Manchmal gönne ich mir einen Besuch bei dem Mütterchen, bei dem ich keine besondere Rolle spiele. Weder die der tröstenden oder zurechtweisenden, noch die der traurigen Tochter oder der nach einem aufmunternden Gespräch suchenden. Dann gehe ich zur Gartengruppe ins Heim. Eine der Betreuerinnen, Mama nennt sie Lehrerin, hat im hinteren Teil des Grundstücks einen Garten angelegt, mit kleinen Wegen und einer Sitzgruppe inmitten von bereits üppig wachsenden und blühenden Pflanzen, in Erdreich und Hochbeeten, in Töpfen und Kästen. Auch gibt es einen kleinen Brunnen, der niedlich plätschert, sobald die Sonne scheint, denn er läuft auf Solar. Sogar das Mütterchen weißt das mit dem Solar.

Die sechseckigen Hochbeete sind praktisch. Man kann mit dem Rollstuhl ranfahren, sitzend die Arbeit verrichten und sich mit den Ellenbogen auf dem Rand abstützen. Ich bleibe im Hintergrund und beobachte, wie Mama mit kleinen Bewegungen der Anleitung folgt, die Erde aufzulockern und frische glattzuharken. Sie hält die Handharke fest, die Linke streicht ebenfalls über die Krumen, sie wirkt dabei konzentriert und lebendiger als sonst.

Ich sehe ihre Schultern und ihre weißen, dichten Haare, die sie recht lang und ungebändigt trägt, – und ein Gefühl von Geborgenheit kommt über mich: Da ist meine Mutter, die im Garten herumgräbt und ich bin wieder ihre Tochter, die sie sorglos beobachten darf, nachher geht sie bestimmt ins Haus und kommt mit einer Limonade oder einem Kräutertee zurück, und dann sitzen wir rum und schauen auf das Geschaffene.

Nachdem die Erde bereit ist, sät die Lehrerin Möhren, Radieschen, Pflücksalat und Gurken aus. Gestern, nach fünf Tagen, sieht man schon die ersten Sprießlinge.