Topic: Familienbande
Heute hätte ich Mama zu Hause angerufen, sie wäre von ihrem Sessel hoch, hätte das Telefon genommen und ich hätte ihr aufgeregt erzählt, wie mein erster Arbeitstag als Ausbilderin war. Sie hätte mich ermutigt, hätte mir zugestimmt, mit mir gelacht und mich beschwichtigt, wenn nötig. Ich hatte so ein großes Bedürfnis in ihre Arme zu sinken und mich tragen zu lassen. So sollte eine Mutter sein. Dieser Impuls, dieser Wunsch, sie anzurufen und dass alles so wie früher sei, Perserteppiche unter ihren Füßen, Gardinen vor dem Fenstern und nebenan die Küche, brachte mich beinahe zum Weinen.
Statt dessen sehe ich mich mit ihr auf der Bank sitzen, gestern abend, sie lehnt ihren Kopf an meine Schulter, wir haben zwei Kissen unter, die Bank steht ein wenig abwärts und mein Ischias tut weh. Die Bank steht schräg im Garten des Stifts, in dem sie nun wohnt, vielleicht nicht für immer, wer weiß, wir sind still und beobachten die Kaninchen, die sich gegenseitig jagen. Ich streichele ihren Arm und ihren Kopf, als wäre sie mein kleines Mädchen.
Eine Gutachterin vom medizinischen Dienst war wieder bei ihr, diesmal gibt es neue Phrasen, Alltagskompetenz stark beschränkt, nimmt ihre körperlichen und seelischen Bedürfnisse nicht wahr, ich finde mich in meiner Rolle als die Stärkere noch nicht zurecht. Dazu habe ich jetzt zwei Auszubildende, denen ich Vorbild sein soll, und so manches Mal an diesem Tag weiß ich nicht, wie das gehen soll.
Die Katastrophe war nicht ganz so groß, Mama war im Keller gestürzt und lag, als meine Schwester ankam, mit Blutergüssen übersät, im Bett, sie hat keine Erinnerung, wie sie aus dem Keller hochkam, auch nicht an die Woche im Krankenhaus und nicht, dass Dudi und ich sie in der Woche danach gepflegt hatten. Es macht mich fertig, dass ich mich nicht erinnern kann, ruft sie, und wir berichten ihr mehrmals. Dudi und ich beschließen, dass sie nicht mehr allein leben kann, und ich finde noch vor dem Wochenende ein Heim in meiner Nähe, 15 Minuten mit dem Rad, wir ziehen mit ihr um, packen heimlich Sachen zusammen aus Angst, dass es ein Drama gibt und weil wir nicht wissen, was sie überhaupt mitbekommt. Während der Fahrt weint sie eine Weile bitterlich und es will mir das Herz zerspringen, dann wieder wendet sich die Stimmung, der Bildhauer macht einen lieben Witz und wir lachen.
Ihr Zimmer ist zweckmäßig und doch gemütlich mit Erker, in den am Mittag die Sonne scheint, Dudi breitet sich schon in Mamas zukünftigem Bett aus und will am liebsten bleiben. Die mitgebrachten Lampen versprechen Heimeligkeit, draußen fährt die Straßenbahn vorbei, die zu betrachten bald zu Mamas Lieblingsbeschäftigung wird. Vergessen sind die bösen Vorwürfe, ihre weltfernen Vorschläge, wir könnten doch alle zusammen im Elterhaus wohnen und von ihrer Rente leben. Vergessen auch die Unmengen von Lebensmittel, die ich wöchentlich besorgt und in der nächsten Woche wieder weggeworfen habe, sie hat eigentlich kaum mehr was gegessen. Jetzt beginnt der dritte Monat ihres Wohnens im Heim. Und jetzt erst kann man sagen, dass wir alle langsam zur Ruhe kommen. Wie gut das Abgeben tut.
Statt dessen sehe ich mich mit ihr auf der Bank sitzen, gestern abend, sie lehnt ihren Kopf an meine Schulter, wir haben zwei Kissen unter, die Bank steht ein wenig abwärts und mein Ischias tut weh. Die Bank steht schräg im Garten des Stifts, in dem sie nun wohnt, vielleicht nicht für immer, wer weiß, wir sind still und beobachten die Kaninchen, die sich gegenseitig jagen. Ich streichele ihren Arm und ihren Kopf, als wäre sie mein kleines Mädchen.
Eine Gutachterin vom medizinischen Dienst war wieder bei ihr, diesmal gibt es neue Phrasen, Alltagskompetenz stark beschränkt, nimmt ihre körperlichen und seelischen Bedürfnisse nicht wahr, ich finde mich in meiner Rolle als die Stärkere noch nicht zurecht. Dazu habe ich jetzt zwei Auszubildende, denen ich Vorbild sein soll, und so manches Mal an diesem Tag weiß ich nicht, wie das gehen soll.
Die Katastrophe war nicht ganz so groß, Mama war im Keller gestürzt und lag, als meine Schwester ankam, mit Blutergüssen übersät, im Bett, sie hat keine Erinnerung, wie sie aus dem Keller hochkam, auch nicht an die Woche im Krankenhaus und nicht, dass Dudi und ich sie in der Woche danach gepflegt hatten. Es macht mich fertig, dass ich mich nicht erinnern kann, ruft sie, und wir berichten ihr mehrmals. Dudi und ich beschließen, dass sie nicht mehr allein leben kann, und ich finde noch vor dem Wochenende ein Heim in meiner Nähe, 15 Minuten mit dem Rad, wir ziehen mit ihr um, packen heimlich Sachen zusammen aus Angst, dass es ein Drama gibt und weil wir nicht wissen, was sie überhaupt mitbekommt. Während der Fahrt weint sie eine Weile bitterlich und es will mir das Herz zerspringen, dann wieder wendet sich die Stimmung, der Bildhauer macht einen lieben Witz und wir lachen.
Ihr Zimmer ist zweckmäßig und doch gemütlich mit Erker, in den am Mittag die Sonne scheint, Dudi breitet sich schon in Mamas zukünftigem Bett aus und will am liebsten bleiben. Die mitgebrachten Lampen versprechen Heimeligkeit, draußen fährt die Straßenbahn vorbei, die zu betrachten bald zu Mamas Lieblingsbeschäftigung wird. Vergessen sind die bösen Vorwürfe, ihre weltfernen Vorschläge, wir könnten doch alle zusammen im Elterhaus wohnen und von ihrer Rente leben. Vergessen auch die Unmengen von Lebensmittel, die ich wöchentlich besorgt und in der nächsten Woche wieder weggeworfen habe, sie hat eigentlich kaum mehr was gegessen. Jetzt beginnt der dritte Monat ihres Wohnens im Heim. Und jetzt erst kann man sagen, dass wir alle langsam zur Ruhe kommen. Wie gut das Abgeben tut.