Samstag, 8. Juni 2019
Ich hatte mich eingelesen. Wenn ich an einem Thema dran bin, dann richtig. Wird es nun wärmer oder nicht? Unerträglich fand ich ich die Hitzeperiode im letzten Jahr, die noch verschärft wurde durch die Hitzewellen, die mein eigener Körper hervorzubringen fähig war. So als würde die Sahara eine zusätzliche, um weitere 30 Grad erhöhte Böe durch die sowieso schon mehr als kuschelige Küche schicken.

Also menschengemachter Klimawandel. Was ist dran, was ist fakt? Über viele Tage hatte ich Informationen aus Print und Web angesehen und gelesen und landete unweigerlich bei Vertretern der Antithese. Ich wusste tatsächlich bisher nicht, aus welchen Argumenten, Theorien und Fakten diese bestehen könne und fand sie dann irritierend plausibel. Gestern spät Abends sah ich nach Lebensläufen der Protagonisten und entdeckte, dass diese von der Gegenseite des politischen Spektrums kommen, zu dem ich mich zählen würde.

Einer dieser Vorträge beginnt mit einer Definition von Unwahrheit, die aus Lüge und Illusion bestünde. Im weiteren Verlauf wird immer wieder dringlich aufgefordert, sich über die Aussagen selbst zu informieren, die Daten und Fakten seien ja überall zugänglich, und gerade dadurch gewinnt er mein (vorübergehendes) Vertrauen. Es folgen sechs Stunden, in denen Aussagen, Statistiken, historische Erkenntnisse, Schlüsse usw. präsentiert werden. Im Moment kann ich nichts davon veri- oder falsifizieren, denn ich bin ja nicht vom Fach. Ich nehme auf, ich nehme wahr, erstmal. –

Ich mag ja Definitionen. In den yoga sutras werden fünferlei Trübungen (vrittis) der Wahrnehmung beschrieben, manche leidvoll, andere angenehm.
  • Gegenständliche Wahrnehmung (Pramana) basiert auf dem, was vor den Sinnen erscheint (Pratyaksha), was aus dem Intellekt entsteht (Anumana) und auf der Überlieferung (Agama). ||7||
  • Fantasie (Viparyaya) basiert auf falschem Wissen (mithya jnana), das auf einer falschen Vorstellung (atadrupa) beruht (pratishtham). ||8||
  • Mentale Konstruktion (Vikalpa) basiert (anupati) auf Wort-Wissen (Shabda Jnana), ohne Bezug (shunya) zu einem realen Objekt (Vastu). ||9||
  • Dösen (Nidra) ist die Abwesenheit (abhava) aller Eindrücke (Pratyaya), basierend (alambana) auf einer trägen Trübung (tamo vritti). ||10||
  • Erinnerung (Smriti) entsteht aus der Vergangenheit (anubhuta), wenn die Erfahrung (vishaya) noch nicht verblasst ist (asampramosha). ||11||
Zurück zum Vortrag. Am irritierendsten finde ich nicht die Fakten/„Fakten“ selbst. Mich verstört es, dass es über diese hinaus keinerlei Möglichkeit gibt, die Wahrheit an sich zu erkennen. Mein spiritueller Lehrer hat immer wieder dazu angehalten, (auch ihm) nichts zu glauben, was man nicht selbst geprüft hat. Dazu lehrte er die tools zur Erkenntnis der Wahrheit. Die yoga sutras beschreiben den Weg dahin. (Diese bitte selbst lesen, haha.)

Ich nehme an, das gesamte Thema (sowie auch alle anderen, die zur Zeit populär diskutiert werden) ist von vrittis getränkt, und zwar bei allen Wissenschaftlern und Studenten, die dazu forschen, ferner bei allen, die den Wissenschaften vertrauen, ihren Erkenntnissen glauben und sie zur Basis ihres Handelns machen und weitere Unterkategorien von Leuten am Stammtisch oder auf Picknickdecken. Sehr verwurschtelt. Ich möchte nicht wissen, wie hoch der Glaubensanteil ist, man muss sich ja erstmal gläubig nähern, wenn man’s nicht selbst erforschen kann.

Was genau aber könnte das Wissen sein, das ich selbst (gewonnen) habe?

Alles ist ständigem Wandel unterworfen. Das kann ich in der Natur beobachten und an mir selbst, denn ich bin – wie wir alle – Teil der Natur. Prozesse des Entstehens und Vergehens sind natürlich. Ich kann weiter annehmen, dass es für den gesamten Planeten und sämtliche Vorgänge auf, in und über ihm gilt, für unser Sonnensystem und alle Galaxien.


Die yogasutras sind wahr. Ich habe sie studiert und ihre Stimmigkeit in/an mir selbst erfahren. Ich kenne alle vrittis. Ich nehme an, dass nicht nur ich an Trübungen im Geist leide oder mich erfreue, sondern alle Menschen, Wissenschaftler, Gläubige, Weise usw. ebenso.

Es gibt Hitzewellen. In meinem Körper seit fast zehn Jahren, haha. Sie kommen und gehen, ich habe Kälteperioden, Überschwemmungen, Trockenzeiten. Tag und Nacht wechseln sich in mir ab, Gutes und Böses taucht auf. Das ist jetzt ein bisschen albern, aber warum sollte ich es nicht zur Liste meiner selbst gewonnenen Erkenntnisse hinzufügen?

So. Was geht noch? G., die Sufi-Übende, empfiehlt, nach den Gefühlen zu schauen, die so eine Ansprache in einem selbst auslöst. Was mich letztlich abgestoßen hat, war, dass die in Aussicht gestellte Erwärmung und die daraus resultierenden Veränderungen, ob katastrophal oder angenehm, im Leben, Lieben, Wohnen und Arbeiten aller mit keinem mitfühlenden Wort Erwähnung fanden – die Arroganz eines Menschen, der nicht Tod noch Teufel scheut, stand im Gesicht dieses Redners.




Montag, 3. Juni 2019
Eine andere Persönlichkeit überstreifen, wie einen Anzug, vielleicht auch das Geschlecht wechseln. Natürlich virtuell, trotzdem so real wie möglich. Da entsteht eine ganz neue Kreativität, neue Bilder, eine andere Sprache.

Mit Reisen an eine kleine See, dort auch unterschiedliche Persönlichkeiten in der Nähe, ganz besonders Geliebte, vorher Gekannte, schon miteinander gespielt, durch Dudis Bauchdecke hindurch. Wenn ich ihn ansehe, ist da nichts anderes als Liebe, erwartungslos und rein, so war es immer.


Wieder anders reizvoll der flache, himmelwärts blau durchscheinende Nebel um die Leserin und mich, an einem östlichen Meer. Auch sie in naher Nähe, nachts schnarchend, ich daneben ohne Schlaf, dafür mit Zweifeln, ob Nähe überhaupt gut sei und lege Patiencen. Draußen jede Menge lautes Kopfsteinplaster.

Und die Bienen. Die ersten Keime der Kefe und anderer Pflanzen auf dem Fensterbrett. Dazu Sonne, oder feiner Regen, der mich völlig durchnässt auf dem Weg zum Garten der Damen S. + R., um nach den Möhren schauen, angeblich sind da aber fast nur Ringelblumen.

Online-Gesprächen zuhören. Viel Lachen und auch weinen. Die eine lacht und weint über eine Viertelstunde. Ich bin neugierig, was ihr in diesen Momenten so durch den Kopf geht. Viel lesen in der Sonne, Marget Atwoods Trilogie von der Flut. Der Bücherstapel auf dem kleinen Tisch wächst. Meditationen vorm Altar, kein Ziel mehr, schon erreicht.

*Diesen Text habe ich 2014-04-06 21:52 geschrieben, aber nicht online gestellt, ich weiß nicht mehr warum. Eigentlich wollte ich heute anderes erzählen mit der Überschrift 'Bei mir ist alles echt', über die Prinzessin, von der ich jahrelang geglaubt habe, sie sei ein Prinz, und dass ich sie trotzdem geliebt habe, nachdem wir uns endlich in den Armen hielten. Daran möchte ich mich heute (nur) erinnern.




Mittwoch, 12. November 2014

Ich weiß schon, warum der Bildhauer und ich die Gesteine so schön finden. Da ist das Elend schon längst vorbei, alles hinüber und nur noch Abbild.




Montag, 8. September 2014
Jedes einander Zugeneigtsein ist besonders und verändert die Beteiligten. Die einen Anteil daran haben, nämlich den jeweils eigenen. Manchmal weiß ich nicht, ob das wünschenswert ist. Aber ob ich's mir wünsche oder nicht, es passiert so.

Parasole von unten

Wir beide haben Pilze gefunden, große, weiß-braun gescheckte Parasole, die in Gruppen auf der Wiese standen. Pilze befremden mich, sie sehen aus wie nichts anderes auf der Welt und ich halte besonders sie für Formen seltsamster Naturgeister. Aber diese sind lecker und wir bereiten sie zu wie Schnitzel. Dazu den Holzteller voll mit frischen kleinen Haselnüssen, die ich in der Pfanne geröstet habe, damit sie ihre allergenen Stoffe verlieren. Im Hain gab es Unmengen zu sammeln und wieder waren wir reich beschenkt heimgekehrt.

