Sonntag, 23. Juni 2013
Ich schieb's auf die Übung. Soll alles rauskommen, soll mehr noch klarer werden. Ein Traum, in dem verschiedene Männer mitspielen, mit denen ich mal etwas hatte, – also keine ernstzunehmenden Partnerschaften – macht die Struktur deutlich, die ich aufgebaut habe, in der ich gelebt habe, ich könnte es Neugier nennen oder, im schlimmeren Fall, Selbstmissachtung. Etwas tun, was nicht gut tut. Was nirgendwohin führt. Vieles weiß man hinterher besser, es ist ja aber so'n Dings mit Erfahrungen machen. Wir müssen Erfahrungen machen, steht wohl irgendwo geschrieben. Erfahrungen definieren, wer man ist. Das ist leider großer Quatsch. Es gibt viele Erfahrungen, auf die ich gern verzichtet hätte und über die ich mich nicht mehr definieren möchte. Mit Stolz die Anzahl der Affären nennen, soundsoviele konnte ich für mich einnehmen – deshalb muss ich doch einen Wert haben und dieser Wert ist die Zahl. Verzweiflung.

Ich schieb's auf den Kapitalismus. Der geht mir zur Zeit sehr auf den Keks. Wie durchzogen wir sind von der Idee, (etwas) haben zu müssen. Als wäre sein ungenügend. Damit einher geht Verfügbarkeit. Wer verfügbar ist, gibt Preis und lässt sich etwas nehmen, was nutzbar ist. Zum Beispiel Sex. Es ist ein Kuhhandel. Ich gebe zu, dass ich lange drauf reingefallen bin: Frauen geben Sex, um Liebe zu bekommen, hat das nicht mal wer geschrieben? Ich bilde mir ein, dass ich immer freudvoll beigeschlafen habe, aber in der rückschauenden Erinnerung, die mich gerade flutet, erkenne ich übertriebene Freizügigkeit, die mich eher geschwächt hat. Auf das Wenige, was einige Männer zu geben fähig waren, habe ich draufgezahlt.

Das ist jetzt keine Abrechnung. Ich mag Männer. Weil ich Menschen mag. "Sie sind doch meine Spezies!" sagt Maude zu Harold. Mir wird nur immer klarer, dass Liebe als Sex verkauft wird und genauso eine Ware ist wie ein Auto oder ein Haus. Liebe ist kein Gefühl mehr von Nähe und Zuneigung, das in einem selbst entsteht und sich bewegt, sondern eine Art Anerkennung, die man bekommt, eine Auszeichnung, seht her, ich bin wer.

Vor einzwei Wochen bin ich am FKK-Teich angesprochen worden. Das Palaver ging einher mit freundlichen Komplimenten, die mir gut taten, aber die waren schon Teil des Kuhhandels, der hier unerwarteterweise seinen Lauf nahm. Mit ein paar Komplimenten eröffnen und dann gleich frontal weitermachen, ob ich einen Partner hätte – ich will hier jetzt nicht mit Details langweilen, denn alles was nun kam, war langweilig – ich machte deutlich, und mir war noch nie so ernst damit, dass ich keinen Partner suche und mein Ungebundensein sehr genieße. Naja, das Gespräch in dieser frühen Phase abzubrechen, wäre sicherlich das einzig Richtige gewesen, aber ich war tatsächlich neugierig, weil ich eine derart plumpe Anmache noch nie erlebt hatte. Irgendwas muss doch damit sein? Die Sonne brannte schon auf der Schulter und über kurz oder lang würde ich wieder ins Wasser springen, und so hörte ich mir eine Weile Zuckerrübentechniker-Berufsgeschichten und unglückliches Ehegeschehen mit vier Kindern an, ja und der Sechzehnjährige will Grafik-Design machen und kann Photoshop und er selbst fotografiere auch und so weiter, könne sich aber nicht vorstellen, allein zu sein. Na. Da gehen also Männer an den Nacktstrand und suchen sich Frauen aus, war das einzige, was ich so dachte. Wie im Supermarkt oder im Autohaus. Ich habe Sie (oder das Auto) gestern schon gesehen und wie Sie da so natürlich (oder ökologisch das Auto) sich bewegen, das hat mir Herzrasen verusacht. Seine Nassforschheit trifft auf meine Eitelkeit, hallo du bist also noch da.

Heiße Tage. Wie sehr ich die Abkühlung ersehnt hatte! Am Donnerstag hatte ich mir dafür frei genommen. Auf das Gewitter warten wie auf einen Schicksalsschlag, der das weitere Leben vollständig verändern würde. Auf der Matte vorm Altar sitzen, während die Kerze heller und heller wird und der Raum immer dunkler von Wolken da draußen. Eine Ruhe. Eine Übung, ein einfaches sein, warten und sich hingeben. Stunden. In die Flamme sehen, die Augen wieder schließen und das Mantra aufsteigen lassen. Es ist so einfach. Was die Welt von mir will, darauf werde ich immer weniger antworten können, weiß ich. Es wird Zeit.

Und so sahen dann die Wolken aus, die dem Gewitter vorangingen: