Manchmal möchte man sich gern die Unfähigkeit vertreiben lassen, es mit sich auszuhalten. Solche Tage gibt es. Da fahren wir mit dem Rad durch die Stadt und können uns nirgends zum Bleiben entscheiden, wir vertreiben zum Beispiel SMSse von Kindsmüttern, wahrscheinlich während einer ebensolchen Phase bei Alkohol getippt wie geht es dir? Das löst im Bildhauer eine Bilderflut hervor, die kann ich ihm nicht nehmen. Ich selbst bin damit beschäftigt zu entscheiden, ob ich dem Auftritt meiner Ex-Band beiwohnen sollte, auch meinerseits angestrengtes Erwägen der möglichen Folgen: diffuse Sehnsucht nach was, oder Klänge, die was anderes auslösen. Ich entscheide, nicht zu gehen, da aber das Ereignis in möglicher Hörnähe stattfindet, lausche ich, halte gar den Kopf zum Fenster hinaus, aber es sind nur die Nachbarn, die etwas Härteres aufgelegt haben. Der Bildhauer backt auf meinen Wunsch eine ziemlich perfekte Pizza mit Lachs und Spargel. Ich esse mich satt.

Wir gehen ab Nachmittag eigene Wege, meine pendeln zwischen Der Kleine Hobbit und Nichtstun, wie kann man diese magere Geschichte nur auf drei Stunden auswalzen, bildgewaltig, ja, aber. Zufällig entdecke ich Moriarty in einem anderen Film und in einer Nebenrolle Sherlocks Bruder Mycroft, beide nicht gut gewählt oder einfach nicht gut spielend, aber wahrscheinlich gehören sie der BBC.

Und trotzdem; es gibt viel Erfreuliches. Ich verbringe Zeit mit dem jüngsten Patenkind, das schon fast lesen kann, ich habe einige Jahre verpasst, weil die eigene Mutter mir auf der Seele lag. Die wundert sich, dass sie so etwas wichtiges wie Mutterschaft bzw. Geburt ihrer Töchter vergessen konnte. Ob ich wirklich aus ihrem Bauch gekrochen sei? Na, sage ich, nicht gerade gekrochen, eher rausgeflutscht, so mit viel Blut und Schleim. Buargh, macht sie und schüttelt sich. Ich lache.

Das Patenkind und ich bringen uns auch zum Lachen. Wir versuchen, Urmel aus dem Eis zu schauen, aber es findet es langweilig. Trotzdem kann es sich kaum lösen von der Betrachtung des Bildschirms, und ich necke es ein bisschen und kitzele es. Urmel aus dem Eis ist wirklich witzig, ich schaue die vier Filme später allein. Alles sehr langsam, 1969 hatte man noch Zeit, die Puppen gehen halt da so lang und das dauert. Urmel ist niedlich, Wutz dreckig, der Professor vergesslich, der Seelöwe nervt mit seinem Gesang. Wahrscheinlich waren alle bekifft und hatten unglaublichen Spaß beim Dreh, die Idee mit den verschiedenen Sprachfehlern trägt. Mupfel.

Eine gesellige Zeit. Halbwegs spontan kommt G. zur Kaffeezeit, und da sie auch Hunger hat, ist es eher ein spätes Mittagessen. Trotz ihres eher männlichen, fast verwüsteten Aussehens, das sie noch mit dunkler Schminke und extremem Haarschnitt verstärkt, ist sie der sanfteste Mensch, den ich kenne. Sie ist schlau, warmherzig und weltoffen und unser Gespräch klingt gut an. Am Donnerstag habe ich sie, die Busenfreundin und L. zum Abend bei mir. Alle werden rauchen und trinken, ich kann mich noch nicht entscheiden, ob ich Risotto reiche oder Nudeln mit selbstgemachtem Pesto.

Zudem tanze ich auf einer kreativen Welle – ein selbst erdachtes Projekt, das mit dementen Menschen zu tun hat, Zielgruppe: Mama, mehr sei noch nicht gesagt. Ich bündele alle zur Verfügung stehenden gestalterischen Käfte, d. h. Menschen, Kolleginnen, die etwas beisteuern könnten und mache mich bereit, gegen Ende Juni etwas zum Vorzeigen zu haben, damit es finanziert werde. Allen, denen ich davon berichte, sind begeistert. Es könnte groß werden. Lustigerweise spart die dauerpleitene Bürokollegin nicht mit Ratschlägen zur Vermarktung. Warum nicht in großen Maßstäben denken, skandiert sie. Warum nicht erstmal in überschaubaren Dimensionen, wehre ich ab. Es ist eher ein Herzensprojekt als ein kommerzielles. Also dann.

Es geht gut grad.