Mittwoch, 17. April 2013

Marbachnacht

Mittlerweile sind die Leserin und ich etwas trunken. Nach Biergarten am Neckar und Abendessen im vegetarischen Restaurant wieder in der Ferienwohnung mitten in der marbachschen Altstadt. Trotz Plastikfußboden und Komplettvertäfelung und -innenverschandelung des wertvollen Fachwerkgutes genießen wir die südliche Frühlingsluft, die durch verschiedene Dachschrägenfenster uns umweht.

Über unsere Familien und popkulturelle Serien haben wir geredet, ach ja, wir sind ja hier im Schwäbischen, es ist jetzt alles etwas wirr, denn Kräuterbrände gibt es überall, Fachwerk aber nicht und auch keine Stadtmauern, die mit Trutzigkeit punkten und Buchläden in alten Kirchen, auf dieser Tastatur gibt es keine Gedankenstriche, naja, später einfügen, die Leserin legt schon die Füße auf den Glastisch, sie befürchtet Mücken, die sich im Frühling unweigerlich einfinden werden, aber ich weiß sie zu beschwichtigen.

Wir haben sie schon erkundet, die kleine Stadt, wissen, wo wir morgen frühstücken werden, nämlich beim Bäcker, dessen Zertifikate und Auszeichnungen im Schaufenster zu beeindrucken wissen, haben Gärten am Hang gesichtet, an denen sich ein fleißiger Steinmetz zu schaffen macht und überhaupt, der Frühling beginnt, eine vorsichtige Farbigkeit liegt auf Gebäum und -sträuch, morgen schon wird das Grün überhand nehmen und dann ist der Winter vergessen, als hätte er niemals stattgefunden. Welcher Winter, hatten wir uns schon gefragt, im Regionalzug zwischen Würzburg und Ludwigshafen konnten wir bei offenem Fenster Streitpatiencen legen, während kleine Schwitzflecken unsere bereits gelichtete Kleidung bedrohten.

Ich weiche ab.

Was erwarten wir eigentlich von unserem Besuch im Archiv? Hier ist es überall ziemlich schiller-ig und ich erwäge die Anschaffung eines T-Shirts mit einem Zitat des Mannes, von dem ich wenig weiß, außer seiner unsäglichen Glocke, mit der mir die zehnte Klasse verschandelt ward. Ich empfinde mich als Kulturbanausin, die in einem blasenartigen Konstrukt frei von historischen Einflüssen vor sich hinschreibt, hintreibt, Worte aneinanderreiht, die letztlich bloß Buchstaben sind, die wenigstens im Satzzusammenhang halbwegs sinnvoll durch bloßes Dasein ... Ach, Herr Schiller, lass mich schlafen gehen, es wird Zeit. Die Leserin hat Schnarchen angekündigt und ich bin auch schlicht müde.