Ich müsste wieder anders schreiben, derart, dass ich nicht versuche mich zu erklären, nicht erst erklären, worüber ich schreibe, damit auch der letzte Idiot versteht, was ich meine. So ist das mit der Yoga-Philosophie, ich kann nicht jedes Mal eine Rundum-Einführung geben. Was mich sowieso eher entkräftet. Also isses Quatsch.

Im übrigen bin ich mit der Theorie durch. Seit fast zehn Jahren bin ich nun Schülerin – hingebungsvoll, unaufsässig, transluzent; letztes passt grad in die Reihe, bedeutet aber nichts. Es war eher so, ich habe ein Ziel und ihr sagt mir, wie ich es erreichen kann. Ich mache alles, denn ihr müsst es ja wissen. Seit fünftausend Jahren. Ich vertraue euch. Autoriäten erwünscht.

Die Suche hat eine Wendung genommen. Ich nehme an, das musste so. Die Theorie ist mir eingepflanzt, auf eine sehr natürliche Art war mir alles sofort klar und wahr. Es wurde immer gesagt, dass es verschiedene Arten des Wissens gibt, das Angelesene bzw. von außen Gelernte und das selbst Erfahrene. Dass Letzteres das wertvollste sei, das einzige, das zählt. Glaube niemandem, auch mir nicht, bevor du es nicht selbst geprüft und erfahren hast, sagte Swami V. bei der allerersten Lecture, die ich bei ihm hörte und deren Profundheit mich in ein verändertes Bewusstsein katapultierte. Dieses, du weißt schon, Gewahrsein, als würde der Körper meilengroß sein. Ich kannte es schon von früher, seit der Kindheit gehört es zu meinem heimlichen Erfahrungsschatz. Niemand konnte mir darüber etwas sagen. Dass ich nun in dieser Lecture saß und Swamis Stimme direkt aus meiner Brust zu kommen schien, bedeutete mir, dass ich endlich am richtigen Ort angekommen war.

Es folgten die Jahre. Was las, hörte und lernte ich nicht alles. Über Chakren, das richtige Atmen und das rechte Handeln. Die feinstofflichen Körper, die Zeitalter und die siddhis. Geschichten über Rishis und Weise, die versuchten, was nicht gesagt werden kann, in Worte zu kleiden. Worte, die so komprimiert sind, dass der Verstand sie kaum begreifen kann. Von Kommentatoren, die über ihren jeweiligen Ausdeutungen der Schriften Heiligkeit erlangt haben.

Mein Wunsch blieb, und ich war sicher, eines Tages die Wahrheit zu kennen. Wenn nicht in diesem Leben, so in einem der nächsten. Welches nächste Leben? Das vorherige gibt es nicht (mehr) und das nächste gibt es (noch) nicht. Also gibt es keine anderen Leben (außer diesem). Es geht nirgendwo hin.

Die Idee, man könnte sich wohin bewegen, scheint mir heute die Krux zu sein. Als gäbe es ständig etwas zu tun, damit man überhaupt ankommen darf. Als müsse dauernd etwas in Ordnung zu bringen, zu optimieren, zu ändern und zu heilen sein. Für den Eindruck, das Ziel läge noch in weiter Ferne und sogar übermenschliche Anstrengung reiche nicht unbedingt aus, es zu erreichen, sind nicht zuletzt die spirituellen Lehrer verantwortlich.

Die Wendung, die geschehen ist, ist das Erkennen des Soseins. Es ist so (und nicht anders). Das Gleichgewicht ist vollkommen (in seinem Sosein) und es ist ganz wunderbar, sich darin einzurichten. Hier sitzen und dem Sosein zu lauschen und zusehen, wie es sich entfaltet und entfaltet, in jedem Moment neu, frisch und vollkommen.

Das ist so ganz anders als vorher. Vorher musste immer etwas erledigt werden, hier noch eine Mantra-Übung, um den Geist zu reinigen, da noch eine Unvollkommenheit, die geklärt, und wieder ein Problem, das durchschaut, eine lästige Gewohnheit, die geändert werden musste, und erst dann, irgendwann könne ein Mensch als erleuchtet gelten. Und ja, Kinder, niemand weiß, ob und wann und bla. Ich habe die große Mantra-Übung nach 80tausend Rezitationen abgebrochen. Es war, als stünde sie zwischen mir und dem Ziel, sie machte mich unruhig und unvollkommen.

Weil mich die Erkenntnis des spirituellen Hamsterradlebens erst gepackt und dann völlig deprimiert und erschöpft hat, habe ich nun aufgehört mich zu bewegen. Ich will nirgendwo mehr hin. Hier wo ich jetzt bin, ist es gut und ich erlaube mir, eine Weile zu bleiben. Dann sehe ich weiter.