Auf der Fensterbank wird es Herbst. Im Blumenkasten gibt es eine zweite Generation Kleeblüten, noch gern besucht von den letzten Bienen des Jahres. In weitere Töpfe hatte ich Samenbomben gesetzt, aus denen es freundlich und etwas unordentlich gesprießt hatte und nun langsam vertrocknet. Ab und zu hört man eine Walnuss von Nachbars Baum fallen, der schon deutlich entlaubt sich zeigt. Die Mittagszeit verbringen der Bildhauer und ich in einem Steingeschäft, ich suche einen schönen Crysopras, der gegen die leidigen Hitzewellen helfen soll, und er irgendwas. Nachdem wir die tausend Sorten Steine, von denen es jeweils wieder tausende gibt, ausgiebig betrachtet haben, nimmt er drei Bergkristalle und ich neben dem grünen Stein noch ein Stück Mammut-Elfenbein. Mammuts sind seit diesem Sommer meine Lieblingstiere, der Bildhauer hatte die verschiedendsten Bücher über sie neben dem Bett gestapelt und ich träumte davon, in der Steinzeit zu leben. Mit ihm.

Wir machen seltsame Dinge – gehen mit Pfeil und Bogen raus und probieren sie aus. Für ihn sind beide, Bogen und Pfeil, schön geformte Skulpturen, was aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass sie funktionstüchtige Waffen sind, die Pfeile besitzen Stahlspitzen und eine erstaunliche Kraft. Während wir durch die Natur wandern, ich mit acht federbesetzten tödlichen Pfeilen im Köcher auf dem Rücken und in der Hand das warme, geölte Holz des Bogens mit der straffen Sehne, die an meinem Handgelenk reibt, fühle ich mich nah dran, dort hinten liegt ein Haufen Stroh, sieht er nicht aus wie ein bereits erlegtes Mammut?

An einem anderen Tag in der Kiesgrube schießen wir mit Zwillen rundliche Steine auf Verkehrsschilder, imaginäre Ziele und liegengebliebene Flaschen, die mit diesem unvergleichlichen Geräusch zerspringen. Auch die Zwillen hat der Bildhauer hergestellt und verkauft sie in einem Laden für Vintage-Bedarf. In beiden Disziplinen, dem Bogenschießen und dem Gebrauch der Zwille, erweise ich mich als geschickt, und wieder fühle ich Dieses, als ich mit der Zwille in der hinteren Hosentasche neben dem Bildhauer hergehe, wir wie zwei Burschen, die jeder Gefahr trotzen. Ab und zu legen wir uns im Gehen gegenseitig den Arm auf die Schultern. Scheiß auf die Geschlechterrollen! Von Beginn an waren diese angenehm verwischt und immer noch spielen wir damit. Ich könnte darüber schreiben, wie gut wir uns miteinander fühlen, aber aus irgendeinem Grund empfinde ich es als verfrüht, noch herrscht Verliebtheit und gegenseitige Bewunderung, möglicherweise ausgelöst durch verwirbelnde Hormone, die angeblich nach einer gewissen Zeitspanne verebben – wir werden sehen, was die Zeit aus uns macht.

Mit dem Herbst und den Steinen und Holzstücken, die sich in meinem Zuhause ansammeln, ändert sich die Stimmung. Ich weiß, dass der Bildhauer meinen geistigen Ideen ebenso nah ist wie ich seinen künstlerischen, manchmal, wenn ich darüber rede, reagiert er äußerst gerührt. Es würden Puzzleteile endlich zusammenfinden, behauptet er. Männliche und weibliche. Diese und jene. Obere und untere. Für mich sind die tantrischen Traditionen Indiens schon lange Heimat, für ihn gewinnen sie langsam an Bedeutung.

Ich habe eine Art Gelübde gemacht, ein stilles, mit Sankalpa Shakti. Es betrifft einen Bereich, der mich seit Jahrzehnten nicht losgelassen hat. Jetzt möchte ich ihn willentlich loslassen. Ich weiß, dass das gut so ist.