Topic: Auf Reisen
Der Besucherandrang – er lag wohl an den vielen interessanten Suchbegriffen, die sich hier finden ließen – hat nachgelassen und nun kann ich wieder schreiben, ohne dass es jemand merkt. Nach einer kurzen Reise an die See ins Rostocker Umland mit der lieben Freundin D. bin ich bei Walter Kempowski gelandet. D. und ich sind vor der Abreise ein paar Stunden in der Stadt herum und ich hätte gern das Kempowski-Archiv besucht, es war aber leider noch geschlossen. Auch mein Bildhauer war damals ein großer Anhänger des Schriftstellers und hatte einen kurzen Briefwechsel, in dem Notizen und Gegenstände seinen Besitzer wechselten.
D. und laufen viel an Warnemündes Stränden Richtung Ost und West, D. traut sich sogar in die kühlen, stürmischen Wogen; sie ist glücklich. Unser Domizil, ein reetgedecktes Ferienhäuschen, besticht durch die schiere Menge maritimer Abbildungen – praktisch jeder Gegenstand im Haus ist bedruckt mit Ankern, Leuchttürmen, Muscheln, Seesternen – wie eine überbordende Flut, die Badewannenvorlagen, Lampenschirme, Tischsets, Tassen, Bettwäsche, Sofakissen, Handtücher und Vorhänge erfasst hat. Wenn ich einen Kommentar ins Gästebuch schreiben würde, dann darüber. Nicht ohne Ironie. Nicht ohne einen Ankeranhänger oder so.
Ja, die See war rau und laut, dunkelgrau und himmelblau, dort Richtung Westen diese phantastische Steilküste und der Gespensterwald, jedes Jahr nimmt die See durch ansturmbedingte und Erosion 35 cm vom Ufer, einiges ist schon herabgefallen und diese Treppe zu nehmen ist eigentlich verboten, man sieht, wie ihre Ständer auf hinzugefügten Zickzack-Betonsteinen notdürftigen Halt finden, wir sind trotzdem hoch, um den gleichen Weg zurück zu vermeiden.
Im Hintergrund tue ich mich schwer mit den Briefen zwischen Rilke, Zwetajewa und Pasternak, die ziemlich genau vor 100 Jahren gewechselt wurden. Mir gefallen ihre gegenseitigen Liebesbekundungen, ihre großen, über die Ferne erlebten Gefühle füreinander, einzig aufgrund einer bestimmten Wortkunst, einer bestimmten Zeile und überhaupt – sie sind Dichter, aber ihren Ausschweifungen kann ich größtenteils nicht folgen, weniger wegen der Sprache oder fehlender Seelenverwandtschaft, eher vielleicht wegen mitschwingender politischer Gegebenheiten, die ich nicht verstehe und wechselnder Aufenthaltsorte hier und dort und bereits vorhandener Ehepartner. Marina Zwetajewa schreibt Rilke anscheinend in Deutsch und ich mag ihre Wortsuche, Wortspiele und -ableitungen, die sie schreibend entdeckt (so mache ich es ja auch). Rilke war nach seinen Reisen nach Russland hingerissen von Land und Kultur und lernte die Sprache schreib- und sprechbar in nur einem Jahr!
Mich hatte ebenfalls von Zeit zu Zeit die Fernliebe ergriffen und zu lyrischen Wortfolgen verleitet. Ebenso könnte ich mir vorstellen, eine Inkarnation von Marina zu sein, das dachte ich schon bei Paul Klee und sicherlich auch bei Huckleberry Finn, Tarzan und Robinson Crusoe. Um meine poetische Fassenskraft weiter zu üben, habe ich nun ein Buch von Arnim Risi bestellt, der sich als eine Inkarnation von Hölderlin meint. Auch er eine Inkarnation von mir, wenn ich nicht noch am Leben wäre. Wer weiß.
