkeit auf solche Dinge zu richten. Es gab eine Art overflow zu aufregender Gedanken an früher oder später, lange Telefonate mit Dudi über unsere Kindheit und Jugend, über die Eltern. Eine Weile neigte ich dazu, sie zu idealisieren, der Zweck möglichwerweise eine Art Versuch Frieden zu schließen – zu verzeihen. Dieses wunderbare Buch von Svenja Flaßpöhler, Verzeihen – Vom Umgang mit Schuld, verhalf mir zu Einsichten, die tatsächlich Frieden in mir auslösen konnten, ohne diesen Blick zurück, einfach in der Erkenntnis, dass ich keine Schuld habe. An nichts. Dass niemand Schuld hat. Dass Schuld ein Konzept ist, welches sich bei näherer Betrachtung in nichts auflöst. Da war dieser Moment, letzte Woche Montag, als ich nach einer schweren Nacht, da das Herz mit allen drängenden Gedanken dieser Welt gefüllt ward, aufsprang mit dem klarsten Satz ich muss dies alles gar nicht denken, und die Welt besteht nur aus unseren Gedanken!

Und ebenso plötzlich, das Herz war leer! Es war nicht einfach nur ein intellektuelles Erkennen der Nutzlosigkeit dieser Art des Denkens, sondern ein echtes, so zartes und trotzdem deutliches Gefühl in der Herzgegend, dass diese leer sei. Der gesamte Brustkorb sei leer. Wie nach einem Gewitter der Himmel wieder leer von Wolken ist, trotzdem gefüllt mit Bläue, so war das Herz, es war leer –

Den ganzen Tag verbrachte ich damit, die Aufmerksamkeit dorthin zu lenken, verbunden mit einem großen Staunen. Da war nichts, keine Sorgen, keines der Bilder über die siechende Mutter, die mich so quälen, nichts darüber, wie die Zukunft sein würde/könnte/sollte/müsste … so leicht hatte ich mich seit Jahren nicht gefühlt! Frei von Schwere! Nach all der Zeit!

Nun, war es wieder fortgegangen. Ich konnte es nicht halten. Nicht durch das Imaginieren der Leere im Herzen ließ es sich wieder herstellen, nicht durch Erinnern der Sorglosigkeit, nicht mit so tun als ob. Wieder kamen belastende Bilder zurück, Sorgen um die Zukunft – 
Allein, das Grübeln über die Mutter ist im Moment nicht (mehr) da.