Topic: Familienbande
Die Schulfreundin zitiert sich selbst, du machst mich nabeloh hätte sie ihrem Mann zugerufen, im Verlauf eines Problemgesprächs, nabeloh, ich höre auf, wieder so ein Wort aus alter Ferne, auch das kenne ich von meinem Vater, nabeloh machten wir ihn, verrückt. Nabeloh, schucken, meimeln, göbeln, beseibeln, Hacho – ich erinnere mich an viele Begriffe aus dem Rotwelsch, die auch in meiner Familie und meinem Freundeskreis benutzt wurden. Lustigkeit kommt auf, obschon nabelo bereits einen erhöhten Grad an Verücktgemachtsein beschreibt. Das Wörterbch, das die Schulfreundin besitzt, ist leider kein etymologisches, und so finde ich nabeloh als sehr geheimnisvoll, aus dunklen Tagen und mit nichts verwandt als dem hochgradigen Genervtsein meines Vaters.
Am Montag besuche ich, nachdem ich von der Schulfreundin komme, auch meinen noch trauernden Vetter J., ich muss feststellen, dass wir eigentlich nie zu zweit miteinander geredet haben, immer waren wir zu mehreren, sein Bruder M. war mit dabei, oder meine Mutter, schlimmstenfalls, als wir Kinder waren, wusste meine Großmutter, als zweite Frau unseres Großvaters, alle Familienverhältnisse zu verschleiern, denn mit M., dem Behinderten, wollte sie nichts zu tun haben, und auch U., unsere Kusine, hatte als uneheliches Kind der Stieftochter keine Schnitte bei der strengen Frau.
J. wohnt immer noch im großelterlichen, 150 Jahre alten Haus mitten in der Stadt. Dort ist es eng und das Wohnzimmer, als herrschaftliches Zimmer zur Straße gerichtet, was leider nach Norden, bedeutet, worein niemals die Sonne scheint, ist zudem mit langen Gardinen bedacht, die Möbel sind noch von damals und U. berichtet, dass sogar der Nippes der letzten Jahrzehnte unverändert an gleicher Stelle steht. J. hat Kuchen, den ich fast ganz allein esse und auch der Kaffee ist sehr lecker, das ist ja Tradition in unserer Familie. Tradition ist auch das aufbrausende Naturell, schon die Sendung einfachster Ausdrücke birgt Gefahr, als Reizwort bei J. anzukommen, worauf er sofort nabeloh wird und lauthals kontert, mit irgendwas. Wenn man es nicht persönlich nimmt, ist es wie bei einer Satiresendung, bei der man sich auf der richtigen, lachenden Seite wähnt, sobald man aber nicht aufpasst, bleibt einem das Lachen im Halse stecken, wegen der ganzen schlimmen Wahrheit, die drinsteckt.
Was wäre die schlimme Wahrheit bei J.? Ich kann es nur ahnen. Wir reden über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, über Gott und die Welt. Er öffnet sich mir nur langsam, aber dass er es kann, macht mich froh. Er hat auf Ehe und Kinder verzichtet, die zu pflegende Mutter und der behinderte Bruder waren ja Familie genug, niemals hätte er beide im Stich gelassen, und die einzige mögliche Partnerin kam damit nicht klar und verließ ihn. Ebenso sehe ich einen älteren dicklichen Mann, der Ähnlichkeit mit meinem Vater hat, mit mir in seiner krumpeligen Küche sitzen, der schlau und belesen ist, kultiviert, mit einem großen, liebevollen Herzen, das mich zu Tränen rührt.
Am Montag besuche ich, nachdem ich von der Schulfreundin komme, auch meinen noch trauernden Vetter J., ich muss feststellen, dass wir eigentlich nie zu zweit miteinander geredet haben, immer waren wir zu mehreren, sein Bruder M. war mit dabei, oder meine Mutter, schlimmstenfalls, als wir Kinder waren, wusste meine Großmutter, als zweite Frau unseres Großvaters, alle Familienverhältnisse zu verschleiern, denn mit M., dem Behinderten, wollte sie nichts zu tun haben, und auch U., unsere Kusine, hatte als uneheliches Kind der Stieftochter keine Schnitte bei der strengen Frau.
J. wohnt immer noch im großelterlichen, 150 Jahre alten Haus mitten in der Stadt. Dort ist es eng und das Wohnzimmer, als herrschaftliches Zimmer zur Straße gerichtet, was leider nach Norden, bedeutet, worein niemals die Sonne scheint, ist zudem mit langen Gardinen bedacht, die Möbel sind noch von damals und U. berichtet, dass sogar der Nippes der letzten Jahrzehnte unverändert an gleicher Stelle steht. J. hat Kuchen, den ich fast ganz allein esse und auch der Kaffee ist sehr lecker, das ist ja Tradition in unserer Familie. Tradition ist auch das aufbrausende Naturell, schon die Sendung einfachster Ausdrücke birgt Gefahr, als Reizwort bei J. anzukommen, worauf er sofort nabeloh wird und lauthals kontert, mit irgendwas. Wenn man es nicht persönlich nimmt, ist es wie bei einer Satiresendung, bei der man sich auf der richtigen, lachenden Seite wähnt, sobald man aber nicht aufpasst, bleibt einem das Lachen im Halse stecken, wegen der ganzen schlimmen Wahrheit, die drinsteckt.
Was wäre die schlimme Wahrheit bei J.? Ich kann es nur ahnen. Wir reden über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, über Gott und die Welt. Er öffnet sich mir nur langsam, aber dass er es kann, macht mich froh. Er hat auf Ehe und Kinder verzichtet, die zu pflegende Mutter und der behinderte Bruder waren ja Familie genug, niemals hätte er beide im Stich gelassen, und die einzige mögliche Partnerin kam damit nicht klar und verließ ihn. Ebenso sehe ich einen älteren dicklichen Mann, der Ähnlichkeit mit meinem Vater hat, mit mir in seiner krumpeligen Küche sitzen, der schlau und belesen ist, kultiviert, mit einem großen, liebevollen Herzen, das mich zu Tränen rührt.
akrabke | 11. April 2019, 13:28 | 0 Kommentare
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