Wir waren auf Wangerooge, der Bildhauer und ich. Seine Schwester S. arbeitet dort für zwei Wochen in der Gemeinde, um sie wieder auf Vordermann zu bringen, physisch mit Fensterputzen und so, und auch spirituell, durch ein paar gute Ideen, wie man die Menschen erreichen kann. Die Diakonin schickt ihr ab und zu unverständliche SMSse, weil sie sich mit dem Pfarrer gezankt hat, und es gibt ein großes Bullauge im Gemeindehaus, das auf keinen Fall im Sonnenschein geputzt werden darf wegen der Schlieren.

Sonst denken wir nicht viel. Das Meer ist schön und die Luft auch. Es gibt viel Sand. Wir erfahren vom Betreiber des Radverleihes, dass alle Nordseeinseln eigentlich wegwehen würden, wenn man sie nicht befestigte. Fortan betrachte ich jede Welle argwöhnisch, damit sie uns nicht zu viel des Sandes fortschwemme. Wenn ich allerdings Gott wäre, würde ich das so lassen. Der Radverleiher hat anscheinend einen Vortrag, den er ungefragt jedem Gast abspult, Sturmflut von 1961 und so, dazu tippt er auf eine kleine Landkarte. An der Stelle im Westen ist das Papier schon durchgerauht und schmutzig. Davon hätte ich gern ein Foto, aber die neue Kamera steckt in ihrer Tasche.

Eine Olympus habe ich erworben, die so retro aussieht, dass man ihr die Funktionen nicht glaubt, von denen ich mir noch keine Anwendung vorstellen kann. Die Busenfreundin, die ihre Riesen-Profi-Canon kaum hochheben kann, kommentierte das Gebilde: mit so einer Kamera brauchst du beim Fotoshooting gar nicht erst aufzutauchen. Ich gehe ja auch nicht zum Fotoshooting, sondern will Fotos machen. Dass ich mich für ein Foto-Stipendium beworben habe, verschweige ich ihr.

In Wangerooge tackeln die Rollkoffer auf dem schiefen Backsteinpflaster. Heutzutage reist wohl niemand mehr mit Rucksack wohin. Unser Domizil ist nett, ein bisschen wie zuhause mit Kissen und so, aber von der Inhaberin bekommen wir mehrere Rüffel, weil wir z. B. die Fahrräder falsch abstellen oder uns an den Vierertisch setzen wollen, obwohl wir bloß zu zweit sind. Am dritten Morgen, dem letzten, wache ich um fünf auf, weil ich Angst vor dem Frühstück habe, es ist wohl ausschließlich von Lidl, das ertrage ich nicht ein weiteres Mal. Ich wecke den Bildhauer, und kurz danach sind wir schon am Strand. Der beste Teil unseres Ausfluges. Ich mache ein paar Aufnahmen mit der Kamera, die ich vielleicht deshalb gekauft habe, weil sie Mark II als Namenszusatz hat – Mark Twain.


Man baut auch wieder Strandburgen, oder immer noch. Manche wirken wie Festungen aus Beton, auch die Fahnen fehlen nicht, und der Bildhauer schreibt FICKEN in die glattgeklopfte Wand der einen. Er muss immer ein bisschen revoltieren und läuft dazu in schwarzen Klamotten rum, aber er ist viel zu lieb und dann lache ich. Der Bäcker macht um sechs auf und dort sitzen wir lange und genießen richtigen Cappu und dreieckige Laugenbrötchen, deren Belag wir uns ausdenken konnten, u. a. mit Mayo. Sanddorn-Yoghurt-Schnitte danach. Noch so einen Kaffee.

An der Westseite gibt es einen Turm, dessen Dach ich zu spitz finde. Dort ist eine Jugendherberge untergebracht, und ich bin beeindruckt von den abgelatschten Stufen, die wir aufsteigen nach oben in das kleine Fensterzimmerchen. Blick auf Watt, Sand und Bewuchs. In der Ferne das Festland und die anderen Inseln. Spiekeroog. Wir tun die ganze Zeit so, als wären wir auf Baltrum, das finden wir ziemlich lustig.