Langsam lernen wir uns kennen. In vielem ist der Bildhauer mir ähnlich, das macht das Miteinandersein einfach. Er leiht regelmäßig Unmengen Bücher aus, im Stapel dieser Woche findet sich einiges über die Steinzeit, Mammuts und Höhlenmalerei. Die Künstler der Zeit waren präzise Beobachter – wie sie mit einfachen Linien die Umrisse der Tiere erfassen und in Bewegung bringen, finde ich äußerst faszinierend. In der Nähe des Bildhauers mit seinen mannigfaltigen Interessen fühle ich mich in Phantasiewelten geborgen, die ich aus der Kindheit kenne.


Wir sprachen über Formen – dass wir, oder Künstler allgemein, Formen erschaffen, die sich wieder und wieder ähneln, ähneln müssen, denn der Ausdruck ist doch begrenzt und immer erkennt man den Stil eines Bestimmten. Gestern waren in der ganzen Stadt Ateliers für Besucher geöffnet, wie jedes Jahr, und wir haben einige besucht. Manche der Schaffenden sind ehemalige Studienkollegen des Bildhauers, sie begrüßen sich mit erprobter Gelassenheit und auch ich treffe ein paar Bekannte. Wie auf einer Zeitreise, mit einem Schlag alle 25 Jahre älter. Ich ebenso, die Reisende selbst. Trotzdem, ihre Formen und Bilder gleichen sich, sie erschaffen sie täglich neu, mit nur geringen Abweichungen. Eine Eiche bleibt eine Eiche und wird nicht plötzlich ein Birnbaum. Erstaunt mich das? Ein Sujet auf ewig? Oder jedenfalls bis zum Tod. Das könne man ihm auch vorwerfen, erwidert der Bildhauer, er mache letzlich auch immer das Gleiche. Mich stört's nicht, denn mir ist, als seien seine Objekte Materialisierungen meiner Meditationen. Bunt, filigran, seltsam und oft tierartig.

Spinnen-Vorratspäckchen

Im Riesenknöterich-Wald

Vielleicht beschäftige ich mich auch zu sehr mit meinem lieben Gegenüber. Die Zeiten, die ich allein verbringe, sind mir weiterhin kostbar und es dauert immer eine Weile, bis ich wieder ganz bei mir bin. Das Bedürfnis, alle Eindrücke aufzulösen, ist stark. Die Pilzhüte, das Haselnussbraun, die hellgrünen bambusähnlichen Stangen des Riesenknöterichs, von denen der Bildhauer ein Bündel zurechtschneidet, der See, in dem sich bauschige Wolken spiegeln, das schon herbstlich anmutende Selbstschneideblumenbeet, dort die Katze mit verschiedenfarbigen Augen und hellbraunem Fell, das Sfumato bis zur Linie der Bergkette, weitere Wolken auf lichtem Grau, das sich im Westen sonnig erhellt – das ist alles sehr sehr viel und am Abend bin ich erschöpft und falle um neun ins Bett.




Montag, 10. März 2014
Den Beutel mit Erde aus dem Kabuff geholt und schon mal überall was verteilt. Dabei entdecke ich, dass die Eichel, die das Rieseneichhörnchen im Olivenbaum-Topf versteckt hatte, einen kleinen Trieb trägt und als ich versuche sie auszugraben, um sie einzutopfen, fühle ich eine lange Wurzel, die weit bis unten in den Topf reicht. Vorsichtig friemele ich dran rum und bette sie um, und jetzt hat die zukünftige Eiche ihren eigenen Tontopf. Auch habe ich mich im Schrebergarten von R. und S. nützlich gemacht und das Gemüsebeet umgegraben. Dort kann ich ein paar der Sämereien ausbringen, die ich von einer Kampagne gegen GMO-Saatgut übrig habe, weiß nicht, ob das noch keimt, ist schon her. Früher Heinrich, Möhren, Salat, Kürbis und verschiedenste Bohnensorten, ging ja um Bio-Diversität damals. Sogar Getreide ist dabei, Ur-Dinkel, Emmer, Roggen und Mais.

Das Wachsen und Gedeihen um mich rum gefällt mir. Frühling gefällt mir. Die Erde riecht gut. Auch die vielen Sozialkontakte tun gut, muss nur ein bisschen aufpassen, dass ich's nicht übertreibe und mir genügend Alleinsein gönne.

Dieses Jahr fühlen sich die ersten warmen Tage an wie neu und noch nie vorher erlebt.