Dienstag, 27. August 2013
Nach dem Lebensende von WH wieder überall spontan Betroffenheitsbekundungen im Netz à la schrecklich und traurig. Sind mir peinlich, und erinnern (mich) daran, dass wir Menschen immer noch nicht weiser sind, wenn es ans Vergehen geht. Kleinklein – die Persönlichkeit ist irgendwann zu klein und ebenso all jenes, mit dem sie sich täglich beschäftigen muss. Ich verstehe den Wunsch, sie aufzugeben, wenn sie sich nur noch im Kreis dreht. Wer gesund ist und WHs Blog mitgelesen hat, bekommt eine Ahnung davon, wie fesselnd ein Körper ist, der seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Wer selbst krank ist, hat wahrscheinlich anderes zu tun, als das Tagebuch eines Sterbenden zu lesen, es sei denn, man findet es tröstlich, wenn es jemandem noch schlechter geht. Indianische Traditionen empfehlen, den Tod als Berater stets zur Seite zu haben, und die großen Yogis sterben gar nicht, sondern legen den Körper bewusst ab wie ein alt gewordenes Kleidungsstück und machen dann irgendwas anderes. Manche gar tauschen den Körper zu Lebzeiten noch (haha) gegen einen gesunden. Dort verschwinden alle Grenzen vom Anfang und Ende eines Menschen. Welche Grenzen WH überschritten haben mag, weiß nur er.




Sonntag, 4. August 2013


Insgeheim scheint mir als wäre ich auf dem Sprung. S., die Goldschmiedin aus dem Laden nebenan, setzt sich zu der Leserin und mir zum Kaffeetrinken, unter anderem berichtet sie, sie wolle eine der Wohnungen ihres Hauses vermieten, sie selbst würde dann ins Gartenhaus ziehen, das sie zu diesem Zweck gerade restauriert. Ein Interesse regt sich in mir und ich frage sie aus nach Preis, Lage, Größe, Mitmietern und so weiter. Wie klein die Welt ist, L., frage ich, welcher L.? Der Freund von U., antwortet sie, ich bin doch mit U. dort eingezogen, dann haben wir uns getrennt. Ach so. Seine Version dieser Geschichte hat mir U. damals auch erzählt.

Oft bin ich die, die beide Seiten kennt. Und beide Seiten sind selten einheitlich. Am spektakulärsten ist die Story meiner Nachbarn im ersten Stock, die ich über L., kenne, und die mich auf diese Wohnung aufmerksam gemacht hat, in der ich jetzt seit zwölf Jahren wohne. Glücklich, wie mir scheinen will. Bis auf das Geboller aus dem zweiten Stock, das neuerdings die Wände wackeln lässt, gern gegen morgens um sieben, und mich von meinem Futon aufschreckt, der nur durch einen Teppich gedämmt direkt mit dem Schwingboden Kontakt aufnimmt – ich weiß nicht, was die Nachbarin, die Näherin macht, aber es könnte sein, dass ihr morgens pünktlich die Nähmaschine aus den Händen fällt oder vielleicht hat sie ein sperriges Klappbett, dass sich nur mit großer Wucht betätigen lässt, jedenfalls schwingt der Boden noch eine Weile nach, zu kurz, um sich in einen neuen Schlaf einwiegen zu lassen, zu heftig aber, um unaufgeregt weiter zu schlummern.

Also, die Geschichte der Nachbarn ist lang und wirr und auch hiervon kenne ich die Versionen aller Beteiligten, es ging um lesbische Paarungen, die einen heimlichen Nacht & Nebel-Auszug vonnöten gemacht hätten, hätte es sich nicht um ein großartiges Missverständnis gehandelt, die aber vom Heteropartner massiv unterbunden wurde und mit gerichtlich erwirktem Hausverbot der Geliebten endete, die nicht nur die Ehefrau, sondern auch die ersteheliche Tochter des o. g. Heteropartners beschlafen haben sollte und darüber hinaus noch eine dritte Person und so weiter. Die Details habe ich vergessen. Da aber die Lesbierin eine meiner Freundinnen ist, kann ich nun meine Feiern und Geselligkeiten, sollte ich sie dabeihaben wollen, nicht mehr im Hause abhalten, es sei denn der böse Mann, der sich zudem noch mit einem anderen Pärchen, das ebenso im Haus lebt, überworfen hat, möglicherweise wegen dieser Geschichte, vielleicht aber aus aus anderen überaus humorlosen Gründen, ist außer Haus. Tatsache ist, dass die vormals zukunftsfreudige Gemeinschaft geplant hatte, dieses Haus dereinst als Alterswohnsitz gemeinsam zu erwerben, und nun aber vollständig verfeindet zumindest mental und seelisch in alle Winde zerstoben ist, obwohl man doch noch ziemlich nahe zusammenwohnt.

