Was für eine Gnade, zwischendurch alles abwerfen zu können. Den Körper in eine aufrechte entspannte Haltung bringen und aufhören anzuhängen. Den Philosophen Jochen Kirchhoff – und durch Nennung seines Namens am Anfang des zweiten Satzes dieses Blogeintrages bekommt er eine Wichtigkeit, die er nicht haben sollte – habe ich am vierten Jahrestages des mahasamadhi des geliebten Lehrers zu hören und zu lesen begonnen. Mein Privatstudium – endlich ein Begriff, mit dem man die Vita auffrischen kann – hatte mich erst durch weltliche Themen getragen, auf einem Boot von Interesse, Ablehnung, dann wieder Wissbegierde treibend, wo ist rechts, wo links, und das weniger im politischen Sinn, backbord, steuerboard, eine Reise ins All, und der Philosoph hatte dazu die Landkarte. Und Sprache! Möglichst weit/fern von abgelutscht-esoterischen Begriffen versucht er eine Kosmologie des Geistes, des Bewusstseins. Hier wieder meine Freude an der Muttersprache, die das recht einfache Englisch des indischen Lehrers durch den Philosophen zu transzendieren scheint. (Ist das überhaupt ein sinnvoller Satz?) Der megatechnische Pharao als Widersacher des kosmischen Anthropos. Meine Güte. Ein Weltgefühl, das eine Verantwortung trägt/birgt. Während die vedantische Sicht die prakriti als maya, als Täuschung sieht, wertet sie sie ab, oder? Der Philosoph hingegen beschreibt den Kosmos als unendlich komplexes, ja bewusstes Gebilde. Und plötzlich wird aus Angst vor Leere Anbetung der Fülle – eine äußerst geschmeidige Umkehr des Blickes auf die Dinge, ein shift, aber dies ist auch schon wieder so ein durchgenudeltes Wort. (Swami antwortete auf meine Frage, ob man nicht auch in Betrachtung der Natur Erleuchtung erlangen könnte, das würde bedeuten, die Schöpfung über den Schöpfer zu stellen. Ich habe nicht antworten können, dass doch beides eines sei. Wir befanden uns inmitten des großen Disputes zwischen vedanta und samkhya.)

Und so ist dieser Sommer in vieler Hinsicht besonders. Endlich wieder normales Wetter, beschwört wetter-online, geil auf Drama. Ich weiß eigentlich nicht, was normales Wetter sein soll. Erinnerungen an heiße Nächte unter Laken, die die Mutter statt der Bettdecken bereitgelegt hat und trotzdem jammerten Dudi und ich im erhitzen Dunkel des Kinderzimmers. Straßen und Wege, vor denen unsere nacktgewohnten Füße zurückschreckten, die einzige Abkühlung vom Sprengding, unter dessen Regenbogen wir herumhopsten, und das Gras war eine große Pfütze nach Stunden der Freude. Die gemäßigten Zonen verschöben sich nach Norden. All diese Nachrichten – was für eine Gnade, zwischendurch alles abwerfen zu können. Den Körper in eine aufrechte entspannte Haltung bringen und aufhören anzuhängen.