Amsel im Überschwemmungsgebiet. Hat insofern was mit dem Text zu tun, als es sich um viel Wasser und ein kleines Leben handelt.

Es reicht. Seit einem halben Jahr fast ausnahmslos trübe und oberflächliche Gedanken. Über Vergänglichkeit zum Beispiel, oder Kleinmütiges über die Anderen und mich selbst. Misslungene Versuche, die Welt zu retten. Die dauernde Erreichbarkeit für jeden noch so fusseligen Tatbestand. Verletzter Stolz, Missverständnisse, Bevormundungen und andere Verunsicherungen. Wut. Keinen einzigen erhabenen Gedanken gehabt und die Zeiten des Sitzens schleppen sich dahin. Ich muss woanders Kraft finden, wenn die Sonne nicht scheint.

Innen. Rückzug. Denn im Außen gibt es nichts Reichhaltiges zu finden.

Swami VB spricht in acht lectures über die Bhagavadgita, die wichtigste und beliebteste Schrift der indischen Philosophie – im Westen u. a. falsch verstanden wegen der angeblichen Aufforderung zum Kampf, lese ich in der Hinführung zum Text in der Gita-Übersetzung von Klaus Mylius, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1980, DDR 1,50 M. Das Büchlein habe ich mit 17 anderen mehr oder weniger wichtigen Büchern auf einer Klassenfahrt in Prag erstanden, zusammen nicht mal 20 Mark. (Die Flasche Krimsekt kostete uns dank des schwarz gewechselten Geldes bloß fünf Mark und wir betranken uns damit, was ich sehr peinlich fand, denn für die Tschechoslowaken war er unerschwinglich. Toller Exkurs. Ach ja, ein seltsam schöner Sci-Fi-Roman, den ich mehrmals gelesen habe, war auch dabei.) Die gita kannte ich vom Hörensagen, vielleicht aus einem der Philosophiebücher, und so packte ich sie mit auf den Stapel. Heute, da ich wieder angefangen habe, Swamijis lectures zu hören (wieso eigentlich nicht schon eher), krame ich das etwas angegilbte Heft heraus und berühre es wie einen Schatz.

Arjuna ist also dieser Soldat, der gegen eine Armee kämpfen soll, die ausschließlich aus Verwandten, Freunden und Lehrern besteht. Eine Unmöglichkeit des Tuns befällt ihn und Krishna, eine Inkarnation des Gottes Visnu, springt als sein Wagenlenker ein und los geht die Belehrung des Verzagten über rechtes Handeln. Natürlich referiert Swami VB ganz anders, er will uns Zuhörern die Lage Arjunas möglichst lebendig machen, und er zitiert Dialogzeilen mit verschiedenen Stimmen, lässt Arjuna so verzweifelt jammern und klagen, dass es seine Art hat, hat doch der Arme die Probleme, die alle Menschen in allen Zeiten immer wieder befallen. Deshalb ist die gita so zeitlos und tröstend.

So soll mein Sommer sein, tröstend. Und auch gern zeitlos. Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, dass ich nicht allmächtig so stark bin, wie ich immer tue und wie ich es von mir glaube. Natürlich nicht. Die Kraft eines jeden reicht gerade für das eigene Leben.