Das macht alles großen Spaß. Es ist, als könnte ich endlich all das studieren, wozu ich in den letzten 100 Jahren nicht gekommen bin, in meinem eigenen Tempo, meiner eigenen Zeit. Unprüfbar, ohne Leistungsnachweis – einfach für mich allein aus Freude am sammelnden Zusammenfügen der Einzelteile, die ich schon hab' und die ich noch bekomme. Lass' mich Dichter sein, Malerin und Forscher. Ich bin noch jung.
D. und laufen viel an Warnemündes Stränden Richtung Ost und West, D. traut sich sogar in die kühlen, stürmischen Wogen; sie ist glücklich. Unser Domizil, ein reetgedecktes Ferienhäuschen, besticht durch die schiere Menge maritimer Abbildungen – praktisch jeder Gegenstand im Haus ist bedruckt mit Ankern, Leuchttürmen, Muscheln, Seesternen – wie eine überbordende Flut, die Badewannenvorlagen, Lampenschirme, Tischsets, Tassen, Bettwäsche, Sofakissen, Handtücher und Vorhänge erfasst hat. Wenn ich einen Kommentar ins Gästebuch schreiben würde, dann darüber. Nicht ohne Ironie. Nicht ohne einen Ankeranhänger oder so.
Ja, die See war rau und laut, dunkelgrau und himmelblau, dort Richtung Westen diese phantastische Steilküste und der Gespensterwald, jedes Jahr nimmt die See durch ansturmbedingte und Erosion 35 cm vom Ufer, einiges ist schon herabgefallen und diese Treppe zu nehmen ist eigentlich verboten, man sieht, wie ihre Ständer auf hinzugefügten Zickzack-Betonsteinen notdürftigen Halt finden, wir sind trotzdem hoch, um den gleichen Weg zurück zu vermeiden.
Im Hintergrund tue ich mich schwer mit den Briefen zwischen Rilke, Zwetajewa und Pasternak, die ziemlich genau vor 100 Jahren gewechselt wurden. Mir gefallen ihre gegenseitigen Liebesbekundungen, ihre großen, über die Ferne erlebten Gefühle füreinander, einzig aufgrund einer bestimmten Wortkunst, einer bestimmten Zeile und überhaupt – sie sind Dichter, aber ihren Ausschweifungen kann ich größtenteils nicht folgen, weniger wegen der Sprache oder fehlender Seelenverwandtschaft, eher vielleicht wegen mitschwingender politischer Gegebenheiten, die ich nicht verstehe und wechselnder Aufenthaltsorte hier und dort und bereits vorhandener Ehepartner. Marina Zwetajewa schreibt Rilke anscheinend in Deutsch und ich mag ihre Wortsuche, Wortspiele und -ableitungen, die sie schreibend entdeckt (so mache ich es ja auch). Rilke war nach seinen Reisen nach Russland hingerissen von Land und Kultur und lernte die Sprache schreib- und sprechbar in nur einem Jahr!
Mich hatte ebenfalls von Zeit zu Zeit die Fernliebe ergriffen und zu lyrischen Wortfolgen verleitet. Ebenso könnte ich mir vorstellen, eine Inkarnation von Marina zu sein, das dachte ich schon bei Paul Klee und sicherlich auch bei Huckleberry Finn, Tarzan und Robinson Crusoe. Um meine poetische Fassenskraft weiter zu üben, habe ich nun ein Buch von Arnim Risi bestellt, der sich als eine Inkarnation von Hölderlin meint. Auch er eine Inkarnation von mir, wenn ich nicht noch am Leben wäre. Wer weiß.
Das macht alles großen Spaß. Es ist, als könnte ich endlich all das studieren, wozu ich in den letzten 100 Jahren nicht gekommen bin, in meinem eigenen Tempo, meiner eigenen Zeit. Unprüfbar, ohne Leistungsnachweis – einfach für mich allein aus Freude am sammelnden Zusammenfügen der Einzelteile, die ich schon hab' und die ich noch bekomme. Lass' mich Dichter sein, Malerin und Forscher. Ich bin noch jung.
akrabke | 14. Oktober 2025, 20:32 | 0 Kommentare
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