Mittwoch, 6. April 2022
Seit ich bei fb ein paar Häkelkanäle abonniert habe, bin ich wieder öfters dort. Dazwischen aber ttt und solche Sachen, nur kurz draufgeblickt und schon sehe ich zehn Gendersternchen. Auch erweist sich das Maskenfallen als äußerst zäh, weiterhin Schlangen vorm Bäcker, obwohl niemand mehr seine Fensterscheiben mit Verbots- und anderen Hinweisschildern plakatiert hat. Der Bioladen, mein Stammgeschäft, in dem ich praktisch alles kaufe, weil ich zu faul bin, wegen Klopapier zur Drogerie zu laufen, macht weiter mit Maskenpflicht. Bis zum bitteren Ende, möchte man rufen. Ich schaffe es nicht, einfach freundlich nachzufragen, sondern muffele meinen Weg zwischen den Regalen durch -- ich, die die ganzen zwei Jahre immer freundlich war nebst kleinerem Scherz auf den Lippen und vollstem Verständnis für derlei Zwangssituationen, breche praktisch mental ein, frage mich, was hier los ist und noch am gleichen Abend gehe ich ein paar Straßen weiter zum größeren Biomarkt, um zu sehen, wie man es dort hält: Man gönnt Freiwilligkeit, trotzdem bin ich auch hier die Einzige.

Die globale Berichterstattung empfinde ich als unsäglich. Deshalb habe ich mir Rollschuhe bestellt und erhoffe private Freuden mit der Erfüllung einiger Wünsche. Ich träume oft des nachts, dass ich perfekt Roll- oder Schlittschuhe fahren kann, alle Drehungen und Sprünge beherrsche und glatte Flächen und Bahnen entlangfliege. Wir werden sehen, ob ich das noch kann, 30 Jahre später. Dazu stricke ich mir gerade einen feschen Pullunder, der soll die Aufschrift Alexej in kyrillisch bekommen, Алексей, auf einem roten Streifen direkt über der Brust, so wie bei den olympischen Spielen. Hinten vielleicht eine 17 oder so. Das wird toll.

Auf der nahen Skaterbahn gibt es eine junge Frau, ebenfalls auf Rollschuhen, also zwei Räder vorn, zwei hinten, vielleicht frage ich sie nach Tricks. Die Gärtnerin wird ihr Skateboard rausholen, und dann gehen wir uns blamieren. Ich könnte auch апока́липсис draufsticken, fällt mir gerade ein. Über kurz oder lang werde ich brauchen kyrillische Tastatur.

Erstaunlich, dass es keine Artikel im Russischen gibt. Vorerst lerne ich Vokabeln, der Grammatik versperre ich mich noch, zumal die Lektionen so aufbereitet sind, dass ich wissen müsste, welche Fälle welche sind. Akkusativ? Von was kommt das? Accuse? Jemanden anklagen? Wen oder was?

Beim Lernen, es ist ein Superlearning-Online-Kurs, läuft eine Entspannungsmusik und es gibt Meditationen, um Körper und Geist aufnahmefähig zu machen. Jedem Wort weise ich eine Eselbrücke zu, es gibt wenige Begriffe, die sofort deutlich sind wie z. B. Televisor. Mit vielen tue ich mich äußerst schwer (die Zahl vier ist der reine Wahnsinn), sogar das Nachsprechen ist faselig, aber gerade diese Vokabeln bleiben. Eines der Wörter klingt wie abhyasa aus dem Sanskrit, für Übung, und heißt auf russisch sollen oder müssen. Gebongt. Während des Tages tauchen Begriffe in meinem Geist auf, und es ist beglückend, dass sie einfach so da sind und bleiben wie wertvolle kleine Sammlungsstücke, und ich spreche sie nach, manche kann ich dann schon übersetzen, manche noch nicht. Ich rede mit dem Bildhauer darüber, wie man sich so eine Zahl wie четы́ре bloß merken kann. Diese könnte ich auf meinen Pullunder sticken, fällt mir gerade ein.

Naja, so halt.