Sonntag, 3. Dezember 2017
„Kommt L. auch noch?“ fragt Mama. Welche L., frage ich zur Sicherheit, vielleicht meint sie ja wen anders. Na, du weißt doch! Deine Schwester? Sie lächelt milde, als wäre ich blöd. Meine immer gleiche Antwort nimmt sie gelassen, alle schon gestorben vor langer Zeit (und hoffentlich im Himmel). Niemand mehr da. Ihre Traurigkeit darüber gelangt nicht mal mehr zum Entsetzen und dauert ungefähr fünf Sekunden, dann greift sie zum Dominostein auf dem Keksteller. Alfons setzt sich zu uns an den Kaffeetisch und erzählt aus seinem Leben, Werkzeugmacher und 30 Jahre bei VW mit guter Rente, in der Nähe von Breslau geboren, jetzt 90 Jahre alt und schon zwei Jahre im Heim. Er ist noch gut beieinander und hat hier eine Bekannte gefunden. Als er aber über seine Frau spricht, mit der er 60 Jahre zusammen war, vier Jahre im Demenzheim in der Kleingruppe, zweimal die Woche hat er sie besucht, sie hat ihn nicht mehr erkannt und sagte gemeine Sachen — da füllen sich seine Augen mit Tränen und sein Kinn zittert. Kennen Sie Demenz? Ja, antworte ich, während sich mein Herz zusammenzieht, wir beide nun mit tränenbeschwerten Lidern. Mama bekommt nichts mit und lacht über irgendwas anderes. Sie ist fröhlich und futtert sich durch den Nachmittag. Später finden wir uns spontan mit einigen anderen Angehörigen beim Gartenhäuschen in der Kälte ein und singen Weihnachtslieder. Es ist richtig schön.
Die Puschen, die ich Mama, zurück im Zimmer, überziehen will, erkennt sie nicht mehr als die ihren.