Sonntag, 4. Mai 2014
Stille. So müsste jeder neue Text beginnen. Aber ich habe die Nachbarin auf dem Kieker meiner Aufmerksamkeit. Neuerdings lärmt sie, knallt durchschnittlich jede Minute mit Fenster oder Türen und oben bei mir wackeln die Wände. Nachts werde ich wach, weil wieder eine Erschütterung durch den Boden läuft, auf dem direkt der Futon liegt, der mitschwingt und kaum dämmt. Das geht jetzt seit Tagen so, sie scheint zudem einen neuen Freund zu haben, dem ich letzte Woche im Hof begegnet bin, ein wenig trunken warf er eine Kusshand zu ihrem Fenster rauf, klein, mit wildem Haar auf Haupt und im Gesicht. Der passt doch gar nicht zu ihr, denke ich tantenhaft.

Bevor meine Genervtheit überhandnimmt, hefte ich nachts eine nette Postkarte mit ein paar bemüht neutralen freundlichen Zeilen an ihre Tür, sie war gerade herausgegangen zum Ausgehen, es war unüberhörbar.

Nachts schlief ich mal durch, bis vier, allerdings mit seltsamen Träumen gegen morgen. Als ich heute zum Spaziergang raus und an ihrer Tür vorbeikomme, sehe ich die Postkarte noch kleben. Entweder lässt sie sie jetzt einfach dort, damit alle Hausbewohner sehen, was ich für eine piefige Kuh bin oder sie ist noch gar nicht wieder zurück. Ich frage mich allerdings, wer jetzt gerade unter mir herumrumpelt.

Ob ich empfindlicher werde? Gegenüber basslastigen Geräuschen und die hohen gleich nicht mehr höre? Oder ich bin eifersüchtig auf junge Menschen, denen frisch verliebt alle Türen und Fenster aus den Händen gleiten, egal, ob bei anderen die Tassen aus den Regalen fallen. War das denn früher auch so?

Unbeabsichtigt beschließe ich wieder mitzulärmen, denn während ich auf das Kesselwasser warte, räume ich ein bisschen auf, den Eisenring will ich weghängen, der den Rost über der Gasflamme verkleinert. Vergesse, dass ich mir dort gerade den Grießbrei gekocht hatte, fasse an – und, scheiße ist das heiß! – lasse sofort wieder los, nicht nur das, ich werfe ihn seitlich fort, wo er klöternd vom Herd abprallt und in die Lücke zur Spüle fällt. Mir zischt regelrecht die Haut weg, ein Schrei und ein Fluch lassen sich nicht unterdrücken – tatsächlich, tut verdammt weh heiße Eisen anzufasssen! Drei Finger und der Daumen sind hinüber.

Konsequenz: Lärm hat mir jetzt egal zu sein. Isses zwischen eins und drei, tags oder nachts? Dann is' gut, reich mir den Werkzeugkasten und lass uns schauen, was es zu tun gibt!