Topic: Nah
Zwecks Austauschens von Geburtstagsgrüßen spreche ich mit Cousin J., der ja auch immer nicht zum Arzt geht. Er hat eine verstopfte Ader, die mit einem Prozent Wahrscheinlichkeit einen Schlaganfall verursachen könnte, dagegenhaltend die zwei Prozent Wahrscheinlichkeit eines operativen Fehlschlags. Vielleicht hab ich's aber nicht richtig verstanden. Wer lässt sich schon einen Stent setzen mit so einer kopfschüttelnverursachenden Berechnung?
Während die Familie des Bildhauers jedem Schupfen mit Antibiotika begegnet, besteht die meine, mich eingeschlossen, aus arztkritischem Volk. Der nun tote L., den ich immer noch betrauere, nahm die Schulmedizin nur in Anspruch, um an die Morphine gelangen, die seine Schmerzen linderten. Zu einem echten Kampf gegen seinen Krebs machte er sich nicht mehr auf. Seiner Ansicht nach gab es da viele Möglichkeiten, manche sehr kostenintensiv, aber keiner mochte er vertrauen. Ich habe lange nicht verstanden, wie selbstbestimmt er diesen Körper aufgegeben hat – einfach in dem er nichts tat.
Ich selbst hab's im Vishuddha-Chakra, in der Kehle. Dort sitzt der Selbstausdruck, der Raum, aber auch die Angst. Da ist mal rechts, mal links, mal oben, mal unten ein Druckgefühl und manches Mal schlucke ich dauernd nervös herum, so wie da musste sie schlucken. Meine lange Liste mit den den Hals betreffenden Ausdrücken habe ich durchgearbeitet und stelle am Ende fest, dass ich Angst habe.
Um gleich auf den Punkt zu kommen – die größte Angst habe ich vor einem langen, kränklichen Herumgesieche, vor rat- und endlosen Arztbesuchen, mit gottlosem Herummedikamentieren um der Lebensverlängerung willen, als wäre der Körper eine Maschine, aufgelockert durch hoffnungsfrohe Phasen der Besserung. Jede Minute wäre durchzogen mit der Sorge um den Erhalt des Körpers. Nicht nur des eigenen, sondern auch den Körpern der Lieben – auch dem des Bildhauers. L. hat sich dieser Sorge und dem möglichen Aufkeimen neuer Lebenslust entzogen. Cousin J. macht es ebenso, er, der Rumpelnde, Dauermissgelaunte spricht von Gott und das in Seinen Händen liegende Schicksal. Die ein oder zwei Prozent Gefahr legt er Ihm mit auf die Waage und geht seiner Wege.
Die zehn Jahre, die ich der Mutter dabei zugesehen habe, wie sie sich auflöst, waren voller Schrecken und jede Facette dieser sie ummantelnden Angst wurden von mir im Gefühl und in der Seele aufgezeichnet und kommentiert. Ist es mein Schicksal, dies alles nochmal zu erleben? Mir mir selbst, mit dem Bildhauer, mit der Schwester. Was würde ich anders machen beim Zusehen, was würde ich anders machen mit mir selbst.
Im meinem Weltbild geht alles vom Geist aus, wird alles vom Geist erschaffen. Ich brauche also nur den Geist anders/neu auszurichten und schon ist alles fein. Durchzogen von unheilvollen Glaubenssätzen, die sich im Körper festgemacht haben – ich will mich diesen gern widmen und sie ans Licht bringen. Wie schwierig das ist, weiß ich.
Eine schöne Meditation unternahm ich, in der ich meinem zukünftigen Ich begegnete. Dazu setzte ich mich in meiner Vorstellung oben an den Waldrand über dem Lehen (das ich mit der lieben Freundin D. im Herbst bewohnt hatte) und wartete auf mich in zehn Jahren oder so. Ich sah mich selbst flinken Schrittes die Wiese heraufkommen, schlank, voller Kraft, angemessen gekleidet; rundherum die schöne Kulisse der Berge, ja, auch des Watzmanns und ich kam zu mir, ein paar lächelnde Falten mehr, das kurze Haar noch grauer und wir saßen zusammen, Schulter an Schulter und ich fragte mich. Wie ist es gelaufen, haben wir unser Ziel erreicht? Ich, die Ältere, sah mich nicht an, sondern ließ voller Ruhe meinen Blick über die Berge ziehen – ja, wir haben es geschafft, es ist alles gut. Was ist mit dem Hals? Irgendwann war es vorbei. Und der Bildhauer? Der ist ein guter Mann, wir sind gut. Ich habe nicht gefragt, ob er noch lebt, wer überhaupt noch lebt. Offensichtlich war ich (waren wir) allein in den Bergen, ohne Reisebegleitung und alle Wünsche für die neue Zeit wurden erfüllt, alle Sorge vorbei, mehr musste ich nicht wissen.
