Aufräumen, lesen, etwas schreiben, spazieren gehen. Später kochen. Ein halber Käsekuchen steht auf dem kühlen Fensterbrett, innen. Frohes Neues. Obwohl es sich bloß um ein recht willkürliches Datum handelt, anders als Sonnwend zum Beispiel, fühlt sich Neujahr doch jedes Mal besonders an. Als gäbe es eine Barriere zu überklettern oder tatsächlich etwas hinter sich zu lassen. Ich möchte nicht mehr so viel Sorge um Mama haben, vielleicht mache ich mit R. das Ritual zum Bindungen trennen. Diese Art klebriger Verbindung, die nur Familienmitglieder untereinander haben. Mit der Busenfreundin beschlossen, nicht mehr über die Familie zu reden, je mehr Worte, umso tiefer bleibt man drin stecken. Nicht ignorieren, sondern einfach vorbeiziehen lassen, wie in einer zünftigen Meditation.

Die Bestefreundin ist mittlerweile wieder von ihrem neuen Mann ("da ist ein neuer Mann in meinem Leben") getrennt. Er war entweder müde oder hat über die Sorge um seine Kinder gesprochen. Nach zweidrei Monaten schon keinen Sex mehr, sondern frühe Sofaschläfchen um acht. Wir reden über den Zwang zum Sex, das heißt, ich will darüber reden, aber sie versteht mich nicht, für sie ist es ein Recht auf Sex. Meine Güte. Ich verspüre seit gestern einen leichten Groll, nicht auf sie, sondern auf das Thema. Sich das Gewünschte einfach nehmen, im besten Fall natürlich teilen, weiß ich ja. Als Ziel gemeinsame Orgasmen. Wie absurd. Und dann noch einen und nochmal. Als gäbe es nur Nähe durch die unteren Chakren. Naja, sagt sie, eben auch unten und nicht nur im Herz. Sie müsste es eigentlich besser wissen.

Trotzdem ist der Jahreswechsel mit ihr und dem Bildhauer äußerst angenehm. Wir liegen vorm Kamin und quatschen oder kochen mehrere Gänge. Den Hügel, auf dem angeblich ordentlich geballert wird, erreichen wir 15 Minuten zu spät, nach einer nicht besonders gut vorbereiteten Nachtwanderung durch Wald und Heide. Beide Freunde haben anschließend wehe Füße und mir war ein wenig schlecht von der Aufregung, nachts durch unbekanntes Gelände zu laufen. Dreiviertelmond. Oben weht ein eisiger Wind und in der Ferne leuchten Raketen wie kleine Cocktail-Schirmchen über der Heide. Ganz plötzlich sind wir fast allein, und hätten wir nicht eine vergessene Taschenlampe mitgenommen, wir wären vielleicht verschollen.