So sitzen also die Leserin, die Goldschmiedin und ich vorm Haus der Lesbierin, wo jene nun friedlich mit ihrer Freundin unterm Dach wohnt, unten das Café, und einen Hund beherbergt, der es nicht lassen kann, freudig an mir hochzuspringen, sobald er mich wahrnimmt, und reden über Wohnsitzwechsel in Naturnähe, und ich immer mit meinen mönchischen Bauwagenphantasien, aber eigentlich ist die Wohnung viel teurer und, wie sich herausstellt, an einer Straße gegenüber einem Friedhof, in den ich von der Terrasse hineinstarren würde, nachdem ich eines dieser Nöselgespräche mit L. geführt hätte, der ja dann mein Nachbar wäre und so ist diese Idee dann eigentlich auch gleich wieder gestorben. Dann lieber weiter mit dem bösen Mann in einer verkrachten Hausgemeinschaft wohnen, deren Historie mir weitgehend gleichgültig ist, solange noch die Sonne die Zimmer bescheint und die Pflanztöpfe auf der Fensterbank ebenso.

Ich weiß nicht, wieso ich das schreibe. Solange sich die Mutter meiner Zuwendung erfreuen möchte, kann und will ich aus dieser Gegend nicht fort. Die großen Reisepläne müssen noch warten. Die Busenfreundin, deren Mutter in einer ähnlichen Lebensphase ist, also in ihrer letzten sozusagen, ohne zynisch zu klingen, verweigert sich dieser Hinwendung, nämlich sie wolle ihr Leben nicht ihrer Mutter opfern, wo sie sowieso noch nie ihr eigenes gelebt hätte. Darauf noch irgendetwas zu antworten wäre müßig. Unsere Mütter sind nette Frauen, die sicherlich ihr Bestes gegeben haben, mein Groll ist fort, sie sind die Mütter, wir die Töchter. So wie es immer ist und war und sein wird. Mehr ist nicht dran, nackt gesehen.

Also bleib' ich. Abgelaufener Holzboden. Küchenzeile mit Lücken. Polternde Näherin. Böser Mann. Riesengroßes Badezimmer. Zu wenig Steckdosen. Schwingboden. Blauer Himmel zwischen Fensterflügeln.




Mittwoch, 26. Juni 2013
Na, ich werd ins Kloster gehen und da werde ich dann die ganze Zeit rumkichern oder auch -lachen, weil ich die Welt endlich hinter mir gelassen habe. In seinen lectures zur bhagavad gita erläutert Swamiji, dass Arjuna nicht schnallt, dass er in den Krieg ziehen muss, lieber würde er jetzt schon der Welt entsagen und sich kampflos verpissen, natürlich sagt er das auf sanskrit, ich weiß jetzt nicht, was verpissen auf sanskrit heißt, aber Krishna ist der Ansicht, dass Verpissen für Arjuna noch nicht dran sei, er solle erstmal seine Pflicht als Krieger erfüllen, das wär' schließlich sein Beruf. Er sei einfach noch nicht so weit. Genauso wie Arjuna keinen Bock hat, gegen Familienangehörige und Freunde ins Feld zu ziehen, fiel mir die Entscheidung schwer, ob ich mich im Fall "Tolles Buch" zurückziehen oder kämpfen soll bzw. muss. Swamiji stellt auch fest, dass die Gita keine Alternative aufzeigt, es hätten die Gegner auch mal miteinander reden und sich dann liebevoll zurückziehen können, weil sie das Kämpfen allesamt bescheuert finden, auch wird nichts darüber erzählt, warum die Gruppen sich verfeindet hatten. Die Geschichte beginnt schlicht mit der Aufzählung der Leute, die sich gegenüberstehen (hier symbolisch als Ayurvedinnen und Grafik-Designerinnen dargestellt).

(Abb. unbezahlt geklaut)

Und so kämmpfen sie halt, bis (fast) alle tot sind. Vorher hat sich Krishna, der olle Wagenlenker, allerdings noch den Mund fusselig reden müssen, hat Arjuna sogar das Allerhöchste schauen lassen, was wohl derart eindrucksvoll ist, das der es sofort vergessen hat und nachhaken muss: wie war das nochmal im Mittelteil? und Krishna gibt noch 'ne zweite, etwas abgespeckte Version des Allerhöchsten zum Besten, und so vertrödelt man ziemlich viel Zeit, in der vielleicht geraucht oder in der Nase gepopelt wird, so, können wir jetzt endlich? drängen schon die ersten. Das Allerhöchste jedenfalls war toll und Arjuna wird wohl seine Lehre daraus gezogen haben. Aber so weit bin ich noch nicht mit der lecture.