Während die Familie des Bildhauers jedem Schupfen mit Antibiotika begegnet, besteht die meine, mich eingeschlossen, aus arztkritischem Volk. Der nun tote L., den ich immer noch betrauere, nahm die Schulmedizin nur in Anspruch, um an die Morphine gelangen, die seine Schmerzen linderten. Zu einem echten Kampf gegen seinen Krebs machte er sich nicht mehr auf. Seiner Ansicht nach gab es da viele Möglichkeiten, manche sehr kostenintensiv, aber keiner mochte er vertrauen. Ich habe lange nicht verstanden, wie selbstbestimmt er diesen Körper aufgegeben hat – einfach in dem er nichts tat.
Ich selbst hab's im Vishuddha-Chakra, in der Kehle. Dort sitzt der Selbstausdruck, der Raum, aber auch die Angst. Da ist mal rechts, mal links, mal oben, mal unten ein Druckgefühl und manches Mal schlucke ich dauernd nervös herum, so wie da musste sie schlucken. Meine lange Liste mit den den Hals betreffenden Ausdrücken habe ich durchgearbeitet und stelle am Ende fest, dass ich Angst habe.
Um gleich auf den Punkt zu kommen – die größte Angst habe ich vor einem langen, kränklichen Herumgesieche, vor rat- und endlosen Arztbesuchen, mit gottlosem Herummedikamentieren um der Lebensverlängerung willen, als wäre der Körper eine Maschine, aufgelockert durch hoffnungsfrohe Phasen der Besserung. Jede Minute wäre durchzogen mit der Sorge um den Erhalt des Körpers. Nicht nur des eigenen, sondern auch den Körpern der Lieben – auch dem des Bildhauers. L. hat sich dieser Sorge und dem möglichen Aufkeimen neuer Lebenslust entzogen. Cousin J. macht es ebenso, er, der Rumpelnde, Dauermissgelaunte spricht von Gott und das in Seinen Händen liegende Schicksal. Die ein oder zwei Prozent Gefahr legt er Ihm mit auf die Waage und geht seiner Wege.
Die zehn Jahre, die ich der Mutter dabei zugesehen habe, wie sie sich auflöst, waren voller Schrecken und jede Facette dieser sie ummantelnden Angst wurden von mir im Gefühl und in der Seele aufgezeichnet und kommentiert. Ist es mein Schicksal, dies alles nochmal zu erleben? Mir mir selbst, mit dem Bildhauer, mit der Schwester. Was würde ich anders machen beim Zusehen, was würde ich anders machen mit mir selbst.
Im meinem Weltbild geht alles vom Geist aus, wird alles vom Geist erschaffen. Ich brauche also nur den Geist anders/neu auszurichten und schon ist alles fein. Durchzogen von unheilvollen Glaubenssätzen, die sich im Körper festgemacht haben – ich will mich diesen gern widmen und sie ans Licht bringen. Wie schwierig das ist, weiß ich.
Eine schöne Meditation unternahm ich, in der ich meinem zukünftigen Ich begegnete. Dazu setzte ich mich in meiner Vorstellung oben an den Waldrand über dem Lehen (das ich mit der lieben Freundin D. im Herbst bewohnt hatte) und wartete auf mich in zehn Jahren oder so. Ich sah mich selbst flinken Schrittes die Wiese heraufkommen, schlank, voller Kraft, angemessen gekleidet; rundherum die schöne Kulisse der Berge, ja, auch des Watzmanns und ich kam zu mir, ein paar lächelnde Falten mehr, das kurze Haar noch grauer und wir saßen zusammen, Schulter an Schulter und ich fragte mich. Wie ist es gelaufen, haben wir unser Ziel erreicht? Ich, die Ältere, sah mich nicht an, sondern ließ voller Ruhe meinen Blick über die Berge ziehen – ja, wir haben es geschafft, es ist alles gut. Was ist mit dem Hals? Irgendwann war es vorbei. Und der Bildhauer? Der ist ein guter Mann, wir sind gut. Ich habe nicht gefragt, ob er noch lebt, wer überhaupt noch lebt. Offensichtlich war ich (waren wir) allein in den Bergen, ohne Reisebegleitung und alle Wünsche für die neue Zeit wurden erfüllt, alle Sorge vorbei, mehr musste ich nicht wissen.
akrabke | 23. Juli 2025, 10:11 | 0 Kommentare
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