Neulich ist die Mutter gefallen und lag die ganze Nacht auf dem Boden. Sie wollte unter der Spüle nachschauen, warum dort Wasser ausläuft, hat wohl das Gleichgewicht verloren und ist rücklings mit dem Kopf an den nächsten Schrank gestoßen. Sie hatte keine Kraft allein wieder aufzustehen, ist in unser ehemaliges Kinderzimmer gerobbt, hat sich dort in die Flokatis eingerollt und dort geschlafen. Jede Stunde hat sie versucht hochzukommen, dachte wohl, gleich, gleich geht es, und so verging die Nacht, bis ich morgens anrief und, nachdem ich sie nicht erreichte, den Nachbarn losgeschickt habe; der fand sie in dieser peinlichen Lage, half ihr auf, und obwohl sie das Problem abwiegelte, machte ich mich nebst Bildhauer auf den Weg zu ihr in die Heimatstadt. Etwas Pflege, etwas essen, Gespräche. Ihr ganzer Körper würde schmerzen, da ich aber keine blauen Flecke fand, denke ich, dass sie Muskelkater hatte von der Mühe beim vergeblichen Hochstemmen.

Jetzt sind die Schmerzen fort und mittlerweile trägt sie einen Notfallknopf am Handgelenk. Das entschärft die Sorge aber auch nur minimal, denn auf Nachfrage bei den Johannitern, ob auch ich sie im Notfall anrufen könne, erwidert man streng, nein, das sei ja ein Notfallknopf, den könne nur die Inhaberin selbst auslösen. Also wieder alles nicht so einfach wie gedacht: Schlüssel hinterlegen und einfach mal zum Nachschauen vorbeischicken, falls Mama nicht ans Telefon geht. Hoffen wir, dass sie sich traut zu drücken.

Ich habe immer mehr den Eindruck, dass sie Abschied nimmt. Wie klein sie ist, 46 Kilo wiegt sie und die Kraft kommt nicht mehr zurück. Trotzdem will sie weiterhin allein im Haus leben und irgendwie geht es ja auch. Na, Träumerle, frag ich, woran denkst du?, wenn sie wiedereinmal ins Leere schaut. Sie denke an den Tod und dass sie sich nochmal alles richtig ansehen müsse. Am nächsten Tag reißt dieser Satz an meinem Herz und mir laufen, wo ich auch bin, die Tränen.

Ich hab gedacht, es wäre einfacher, sie gehen zu lassen. Du musst nicht traurig sein, wenn ich sterbe, sagt sie, und ich behaupte, ich sei es auch nicht, ich würde nur nicht wollen, dass sie am Ende noch vor sich hinsiechen müsse. Das glaube sie nicht, sagt sie schlicht, und ich denke, das stimmt.