• Auf dem Sofa, lesend. Der Bildhauer hatte zu Weihnachten von seinen Mäzenen eine riesige Wolldecke bekommen, die ein Prinzessinnenbett abzudecken vermag, oder eine Jurte, und weil er aber Wolle nicht so gut am Körper haben kann, ist die Decke jetzt bei mir. Auch wenn man sie doppelt legt, ist sie immer noch groß genug für mich und so warm, dass ich mich bei Minusgraden und offenem Fenster nackt darunter verkriechen kann. Jetzt also lesend, bei einem starken Milchkaffee und einem Riegel Bitterschokolade.
  • Wir lesen uns gerade gegenseitig 1913 von Florian Illies vor. Als ich neulich länger schlief, hatte der Bildhauer sich einen Vorsprung angelesen und den hole ich jetzt nach. Wie wunderbar: Die Hauptakteure der Moderne, allesamt junge Frauen und Männer mit erheblichen Macken. Schön geschrieben und sehr lustig. Sogar Franz Kafka: haha. Ich weiß noch, mit welch großem Ernst (hier würde der Bildhauer jetzt mit matter Stimme und hängenden Mundwinkeln Ernst Barlach sagen, haha,) also, mein Deutschlehrer hatte mir Leseratte Empfehlungen mitgegeben, und so las ich mich eifrig durch Kafkas Hauptwerke. Von dem Ernst bleibt jetzt nicht mehr viel, Kafkas weinerliche Briefe an Felice Bauer erscheinen nurmehr menschlich und, tatsächlich, irgendwie absurd komisch. Vielleicht, weil ich Ähnliches durchgemacht habe und die Welt besser begreife als mit 17.
  • Drüben in Nachbars Bäumen baut sich das Elsternpaar ein neues Nest, gleich zwei Meter neben dem alten, das sicherlich ziemlich zugekackt ist oder anderweitig nutzlos geworden. Wenn die im Sommer wieder blöd kommen und sich mit den Katzen zanken, kann ich immer noch mit der Zwille rüber, aber so weit komme ich sicherlich nicht.
  • Wie das Licht langsam durchs Zimmer streicht, sehr langsam. Unglaublich, dass wir auf so einem rasend schnellen Planeten hocken und doch sieht man die Bewegung nur, wenn man lange schaut.
  • Frohes Neues Jahr – der Ziege. Jetzt wird es sicherlich Frühling.