Ich konnte es nicht lassen, trug mich das Wochenende mit dem Gedanken, mich auf einen 450 EUR-Job zu bewerben. Warum nicht ein paar Stunden die Woche werkeln, damit das Gesparte noch länger bewahrt bleibt. Wie wenig ich aber breit bin für Zwecke zu arbeiten, die nicht meine sind, wurde mir klar, als ich website und fb-Profil der Firma studierte und auch das persönliche des Arbeitgebers. Er interessiert sich für Sachen, denen ich nichts abgewinnen kann, die sogar Abneigung in mir erzeugen, Autos, Fußball etc., und so nahm ich bildlich-emotional vorweg, in unguten Zusammenhängen zu sitzen, Bandenwerbung für die lokale Fußballmannschaft druckfertig zu machen und und mich zu wundern, warum ich das überhaupt tue. Eine launige Bewerbung habe ich immerhin entworfen, aber ich muss feststellen, dass meine Motive, mich auf einen mich downgradenden Job zu bewerben, seltsam sind. Wie schon im vorletzten Monat hatte die ehemalige Bürokollegin wieder Arbeitsmöglichkeiten erwähnt und eine Strebsamkeit ausgelöst, genährt aus Sorge und Zukunftsängsten – die doch gar nicht zu mir gehören. Ich teile tatsächlich ihre Ängste nicht, unter denen sie sich regelmäßig verzettelt, in der Vergangenheit stärker, jetzt aus Vernunfts- und Kräftegründen sehr kontrolliert, wobei sie sich immer noch von spontanen soft- und hardware-Käufen verleiten lässt. Ist schon geil so ein iPad mit Stift, wie beides smooth zusammengeht, wäre ich Illustratorin wie sie, besäße ich sowas selbstverständlich auch.

Nach wie vor finde ich es schwierig, unbeirrt meinen Weg zu gehen. Natürlich will auch ich gesehen, erkannt und wertgeschätzt werden. (Das würde ich, versichert mir der Bildhauer.)

Mein Privatstudium, so nenne ich das jetzt mit Selbstbewusstsein, führt mich hinein in Zukunftsbilder, aber auch wieder zurück in meine eigene Kultur-Geschichte. Lese, wie alle paar Jahre, Doris Lessings Shikasta von 1979, ein großartig weitsichtiges Werk, das eine komplette Weltgeschichte umreißt und trotz schmerzvoller Aufarbeitung menschlichen Fehlens eine positive Aussicht entwickelt, die mich in wehmütige Stimmungen versetzt. Ob wir nun wirklich in solch einer Übergangszeit sind – es wird eigentlich immer offensichtlicher, dass das Zeug nicht mehr hält – oder ob es noch über meinen Tod hinaus mit dieser Art von Gesellschaft irgendwie weiter rumpelt, ist nicht zu sagen. In meinen frühesten Träumen und weiter durch all die Jahre tauchen Szenarien totaler Verwüstung auf. Sind es Familienerinnerungen an die Weltkriege des letzten Jahrhunderts oder Erinnerungen an die Zukunft, an eine Zukunft, die zu erleben ich auf die Welt kam?