Dienstag, 2. April 2019

Aus meiner Foto-Serie Typografie zur Trauer




Unser Cousin M. („J., du musst noch schucken!“) war vorletzte Woche mit fast 70 gestorben. Sein Bruder J. war und ist immer noch unströstlich – ich habe schon lange niemanden so sehr weinen gesehen. Letzen Dienstag haben wir M. auf seinem letzten Weg begleitet, mit Blumen und noch mehr Tränen, auch meine liebe Base U. war gekommen und ihre Tochter S., die beide seit der Beerdigung unserer Tante vor vier Jahren die mir liebsten Verwandten wurden.

Wie schön es war, gemeinsam mit U. und S. unseren Vetter J. zu stützen! Meine Hand auf seiner Schulter, wärend er vor Weinen bebte, tröstete vielleicht mich am meisten, aber das Leben eines lieben Menschen und den Abschied von ihm, der sicherlich aus dem Himmel zuschaute, mit Trauer zu würdigen, empfand ich als mindestens voller Gnade.

Wir waren bereits eine halbe Stunde früher in der Kapelle, womöglich ein klassizistischer Bau mit gemaltem Mamor, saßen still und warteten. Man konnte den Raum erlauschen, oben eine Kuppel, die mit einem Schriftband zu den Mauern hin abschloss. Auf dem Band Bibelstellen, dass der Mensch zum Fleisch, also körperlich wird, und auch ein bisschen Erbsünde klang an. Natürlich. Dieses Schriftband nun bannte weitere typografische Kräfte – vorher nämlich sank mein Mut, als ich nach vorn zum Sarg ging. M. hatte einen großen, sehr bunten Kranz aus allen zur Verfügung stehenden Primeln anfertigen lassen, woran eine dieser Schleifen befestigt war, breit, seidig, mit schwarzer Borte. Ich las Mach´s gut mein Freund und schauderte. Genauso stand’s dort, ohne Punkt und Komma und dazu noch mit Deppenapostroph. Jeder pietätvolle Gedanke wich endgültig aus mir, als ich feststellte, dass diese kleine, freundlich und liebevoll gemeinte Zeile in Comic Sans gesetzt war!

So stand es um mich, lieber Leser (und ich muss mich wohl für diesen Text entschuldigen, der zudem noch mit Stilkritik betitelt ist). Während wir nun saßen und warteten, ging bestimmt mindestens die Hälfte meiner Trauerarbeit zu der imaginären Szene, in der der Bestatter oder einer seiner Lehrlinge solch eine Schleife erstellen, vielleicht wird das alles am Rechner gemacht, in Word, und dann auf die Schleife geplottet oder wie auch immer, jedenfalls hat jemand seine Arbeitszeit, einen Teil seiner Lebenszeit gegeben, um … hier versagen ihr die Worte und sie verschwindet schluchzend im off