Heruntergefallenes Gurkenstück auf Pflastersteinen (von mir selbst persönlich fotografiert)

Jetzt ist sie endlich, endlich gewesen, die Vernissage, auf der die Busenfreundin gemeinsam mit anderen ehemaligen Studenten zum Gedenken an unseren Herrn Professor Fotos ausstellt. Die Busenfreundin war seit Wochen aufgeregt und ich habe mich in den letzten Tagen anstecken lassen, weil ja auch noch ihre Website fertig sein musste und dann die nimmerendenen Diskussionen um Passepartous und Bilderrahmen. Viele Freunde und Bekannte und Bekannte von Bekannten aus Studienzeiten wiedergesehen, mit manchen gesprochen, mit manchen freundliche Blicke ausgetauscht. Die Halle ist voll mit Kunsteifrigen, die Fenster nur sehr klein, deshalb die Luft zum Schneiden und die Bilder allesamt irgendwie ziemlich gut, untereinander trotz Verschiedenheit in Sujet, Größe und Anordnung homogen – das bringt ein Gefühl von Zusammengehörigkeit der 16 Ausstellenden.

Und natürlich M., der Großformatiges hängen hat (das war nun ein ganz großartiger Nebensatz, der, weil ich ihn jetzt noch kommentiere, jegliche Zweideutigkeit verliert), auch wegen ihm aufgeregt gewesen. Wir hatten vor – ich hab's ausrechnen müssen – 26 Jahren eine, äh, Liebschaft über einige Monate, die mir ein Gefühl von Versagen gebracht hatte – wie ich mich sowas von angeboten hatte und er mich sowas von verschmäht hatte, und ich trotz der kurzen Angelegenheit zwischen uns, die nie zu echter Nähe führte, sowas von gelitten hatte, das Tagebuch vollgeschrieben mit meinem Liebesleid, irgendwie peinlich jetzt, aber das musste wohl so sein. Ich hielt ihn für einen Wichtigtuer und auch jetzt läuft er genauso zwischen den Leuten herum, geht 50 cm an mir vorbei, ohne seinen Blick von der imaginären Linie zu nehmen, auf der zum nächsten Grüppchen eilt. Erst später, aus ca. zehn Metern ein kurzes Kopfnicken, bei ihm von diesem Lächeln begleitet, ich selbst komme zu keiner besonderen Mimik in der Kürze des Augenkontakts (auch das ist ein wirklich toller Satz).

Damals hatte ich die Bestefreundin gefragt, sag mal, M. war doch eigentlich in dich verliebt anstatt in mich, oder? Als ich nämlich eines Spätabends mit M. nach Hause in die gemeinsame Wohnung mit der Bestenfreundin trat, lief sie gerade mit ihren hübschen nackten Beinen durch den Flur, zähnegeputzt und fertig zur Nacht, und später, als ich in der Bestenfreundin Schrank nach irgendwas suchte – und das habe ich noch nie erzählt, auch ihr nicht, weil es natürlich sehr peinlich ist zuzugeben, in fremden Schränken rumzuwühlen – fand ich einen Brief von M. an sie, in dem er von seiner Verliebtheit sprach, die ihn just erfasste, als er des Nachts in meinem Schlepptau ihre schönen braunen Beine erblickte, die unter ihrem Hemdchen durchlugten, wahrscheinlich schrieb er wirklich Hemdchen, das würde zu ihm passen.

Ich hatte derweil nichts gemerkt und wunderte mich auch nicht, dass er viel zu oft im Zimmer der Bestenfreundin rumlungerte, um mit ihr zu reden oder zu scherzen, während ich in meiner Kammer nebenan auf ihn wartete, um zu tun, was meiner Meinung nach zu tun sein müsste.

Als ich nach Jahren also die Bestefreundin darauf ansprach, lächelte sie etwas unsicher und antwortete wahrscheinlich irgendwas Vorsichtiges und Liebes, ich kann mich nicht mehr erinnern, aber hatte ja den heimlichen Beweis. Immerhin erwiderte sie seine Gefühle nicht, obschon sie zugab, geschmeichelt gewesen zu sein. Irgendwie war das Tradition unter uns jungen Frauen, einer eingeschworenen Gruppe von drei Studentinnen, die so manches Psychodrama durcharbeitet hatte, sich gegenseitig die Männer zu nehmen. M. also eher in sie verliebt und ich später mit D. im Bett, mit dem sie mal kurz zusammen war – erzählt habe ich ihr auch das nie. Sie dafür mit X. knutschend auf einer Party direkt vor St.s Nase, die monatelang schmachtend von ihrer heimlichen Verliebheit zu X. geredet und geredet und geredet hatte. Wer weiß, welche Kombinationen es noch gab, ich selber hatte eine Interessante, von der ich jetzt aber nicht schreiben möchte. Im Zusammenhang mit der Busenfreundin. Wo sich der Kreis wieder schließt.

Jene läuft immer noch aufgeregt zwischen ihren Freunden herum, die sich im ganzen Saal verstreut aufhalten, man bekommt uns nicht zusammen und am Ende, als ich mit der Gärtnerin und ihrem Freund draußen auf der Mauer sitze, entscheide ich, nicht gemeinsam mit allen essen zu gehen, sondern auf der Mauer zu bleiben; auf der Mauer vermeiden, uralte Gefühle wieder aufleben zu lassen, wozu auch.

Der Gärtnerin Freund holt uns Eis und wir führen ein angeregtes Gespräch über die berühmten Söhne berühmter Männer, die in Serien wie Forsthaus Falkenau und Der Landarzt mitspielen. Das ist viel schöner, als alles was ich mir heute noch vorstellen kann.





Oje. So war meine Jugend auch manchmal. Lässt man am besten hinter sich. Mitsamt den Wichtigtuern.
Oder mögen Sie etwa Großformate?

Haha, nein, gottbewahre!

Irgendwie war das Tradition unter uns jungen Frauen, einer eingeschworenen Gruppe von drei Studentinnen, die so manches Psychodrama durcharbeitet hatte, sich gegenseitig die Männer zu nehmen.

Warum eigentlich? Wegen des damit verbundenen Dramas?

Eine gute Frage. Ich weiß es nicht, ehrlich gesagt. Wahrscheinlich haben Sie recht. Was macht man nicht alles für ein bissel Thrill?